Am Dienstag tritt Josefa Schmid in Leonberg ihr Amt als Erste Bürgermeisterin. In ihrem ersten Interview lässt sie die turbulenten Wochen vor der Wahl Revue passieren und blickt auf ihre künftigen Aufgaben.

Leonberg - Unsere Zeitung hat Josefa Schmid in den vergangenen Monaten intensiver als manch anderer gelesen. In Vorbereitung auf ihre Kandidatur hat sich die 47-Jährige genau auf die angestrebte Wirkungsstätte vorbereitet. Mit Erfolg: Am 4. Mai wird sie im Gemeinderat zur Ersten Bürgermeisterin gewählt.

 

Frau Schmid, wie geht es Ihnen?

Voller Vorfreude bin ich schon sehr gespannt, was mich vom 1. Juni an in Leonberg erwarten wird.

Was hatten Sie empfunden, als Sie im November nach dem ersten Wahlgang die Gäublickhalle verlassen hatten?

Dass eine Stimme mehr mir den Weg in die Stichwahl und möglicherweise auch den Wahlsieg gebracht hätte. Und wie knapp oft Sieg und Niederlage beieinander liegen können. Bei mir hat mehrheitlich aber doch die Freude über das Vertrauen des Gemeinderats mit dem auf Anhieb guten Ergebnis überwogen. Bei der Fahrt in Richtung Autobahn war ich dann ein wenig wehmütig, und hatte beschlossen, Leonberg bei nächster Gelegenheit einmal privat zu besuchen.

Und was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie erfahren hatten, dass die Stelle neu ausgeschrieben wurde?

Jetzt bekomme ich eine zweite Chance, und diese werde ich nutzen.

Warum wollten Sie unbedingt nach Leonberg?

Für mich stand im Mai vergangenes Jahr nach zwei Amtsperioden als Erste Bürgermeisterin in Kollnburg fest, dass ich wieder kommunalpolitisch tätig werden möchte. Ich habe die Stellenausschreibung für den Ersten Beigeordneten der Großen Kreisstadt Leonberg im Staatsanzeiger von Baden-Württemberg dann im Spätsommer gelesen und fühlte mich sofort angesprochen. Für mich war klar, dass ich mich bewerben werde. Von der Mentalität fühle ich mich dem süddeutschen Raum verbunden, und die Größe und Struktur von Leonberg gefielen mir für eine mögliche berufliche Tätigkeit.

War Ihnen am Jahresanfang klar, dass der zweite Anlauf schwer werden wird?

Darüber habe ich mir zunächst keine Gedanken gemacht. Angesichts des knappen Ergebnisses des ersten Wahlgangs im November war ich aber recht optimistisch.

Wie haben Sie sich motiviert?

Viele Gespräche mit Ratsmitgliedern und eine noch intensivere Vorbereitung haben mich außerordentlich motiviert.

Was meinen Sie mit noch intensiver?

Ich war mehrfach im Vorfeld in Leonberg, habe mir die einzelnen Stadtteile angeschaut, um ein Gefühl für die Stadt zu bekommen. Und ich habe mich intensiv mit den kommunalpolitischen Problemen in der Stadt auseinandergesetzt.

Sie hatten offensiv den Kontakt mit den Fraktionen und Ratsgruppen in Leonberg gesucht. Welches Gefühl hatten Sie während der Gespräche?

Ich hatte schon das Gefühl, dass meine Bewerbung überwiegend positiv aufgenommen wurde. Die Gewissheit, die Wahl zu gewinnen, hatte ich jedoch nie. Es war klar, dass es knapp werden würde. Aus den vielen Gesprächen konnte ich nur lernen und viele Ideen und Impulse für eine Weiterentwicklung Leonbergs mitnehmen.

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Insbesondere von den Grünen gibt es Vorbehalte wegen Ihrer Linie als kommissarische Leiterin der Bremer Niederlassung des Bundesamtes für Migration. Waren Sie angesichts der menschlichen Schicksale zu hart vorgegangen, wie es die Grünen durch ihre Nachfragen an Sie vor Ihrer Wahl unterstellt haben?

Das muss ich entschieden zurückweisen. In Bremen habe ich als Bundesbeamtin im höheren Dienst meine Aufgaben korrekt nach Recht und Gesetz abgearbeitet.

Sie wurden damals von der Bremer Dienststelle abgezogen und haben sich dagegen vergeblich gewehrt – bis hin zum Bundesinnenminister. Haben Sie sich von der großen Politik allein gelassen gefühlt?

Der Bundesrechnungshof hat in einem Prüfbericht die Korrektheit meiner Arbeit bestätigt. Deshalb habe ich mich im Nachhinein nicht gerecht behandelt gefühlt.

Sprechen wir über Ihre künftigen Aufgaben: Was qualifiziert Sie als Dezernentin für Finanzen, Soziales und Ordnung?

Als gelernte Finanzwirtin mit einer langjährigen Erfahrung als Bürgermeisterin im Rathaus und als Mitglied des Kreistages kenne ich die kommunalpolitischen Problemlagen sehr gut. Die sind im Grundsatz sehr ähnlich, egal ob im kleineren Kollnburg oder im größeren Leonberg.

Sind nicht gerade die Bereiche Finanzen und Soziales kaum kompatibel? Einerseits müssen Sie sparen, andererseits viel Geld ausgeben und versuchen, Ansprüche zu erfüllen.

Beide Bereiche gehören untrennbar zusammen, denn ohne solide Finanzen ist Soziales nicht zu gewährleisten.

Sie wollen aus möglichst vielen Fördertöpfen schöpfen, um Projekte zu finanzieren. Haben Sie ein „geheimes Buch“ mit Tipps für das erfolgreiche Ergattern von Zuschüssen?

So ein Buch habe ich nicht. Aber fest steht, dass ich durch geschickte Förderakquise in meiner Bürgermeisterzeit in Kollnburg den Schuldenstand mehr als halbieren konnte und trotzdem viel investiert habe. Der gute Kontakt zu Förderstellen war mir immer wichtig.

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Waren Sie enttäuscht, dass lediglich eine knappe Mehrheit des Gemeinderates Sie gewählt hat? Wie wollen Sie mit den Fraktionen, die Sie nicht unterstützt haben, umgehen?

Als Kommunalpolitikerin mit Herz und Seele habe ich mir im Laufe der Zeit ein dickes Fell zugelegt. Die Freude über die gewonnene Wahl hat jegliche Enttäuschung überwogen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass ich mit allen Fraktionen gleich umgehen werde, wie es das Amt auch vorsieht.

Der Oberbürgermeister hat sich in der entscheidenden Phase nicht gerade als Ihr größter Förderer erwiesen. Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Chef vor, auch vor dem Hintergrund, dass Martin Georg Cohns Verhältnis zu Teilen des Gemeinderats als angespannt gilt?

Ich bin offen für einen partnerschaftlichen, vertrauensvollen Umgang innerhalb der uns zugewiesenen Aufgaben. Es steht mir nicht zu, das Verhältnis des Oberbürgermeisters zu Teilen des Gemeinderats zu kommentieren.

Sie haben damit geworben, voll und ganz für und in Leonberg zu leben. Das heißt, Sie verlegen Ihren Lebensmittelpunkt in die Stadt ?

Mein uneingeschränktes Bekenntnis zu Leonberg lege ich ab, in dem ich binnen kürzester Zeit versuche, Wohneigentum in dieser schöner Stadt zu erwerben.

Was wird Ihre erste Amtshandlung in Leonberg sein?

Natürlich gehört es sich, dass ich mich den Mitarbeitern als Erstes vorstelle und mit ihnen diskutiere, wenn Fragen auftreten. Gleiches gilt auch für die Fraktionen und Ratsgruppen, mit denen bereits teilweise Termine vereinbart sind. Sehr bald folgend werde ich mir ein aktuelles Bild über die Finanzlage der Stadt machen, um auf dieser Basis erste inhaltliche Vorschläge zu machen.

Sie haben als „singende Bürgermeisterin“ für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt. Haben Sie schon einen musikalischen Termin mit dem „singenden Stadtrat“ Jörg Langer vereinbart?

In der Tat macht mir Musik viel Freude, und dazu stehe ich auch. Herr Langer und ich sprachen bereits darüber, dass wir, sobald sich eine passende Gelegenheit ergibt, miteinander musizieren wollen.