Die S 62 kann nicht in Renningen halten, weil das Zeitfenster für die Züge zu klein ist. Sobald der Stuttgarter Bahnhof fertig ist, könnte sich das ändern.

Altkreis - Kein Halt in Renningen, wenig Zeitersparnis und eine Behinderung für die Hermann-Hesse-Bahn: Die geplante S-Bahn-Linie S 62 fährt erst in einem Dreivierteljahr und musste schon eine Menge Kritik einstecken. Doch nicht alle teilen die Vorwürfe, die unter anderem vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) kommen. Der Verband Region Stuttgart (VRS), verantwortlich für die S-Bahn, verteidigt das Konzept, in dem ein Halt in Renningen und Feuerbach künftig noch angestrebt sei. Auch das Verkehrsministerium, das sich für die Hesse-Bahn immer stark gemacht hat, steht hinter der Linie.

 

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„Wir hätten ohne Frage gerne am Porscheplatz und in Renningen angehalten“, erklärt Jürgen Wurmthaler, der Verkehrsdirektor beim VRS. „Wir hatten das bei der Bahn auch so angemeldet.“ Doch es gelten klare Vorgaben, welcher Abstand zwischen aufeinanderfolgenden Zügen liegen muss, damit sie sich keinesfalls in die Quere kommen. Das Zeitfenster auf dieser Strecke, die zwischen Renningen und Weil der Stadt sogar eingleisig wird, ist schlicht zu klein. Ein Halt in Renningen ist also aus strukturellen Gründen momentan nicht möglich.

Stuttgart 21 bringt neue Möglichkeiten

Der VRS setzt seine Hoffnung nun auf die Fertigstellung von Stuttgart 21, geplant für Ende 2025. Sobald der neue Tiefbahnhof im Einsatz ist, herrschen neue Voraussetzungen. „Wir wollen dann die Zeiten möglichst so anpassen, dass wir mit der S 62 auch Renningen anfahren können.“ Die Anbindung der Rankbachstadt ist demnach ein festes Ziel. Eine Garantie konnte Jürgen Wurmthaler auf Anfrage aber nicht geben. Ebenfalls 2025 soll die S 62 übrigens bis nach Feuerbach fahren können. Dafür wird dort gerade ein neuer Bahnsteig gebaut.

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Was andere Haltepunkte wie etwa Höfingen oder Rutesheim betrifft, so war deren Anfahrt explizit nicht gewollt. Nur wichtige Stationen sollen angefahren werden, etwa Leonberg oder Ditzingen mit den Arbeitgebern Trumpf und Thales. Die Zeitersparnis mit dem Auslassen von Höfingen sei zwar minimal, aber sie sei da, sagt Wurmthaler.

Obwohl es vor allem um die Entlastung des Abschnitts zwischen Korntal und Feuerbach geht, sei ein Start in Weil der Stadt sehr wichtig – auch dieser Punkt wurde von Kritikern bemängelt. „Der Entlastungseffekt tritt dann auf, wenn möglichst viele die Chance haben, einzusteigen.“ Ein großer Teil der Fahrgäste aus Weil der Stadt wolle eben nach Stuttgart. „Und gerade für die ist die Zeitersparnis am größten, weil der lange Halt der S 6 in Renningen wegfällt.“ Den Nachteil für die Hesse-Bahn sieht er zwar, hält die neue Struktur aber für notwendig.

Die Zeitersparnis ist für Reisende aus Weil am größten

Selbst das Verkehrsministerium, das die Hesse-Bahn immer unterstützt hat, schätzt die Einschränkungen als vertretbar ein. „Der zweimalige Umstieg in der Hauptverkehrszeit von Calw nach Sindelfingen/Böblingen stellt zwar ein bedauerliches Hindernis dar, ist aber aufgrund der unveränderten Reisezeit für die Fahrgäste verschmerzbar“, erklärt Wenke Böhm im Namen des Verkehrsministeriums.

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„Die geplanten An- und Abfahrtszeiten ab September entsprechen noch nicht dem Zielzustand“, gesteht sie zu. Gemeint sind die fehlenden Halte in Renningen und Feuerbach. Verbesserungen seien aber in Aussicht, damit bedeute die zusätzliche S-Bahn eine deutliche Verbesserung für Weil der Stadt, Renningen und Leonberg.

Bernhard: „Die S 62 ist sehr wichtig“

Beide, die Hermann-Hesse-Bahn wie auch die Express-S-Bahn, seien „zwei große und wichtige Schritte für eine weitere Attraktivierung der Schienenverbindungen in den Landkreis Böblingen“, findet der Böblinger Landrat, Roland Bernhard. Er erinnert aber auch an das Eckpunktepapier aller Beteiligten – auch des Landkreises Calw – zur Entwicklung des Bahnverkehrs, in dem eine Vorrangregelung für den S-Bahn-Verkehr gegenüber der Hesse-Bahn festgehalten ist. „Die S 62 ist für die Ausweitung der Beförderungskapazitäten in Richtung Stuttgart sehr wichtig“, weshalb sie in den gegebenen Zeiten den Vorzug erhalten müsse. Langfristig laute das Ziel aber ohnehin, die S-Bahn bis Calw zu verlängern.

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Ein Halt der neuen S-Bahn in Renningen ist aus Roland Bernhards Sicht schon aufgrund der Relevanz als Ziel- und Quellort und der Umsteigemöglichkeit von und zur S 60 sehr wünschenswert. „Zu dieser Frage stehen wir daher bereits in Kontakt mit dem VRS.“

Calw ist überrascht vom Umfang der Fahrten

Im Kreis Calw löst die neue Sprinter-S-Bahn erwartungsgemäß keine Begeisterungsstürme aus. „Uns war bewusst, dass die – damals sogenannte – Express-S-Bahn mit dem Betriebskonzept der Hermann-Hesse-Bahn kollidiert“, heißt es in einer Stellungnahme des Landrats Helmut Riegger. „Deshalb wurde ihr ein Vorrang eingeräumt, zumal es sich um einzelne Fahrten in der Hauptverkehrszeit handeln sollte.“ Die Rede sei von je zwei bis drei Fahrten am Morgen und am Abend gewesen. „Über den jetzt geplanten Umfang der Fahrten, täglich 13, sind wir überrascht.“

Mitfahrende aus Calw müssen in den betreffenden Zeiten zweimal umsteigen, um beispielsweise nach Böblingen zu gelangen. „Daher bringt die Express-S-Bahn, wie sie aktuell geplant ist, für Pendelnde aus dem Raum Calw keine Verbesserung. Aus diesem Grund werden wir erneut das Gespräch mit den Verantwortlichen suchen.“