Mithilfe einer großen Erbschaft lässt die Bürgerstiftung barrierefreie Wohnungen bauen.

Renningen - Das wird eine echte Hausnummer – im wahrsten Sinne des Wortes: Die Bürgerstiftung Renningen investiert zwei Millionen Euro in ein Bauprojekt an der Alten Bahnhofstraße. Dort soll eine Art Wohngemeinschaft für Senioren entstehen. Dass das Projekt überhaupt zustande gekommen ist, verdankt die Stiftung einer Erbschaft von Ursula Mathes. Die Renningerin bewohnte zuvor selbst das Grundstück an der Alten Bahnhofstraße 27. Am Dienstagabend erfolgte der symbolische Spatenstich.

 

Die Bürgerstiftung gibt es seit 2014. Sie nutzt Zinsen aus dem Kapital von Renninger Bürgern, um damit gemeinnützige Projekte, Vereine oder Schulen in der Stadt zu fördern. Da wegen der niedrigen Zinsen aus den Kapitalerträgen derzeit nicht mehr viel zu holen ist, ist die Bürgerstiftung mittlerweile auf zusätzliche Spenden angewiesen. Davon konnte sie zum Beispiel vor einigen Monaten einen Bus beschaffen, den Vereine kostenlos für Ausflüge nutzen können.

„In der Summe haben wir schon 95 000 Euro für die gute Sache ausgeben können“, berichtet der Vorsitzende Bernhard Maier, Alt-Bürgermeister von Renningen. „Letztes Jahr hat das eine ganz neue Dimension bekommen.“ Gemeint ist die Erbschaft von Ursula Mathes, die einen großen Teil ihres Vermögens samt Haus und Grundstück der Stiftung hinterlassen hat.

Einsam und überfordert

Bei der Haushaltsauflösung wurde den Stiftungsmitgliedern vor allem eines ganz deutlich: Ursula Mathes ging es wie vielen älteren Menschen: „Sie war einsam und mit der Unterhaltung ihres Hauses und ihres Grundstücks überfordert“, erzählt Maier. Auch wenn man noch vieles selbst erledigt, „im Alter lassen die Kräfte einfach nach“, alles wird schwieriger zu handhaben. Als es darum ging, wofür man die Erbschaft einsetzen könnte, war für den Vorstand klar: „Wir wollen diese Erbschaft als ein Vermächtnis betrachten.“ Entstehen wird auf dem Grundstück deshalb ein zweistöckiger Komplex bestehend aus neun Wohnungen – alle behinderten- und seniorengerecht – und einem Gemeinschaftsraum, den jeder im Haus nutzen kann.

Der Neubau ist nicht zu verwechseln mit einem Mehrgenerationenhaus oder gar betreutem Wohnen. Das Projekt richtet sich an ältere Menschen, die ohne Betreuung auskommen, sich aber beispielsweise nicht mehr um ihr großes Haus kümmern oder nicht ständig fünf Stockwerke bis zu ihrer Wohnung überwinden können. Ziel ist es, dass diese Senioren so lange wie möglich selbstbestimmt in ihrem eigenen Zuhause leben und sich bei den Kleinigkeiten des Alltags auch gegenseitig unterstützen können. „So möchten wir all dem vorbeugen, mit dem unsere Stifterin zu kämpfen hatte“, erklärt Maier. Ein Hausmeister wird sich später um das Gelände kümmern.

Immenser Organisationsaufwand

Beim Ursula-Mathes-Haus, so hat es die Stiftung in Erinnerung an die Stifterin genannt, handelt es sich um ein Modellprojekt. „Von etwas Ähnlichem habe ich hier im Umkreis noch nie gehört.“ Entsprechend wenig Vorerfahrung gibt es, was mögliche Vergabekriterien angeht. „Das wird sicher nicht einfach zu erarbeiten sein“, glaubt Maier. Klar ist bislang: Die Wohnungen bleiben im Eigentum der Stiftung und werden vermietet. Das bedeutet natürlich einen immensen Organisationsaufwand. „Wir haben schon bei der Planung gemerkt, dass wir als Ehrenamtler da an unsere Grenzen stoßen.“ Die Einstellung eines Geschäftsführers auf 450-Euro-Basis ist deshalb in Überlegung.

Das Bauvolumen beträgt zwei Millionen Euro. Einen Teil davon muss die Bürgerstiftung über Kredite finanzieren. Die Gesamtfläche des Grundstücks beträgt rund 1300 Quadratmeter. Der Neubau besteht aus zwei miteinander verbundenen Häusern mit insgesamt neun Wohnungen. Diese sind zwischen 45 und 80 Quadratmeter groß, zum Teil also auch für Ehepaare gedacht. Bernhard Maier rechnet mit einer Bauzeit von 15 Monaten.

Wie groß der Bedarf an Wohnungen ist, zeigt sich deutlich: Obwohl sich auf dem Grundstück erst eine große Baugrube befindet, sind auf dem Rathaus bereits mehrere Anfragen eingegangen. Vorerst wird es aber nur Absagen geben. Denn bisher stehen noch nicht einmal die Vergabekriterien fest. Vor dem Frühjahr werden deshalb keine Bewerbungen angenommen.