In Leonberg siedeln sich ab den 1970er Jahren entlang den Autobahnen  8 und  81 viele Firmen an und schaffen Arbeitsplätze. Gegen manche regt sich aber auch Protest.

Etwa 18 000 Menschen sind derzeit in Leonberg als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gemeldet. Rund 25 Prozent von ihnen sind nach städtischen Schätzungen den Arbeitgebern in den Gewerbegebieten An A 8 und A 81 – Hertich, Riedwiesen und Leo-West – zuzuordnen.

 

Das größte Gewerbegebiet Hertich ist Anfang der 1970er Jahre Leonbergs ganzer Stolz Inge Horn macht heute keinen Hehl daraus, dass sie sich damals als Baubürgermeisterin Anfang der 2000er Jahre eine durchschlagendere Aufwertung des Hertich gewünscht hätte. „Vor allem mehr Grünanteil.“ Trotzdem sieht sie rückblickend die positive Entwicklung des Gewerbegebiets.

Zum einen müssen neu genehmigte Bauten seitdem fünf Meter Abstand zur Glems wahren. „Wir haben zudem die Höhenbegrenzung nach oben verschoben, um die Grundstücke effizienter nutzen zu können.“ Bordellartiges Gewerbe sowie Einzelhandel seien ausgeschlossen, Produktion, Handwerk sowie dienstleistende Büros erwünscht.

Beste Lage zur Autobahn

Der Hertich ist mit etwa 25 Hektar Fläche nicht nur das größte, sondern auch das älteste Gewerbegebiet der Stadt. Als es in den 1970er Jahren entwickelt wird, ist es Leonbergs ganzer Stolz. Dieses Gebiet liegt unmittelbar an der Autobahn 8, die im Süden des Gebiets vorbeiführt. Der Hertich ist seit je her über den Leonberger Autobahnanschluss Ost bestens an das überörtliche Straßennetz angebunden.

Mit dem Autobahnanschluss West, seit September 2008 in Betrieb, ist die Anbindung noch günstiger geworden. Südliche Abgrenzung ist die Südrandstraße, die zur Autobahn führt und eine Verbindung sowohl nach Stuttgart als auch übergehend in die B 295 bis nach Calw darstellt. Im Norden wird der Hertich begrenzt durch den Lauf der Glems. Auf dem anderen Ufer des Baches schließt sich eine Wohn- und Mischbebauung an. Die Grenze im Westen ist die Renninger Straße, im Osten die Bruckenbachstraße.

Der Hertich braucht ein neues Profil

Aber die Zeit zieht über das Areal nicht spurlos hinweg. Anfang der 2000er Jahre werden die Probleme offensichtlich. Leerstände bei Büroflächen – immerhin knapp 10 000 Quadratmeter – und auch kleinere nicht mehr genutzte Flächen sind das Signal für die Stadtverwaltung, die Zukunft rahmenplanerisch in die Hand zu nehmen. Hinzu kommen 15 bis 20 Prozent fehlgenutzte Flächen. Um dauerhaft Arbeitsplätze und Gewerbe zu erhalten, sollen Planer ein langfristiges Konzept entwickeln. Dafür wird eine umfassende Analyse betrieben.

Die drei wirtschaftlichen Hauptlinien zu diesem Zeitpunkt sind Handwerk, Großhandel und verarbeitendes Gewerbe. Dazu sollen Dienstleistungen wie Schulung und Business das Spektrum abrunden. „Wir müssen den Hertich aber als Produktionsstandort erhalten“, weist die damalige Baubürgermeisterin Inge Horn auf eine wichtige Basis hin. Auf ihrer Wunschliste stehen verschiedene bauliche Entwicklungen, um mit modernen Flächen- und Raumkonzepten Zukunftsbranchen zu locken. „Zurzeit ist der Hertich einfach keine Adresse“, sagt Inge Horn im Jahr 2002 über das Image des Hertichs, ist aber der Überzeugung, dass er Potenzial und Pfunde hat, mit denen die Stadt wuchern kann. „Ich bin angetreten, den Leonberger Gewerbeflächen sukzessive ein eigenständiges Profil zu geben“, sagt sie selbstbewusst.

Jahrelange Diskussionen im Gemeinderat

Fast sieben Jahre ziehen dann ins Land, in denen die Leonberger Stadträte rege Diskussionen führen. Das Projekt verzögert sich immer wieder. Dann wird wegen knapper Mittel eine Haushaltssperre verhängt. Und eine Veränderungssperre obendrauf, weil man bei der Vorgehensweise unterschiedlicher Meinung ist.

Schließlich einigt sich das Gremium auf eine Sanierung der Hertichstraße in drei Bauabschnitten. Im Frühjahr 2012 wird im Westen von der Einmündung der Renninger Straße an begonnen. In diesem Abschnitt werden rund 475 000 Euro verbaut. Im Jahr darauf folgte der zweite Abschnitt, der etwa 517 000 Euro kostet. Den Zuschlag für den dritten Abschnitt im Westen bis zur Bruckenbachstraße bekommt für rund 973 000 Euro die Stuttgarter Niederlassung der Firma Eurovia Teerbau.

Weil der Hertich als Sanierungsgebiet gilt, gibt es Zuschüsse vom Land. Eurovia baut den gesamten Straßenkörper auf einer Breite von sieben Metern neu auf. Gas-, Strom- und Telekommunikationsleitungen werden verlegt, neue Parkflächen und ein Gehweg entstehen. Städtische Gewerbegrundstücke sind derzeit nicht verfügbar, die aktuellen Baulücken sind in privater Hand. Die Unternehmensstruktur im Hertich reicht von Industrie-, Handwerk-, und automotive Vertriebsniederlassungen, Software- und Informationstechnologie bis hin zu Engineering, Kreativwirtschaft sowie Großhandel.

Die Riedwiesen-Vermarktung läuft trotz bester Lage zunächst eher schleppend an Der Bebauungsplan für das rund 12,5 Hektar große „Gewerbegebiet am Autobahndreieck“ tritt 1993 in Kraft. Die Vermarktung des Areals in den Riedwiesen an der Neuen Ramtelstraße verläuft trotz bester Lage zunächst schleppend. Ende 1994 führt die Stadtverwaltung erste konkrete Verhandlungen mit Kaufinteressenten.

Als erstes werden 1994 rund 8500 Quadratmeter an die Philipp-Holzmann-AG verkauft. 1995 ist die Vertragsunterzeichnung für die Grundstücke von Opel Höschele und die Neckarwerke AG. Die Firma Thomann und Vischer, die Gesellschaft ist Lizenznehmer für das Smart-Auto, unterschreibt den Grundstücksvertrag über 4300 Quadratmeter im November des Jahres 1996 für das erste Smart-Center in Süddeutschland. Andere Firmen kommen im Laufe der Jahre hinzu.

Widerstand regt sich gegen das Multikomplex-Kino

1996 fasst der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss, ein Multiplex-Kino anzusiedeln. Vorgesehen ist ein Grundstück mit 27 000 Quadratmetern, auf dem neben dem Kino mit 24 Sälen und 5000 Plätzen auch ein Freizeitkomplex mit Erlebnisgastronomie, Brauerei, Diskothek und Tanzcafé geplant ist, dazu noch ein Fachmarktzentrum und 1500 Parkplätze – Investitionssumme rund 300 Millionen Mark. Ein Tochterunternehmen der Holzmann AG soll das Projekt für einen Immobilienfonds einer deutschen Großbank realisieren.

AMC, damals zweitgrößter Kinobetreiber der USA, will sich langfristig einmieten. Dagegen formiert sich Widerstand in der Stadt. Eine Bürgerinitiative sammelt Unterschriften gegen das Vorhaben. Ende Juni 1997 folgt der Paukenschlag im Gemeinderat. 19 Stadträte aus allen Fraktionen beantragten, von dem Kino-Vorhaben abzusehen. Der Antrag geht mit 21 Ja- und 17 Nein-Stimmen bei vier Enthaltungen knapp durch. Damit ist das Multiplex-Kino abgelehnt.

Die letzte freie Fläche geht dann doch an einen Kinobetreiber

Holzmann geht im Jahr 2002 pleite. Das große Teppichhaus Sabet gibt es auch nicht mehr, Geze hat hier sein Logistikzentrum untergebracht. Dekra und McDonalds siedeln sich an. Schließlich wird doch ein Kino gebaut. Die letzte freie Fläche in dem Gewerbegebiet – direkt an der Neuen Ramtelstraße kurz vor der Einmündung in die Südrandstraße – geht an den „Traumpalast“.

Baggerbiss des Kinokomplexes ist im Mai 2015. Zehn Kinosäle mit insgesamt 1320 Sitzplätzen lässt der Investor, Lochmann Filmtheaterbetriebe aus Rudersberg, entstehen. Die Premiere ist im Juli 2016 mit dem Film „Ice Age 5“. Im Jahr 2021 eröffnet der Betreiber schließlich das Imax mit der nach eigenen Aussagen „größten Leinwand der Welt“.

Künstler erteilt der Stadt eine Absage

Für Gesprächsstoff sorgt ein Künstler. Nach monatelangem Suchen bekommt der Magier Thorsten Strotmann, der in Leonberg aufgewachsen ist, im Mai 2019 grünes Licht für sein Zaubertheater: In nichtöffentlicher Sitzung stimmt der Leonberger Gemeinderat dem Vorhaben mehrheitlich zu. Strotmann, der in Bad Cannstatt ein Theater betreibt, zieht es zurück in seine Heimatstadt und hat dort ambitionierte Pläne. Er will ein Theater für rund 270 Zuschauer mit variabler Drehbühne am Ende der Glemseckstraße hinter dem Discounter Lidl bauen und mehrere Millionen Euro investieren.

Wenig später die überraschende Absage Strotmanns. Als Gründe führt er den Widerstand gegen sein Projekt an – vor allem von den Grünen, der SALZ-Liste und dem Nabu. Ein weiterer Grund sei die zu lange Dauer bis zum Baustart. Für das Vorhaben hätte in jedem Fall ein Bebauungsplan aufgestellt werden müssen, was im Regelfall etwa ein Jahr dauert. Stattdessen bleibt seine „Magic Lounge“ im Stuttgarter Römerkastell.

Im jüngsten Gewerbegebiet Leo West sind die Grundstücke schnell vergeben Ein wichtiger Schritt in Richtung Gewerbegebiet Längenbühl wird im Jahr 2013 vollzogen, als der städtische Planungsausschuss mehrheitlich einem sogenannten Umlegungsverfahren zustimmt. Die bisher landwirtschaftlich genutzte Fläche kann als Gewerbegebiet ausgewiesen werden. Der Bebauungsplan tritt 2015 in Kraft. Ende 2016 sind die Erschließungsarbeiten abgeschlossen. Vorgesehen ist im Dreieck zwischen der A 8 am Westanschluss und der Brennerstraße in Richtung Zentrum eine Nettonutzfläche von etwa sieben Hektar.

Und das Gebiet Leo West ist schon nach kürzester Zeit vermarktet. Ein Branchenmix aus IT-Firmen, Maschinenbau, Transport-Dienstleistungen, Handwerk und Dienstleistung entsteht.

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IBM will einen Teilbereich nach Leonberg verlagern – Gegner wehren sich mit Erfolg

Nicht immer stößt die Ansiedlung leistungsfähiger Betriebe auf allgemeine Zustimmung. Das zeigt das Beispiel der weltweit tätigen Computer-Firma IBM, die im Jahr 1977 einen Teil ihrer Tätigkeiten von Stuttgart-Vaihingen auf das Gelände unter dem Rappenberg verlagern will.

Hier sollen 2000 Arbeitsplätze entstehen. Die Stadt würde von der Gewerbesteuer profitieren. In einer Sondersitzung am 27. August 1977 stimmt der Leonberger Gemeinderat der Ansiedlung in diesem Landschaftsschutzgebiet zu. Doch etliche Kommunalpolitiker sind gegen dieses Projekt, auch einige Leonberger Bürger, die eine Unterschriftenaktion starten. Schließlich scheitert ein Versuch, am Schopflochberg Ersatzgelände zu finden. IBM verzichtet am Ende auf den Standort Leonberg.