Die Frage, wie die bei der insolventen Bank angelegte Summe im Jahresabschluss bilanziert werden soll, hat im Gemeinderat Uneinigkeit gestiftet.

Weissach - Insgesamt 16 Millionen Euro in zwölf Tranchen hat Weissach bei der insolventen Greensill Bank angelegt. Ob und in welchen Umfang die Gemeinde davon je wieder etwas sieht, wird sich wohl erst in Jahren entscheiden – wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Vor einem anderen Problem steht die Gemeinde Weissach aber bereits im Jahr 2021: Wie mit den gefährdeten Millionen im Jahresabschluss umgehen?

 

Weissach ist spät dran

Für den entsprechenden Umgang mit der Millionensumme in der Jahresbilanz hat die Verwaltung nun zum einen eine sogenannte Niederschlagung, zum anderen eine Wertberichtigung vorgeschlagen. Das sei ein „relativ alternativloses“ Verfahren, betont Oliver Weth, der Sachgebietsleiter der Finanzverwaltung – zumal dies auch die offizielle Handlungsempfehlung der baden-württembergischen Gemeindeprüfungsanstalt für die von der Pleite betroffenen Gemeinden sei. Hier sei Weissach „spät dran“, erklärt Bürgermeister Daniel Töpfer. Andere betroffene Kommunen hätten diese Verwaltungsfrage schon längst geklärt.

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Hinter der Niederschlagung versteckt sich eine komplexe verwaltungsinterne Maßnahme, die bei der jüngsten Gemeinderatssitzung in der Weissacher Strudelbachhalle auch unter den Ratsmitgliedern für Verunsicherung ausgelöst hat. Bei einer Niederschlagung verzichtet die Gemeinde vorerst auf die Eintreibung der fälligen Ansprüche aus dem Schuldenverhältnis. Das darf die Gemeinde, wenn die sogenannte Uneinbringlichkeit gegeben ist, die Eintreibung also aktuell keine Aussicht auf Erfolg hat. So ist es auch im Fall Weissach: Weil der Insolvenzprozess wahrscheinlich noch einige Jahre dauern wird, rechnet man vorerst nicht mit einer Rückzahlung. Befristet werden soll die Niederschlagung, so will es der Beschluss, auf fünf Jahre. Dann wird geprüft, ob es eine erneute Niederschlagung gibt.

Jahresergebnis wäre 16 Millionen Euro im Minus

Was ist aber, wenn das Insolvenzverfahren entgegen aller Erwartungen doch schon vorher beendet sein sollte? „Müssen wir dann die fünf Jahre abwarten, bis wir das Geld zurückbekommen?“, fragt Gemeinderat Ullrich Shih. Klare Antwort von Bürgermeister Töpfer: „Nein. Das Insolvenzverfahren sticht in diesem Sinne.“

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Hand in Hand mit der Niederschlagung möchte die Gemeindeverwaltung auch eine Wertberichtigung im Jahresabschluss 2021 vornehmen. Oliver Weth erklärt: „Wir hatten die 16 Millionen Euro ursprünglich als Finanzvermögen auf unserer Bilanz.“ Nun sei unklar, ob diese Masse überhaupt noch 16 Millionen Euro wert sei. Im diesjährigen Jahresabschluss soll der Wert der Anlage deshalb auf null Euro berichtigt werden. „Das sieht hart aus im Jahresabschluss“, weiß Weth. Falls man aus dem Insolvenzverfahren Geld zurückerhalte, wäre dies aber wiederum ein außerordentlicher Ertrag und damit dann ein dickes Plus auf der zukünftigen Jahresbilanz.

Grüne und UL finden Zeitpunkt zu früh

„Wir stimmen nicht zu“, so Susanne Herrmann, Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen Liste, in der Sitzung. Der Grund: Sowohl der Bericht der Rechtsanwaltskanzlei, die derzeit eine Dienstleistungsverletzung bei Verwaltungsmitarbeitern prüft, als auch das Schlussergebnis der Akteneinsicht der Gemeinderäte lägen noch nicht vor. „Das ist Schritt drei vor Schritt eins und zwei.“ Auch Bürgerlisten-Vorsitzender Andreas Pröllochs schließt sich zunächst an. „Ich muss gestehen, dass auch uns ähnliche Fragen in der Fraktionssitzung beschäftigt haben“, sagt er. „Ist es nicht viel zu früh?“

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Kämmerin Karin Richter versucht daraufhin Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen: Die juristische Prüfung finde unabhängig vom Insolvenzverfahren und der Bilanz statt „Das sind zwei paar Stiefel.“ Dass man das Geld nicht verschenke, betont auch Steffen Lautenschlager von den Freien Wählern. „Wir entlasten nur unsere Bilanz.“

Zwölf Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen

Flächendeckende Einigkeit gibt es letztlich nicht: Mit zwölf Ja-Stimmen wird der Beschluss gefasst, Grüne und Unabhängige Liste stimmen geschlossen dagegen. „Wir haben uns gewünscht, man hätte abgewartet, bis das Gesamtverfahren mit juristischer Prüfung und Akteneinsicht abgeschlossen ist“, erklärt Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Herter. Auch, um nicht das falsche Signal zu senden – nämlich, dass der Gemeinderat das Thema Greensill aufgibt. „Das ist nicht der Fall.“ Man müsse erst Lehren und Konsequenzen ziehen, etwa dringend die Anlagestrategie der Gemeinde überarbeiten. „Dass wir die Niederschlagung irgendwann vornehmen müssen, daran führt kein Weg vorbei“, ergänzt sie. „Aber für uns war es der falsche Zeitpunkt.“