Wo legt die Gemeinde künftig Geld an – und mit welchem Risiko? Die neu überarbeiteten Anlagerichtlinien sind für Weissach nach der Greensill-Pleite ein Wendepunkt.

Mehr als ein Jahr ist es her, dass die Greensill-Bank Insolvenz anmeldete – die Gemeinde Weissach, in der 16 Millionen Euro quasi über Nacht verloren gingen, hat das Thema nach wie vor nicht losgelassen. Nebst Irritationen um die Vorgänge im Rathaus hat die Pleite seitdem viel Verunsicherung im Umgang mit kommunalen Geldanlagen ausgelöst – und das nicht nur in Weissach, sondern auch in anderen betroffenen Kommunen. Die zentrale Frage: Wie viel Risiko geht in Ordnung, um hohe Negativzinsen zu vermeiden?

 

Keine Anlagen mehr seit März 2021

In Reaktion auf die Greensill-Insolvenz hatte der Weissacher Gemeinderat im März 2021 die Notbremse gezogen, seitdem hat die Gemeinde keine Geldanlagen mehr getätigt. Die fällig gewordenen Anlagesummen deponierte man auf dem Girokonto der Gemeinde, dort schlummern aktuell 22 Millionen Euro. Und die kosten: Allein für das laufende Jahr rechne man 100 000 Euro Verwahrentgelten, so die Gemeinde.

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Auch angesichts des Minus im Weissacher Haushalt hatten Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU) und Kämmerin Karin Richter in den vergangenen Wochen und Monaten – etwa bei Vorstellung des Haushalts im Januar – immer wieder geraten, die Anlagepolitik der Gemeinde wieder ins Auge zu fassen. Das ist inzwischen auch passiert: Wie in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats bekannt wurde, hatten die Räte mit der Verwaltung in einigen nichtöffentlichen Sitzungen über die Anlagerichtlinie beraten.

Keine Anlagen mehr bei Privatbanken

Die entstandene, neue Version der Richtlinien zielt nun scheinbar auf maximale Sicherheit: Geldanlagen bei Privatbanken sind ab sofort nicht mehr zulässig, außer sie werden von der Bafin als systemrelevant eingestuft. Aktuell zählen zu diesen etwa die Commerz- oder die Deutsche Bank.

Die zweite große Änderung betrifft das notwendige Mindestrating, mit dem eine Geldanlage bewertet sein muss, um von der Gemeinde getätigt zu werden. Dieses wurde um jeweils zwei Stufen angehoben – eine 180-Grad-Wendung, nachdem der Gemeinderat erst im Januar 2021 beschlossen hatte, auch niedrigere Ratings zu akzeptieren. Bewerten die drei Rating-Gesellschaften Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch eine Anlage unterschiedlich, gilt wie bereits vor der Überarbeitung die niedrigste Bewertung. Zusätzlich ergänzt wurde ein Absatz, laut dessen der Finanz- und Verwaltungsausschuss umgehend zu informieren ist, falls sich im Zuge einer Quartalsprüfung Abweichungen im Rating ergeben.

Kein Widerspruch aus dem Gemeinderat

Anfreunden können sich mit der neuen Anlagerichtlinie alle Beteiligten: Der Gemeinderat beschloss einstimmig die Änderungen in seiner jüngsten Sitzung. „Wir freuen uns, das wir einen Vorschlag haben, mit dem es weitergeht“, betonte Daniel Töpfer. Zufriedenheit mit dem Überarbeitungsprozess und der konstruktiven Diskussion zum Thema klang auch unter den Gemeinderäten an. „Es gibt nichts, was man kritisieren könnte“, kommentierte etwa Pierre Michael von den Grünen, der im vergangenen Jahr einer der lautesten Kritiker der Weissacher Anlagepolitik war, auf Nachfrage unserer Zeitung. „Ich hatte auch den Eindruck, dass die Verwaltung da sehr offen war.“

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Man sei nach Greensill tief in sich gegangen, sagte Andreas Pröllochs, der Fraktionsvorsitzende der Bürgerliste bei der Sitzung. „Das ist ein Paket, bei dem wir in Summe glauben, dass es die größtmögliche Sicherheit bietet.“ Auch Petra Herter, die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, blickte auf die „schmerzlichen Erfahrungen mit der Anlagepolitik“ zurück. „Ich denke, wir haben alle daraus gelernt.“ Eine Überarbeitung sei dringend notwendig gewesen, die nun vorliegende Anlagerichtlinie hält sie für „relativ sicher“.

Kommunen haben Finanzhoheit

Und wie geht es weiter? Aktuell hat Weissach noch rund 21 Millionen Euro bei vier Privatbanken angelegt. Das bestätigt Daniel Töpfer auf Anfrage unserer Zeitung. Davon sind rund drei Millionen Euro noch über den Einlagensicherungsschutz abgesichert. Die restlichen Anlagen will die Gemeinde aber vorerst nicht anrühren. „Die Geldanlagen bleiben bis zu ihrer Fälligkeit unverändert bestehen“, so der Bürgermeister. „Es besteht keinerlei Anlass für eine Veränderung.“