Der Landrat Roland Bernhard blickt bei der ersten Pressekonferenz des Kreises Böblingen 2022 auf die kommende Zeit. Die dominierenden Themen: die Impfstrategien gegen das Coronavirus und die „Montagsspaziergänge“.

Kreis Böblingen - Am 27. Februar 2020 wurde das neue Virus auch im Landkreis Böblingen Realität. An diesem Tag schlug bei einem Kreisbewohner zum ersten Mal ein Test positiv auf Corona an. Zwei Jahre später ist die Heimsuchung weiterhin überall präsent. Als Landrat Roland Bernhard jetzt vor der Presse Ausschau auf das neue Jahr hielt, schnellte die Inzidenz gerade wieder über die 500er-Marke. Dass das so rasch passiert, hat den Landrat samt seiner Behörde überrascht. So sehr, dass die Verordnung erst einen Tag später amtlich gemacht wurde. Die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen sind nun seit Dienstag wieder gültig, wenn auch nur für Ungeimpfte.

 

Impfung sei das schärfste Schwert gegen die Pandemie

Was das Virus mit seiner Omikron-Variante und deren Nachfolgern noch so alles bringen wird, ist weiterhin unklar. Dennoch war es Roland Bernhard wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Landkreis alles dafür tue, um die Folgen so weit wie möglich zu begrenzen. „Die Impfung ist weiterhin das schärfste Schwert gegen die Pandemie“, betonte er. „Daher impfen wir aus allen Rohren“, erklärte Bernhard stolz.

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Weniger stolz ist er darauf, dass diese Bemühungen in der Landesimpf-Liga des Sozialministeriums nicht abgebildet werden. In den regelmäßig veröffentlichen Vergleichszahlen steht der Landkreis Böblingen nämlich bei den Booster-Impfungen ganz unten am Tabellenrand. Auch bei den Erst- und Zweitimpfungen sieht es nicht besser aus: Der Landkreis, der im Frühjahr 2021 noch bundesweit als Primus beim Testen galt, nur noch allerhöchstens Mittelklasse?

Stimmt nicht, erklärte Bernhard und lieferte zum ersten Mal Zahlen. Seine Leute hätten nachgerechnet, dass über 9000 Erst-, über 6000 Zweit- und knapp 70 000 Booster-Impfungen nicht gezählt worden seien. Rechnet man diese mit ein, müsste der Kreis bei den Erstimpfungen um 2,4 Prozentpunkte zulegen, bei den Zweitimpfungen um 1,6 Punkte und bei den Boosterimpfungen gar um 17,5 Prozentpunkte.

Impfzahlen werden neu berechnet

Roland Bernhard erklärte auch, warum sein Landkreis so schlecht da steht: Im Kreisimpfstützpunkt (KIS) in der Messehalle Sindelfingen und in den großen Test- und Impfzentren impften vorwiegend Privatärzte. Diese Impfungen, so Bernhard, würden nicht in die Berechnung des Landes einfließen. Das habe man nun im Stuttgarter Ministerium moniert. Dort sehe man ein, dass diese Kritik berechtigt ist, berichtete Roland Bernhard. Bei der nächsten Veröffentlichung kann der Landkreis nun zumindest mit einem Platz im oberen Tabellenfeld rechnen. Wie lange im KIS indes überhaupt noch Spritzen gegen Corona verabreicht werden, ist noch unklar. Roland Bernhard informierte, dass das Land signalisiert habe, seine Impfkapazitäten im Frühjahr um 30 Prozent zurückzufahren und dann wieder stärker auf dezentrale Versorgung setze.

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Was das für das KIS bedeutet, das erst Ende des vergangenen Jahres nach wenigen Wochen Schließzeit wieder hochgefahren worden ist, bleibt unklar. Dass die Kapazitäten gerade höher sind als die Nachfrage, räumt der Landrat ein, warnt aber vor einem Jo-Jo-Effekt und fordert ein „atmungsfähiges System“ für den Kreis. Die Messehalle möchte er zumindest bis März als Impf-Einrichtung sichern. Bis dahin erwartet Bernhard eine Entscheidung des Landes.

Gemeinsame Linie gegen „Montagsspaziergänge“ soll her

Sorgen bereiten Roland Bernhard die Kritiker der Corona-Regeln, die sich auch im Kreis immer häufiger zu so genannten „Montagsspaziergängen“ formieren. Mit den Bürgermeistern des Kreises habe er sich darauf verständigt, eine gemeinsame Linie zu finden, um darauf adäquat zu reagieren, verkündete er. Es mache keinen Sinn, wenn in einer Kommune Sperrzonen errichtet oder Allgemeinverfügungen erstellt würden und in anderen nicht. Noch hält Roland Bernhard solche Maßnahmen jedoch für verfrüht. „Wir beobachten die Entwicklungen aber sehr genau“, versicherte er. Bisher sei alles friedlich verlaufen. Man wolle den Spaziergängern daher „mit Augenmaß“ begegnen und die Situation nicht eskalieren.

Dass er nicht viel von dieser Form der Auseinandersetzung hält, machte der Landrat deutlich. Es sei alles andere als demokratisch und solidarisch, wenn man sich wie die Spaziergänger verhalte, kritisierte er. „Wer etwas zu sagen hat, der soll vorher eine Kundgebung anmelden“, forderte Roland Bernhard.

Und wenn dann jemand von Corona-Diktatur spreche, schwelle ihm „der Kamm“, ärgerte er sich. „Diese Leute sollen einmal nach Belarus oder China schauen“, empfahl er. Dennoch möchte Roland Bernhard den Dialog aufnehmen. „Wir suchen nach Formaten, wie man mit diesen Menschen in die Diskussion kommen kann“, erklärte er.

Immer mehr Mitarbeiter der Kliniken sind krank oder in Quarantäne

Alter
Covid kann die Menschen in jedem Lebensalter erwischen. Wie der Klinikverbund Südwest mitteilt, geht das Alter der Patienten von 0 bis 100 Jahre.

Personalimpfungen
Bei den rund 5000 Beschäftigten im Klinikverbund Südwest lag die Impfquote Mitte Dezember bei etwa 85 Prozent. Bei den patientennahen Bereichen waren es sogar 90 Prozent. Dabei könne der Verbund keine Kündigungswelle unter den Pflegern feststellen, sagt Martin Loydl, der Geschäftsführer des Klinikverbundes. 

Todesrate
Unter den an Covid erkrankten Klinikpatienten gibt es rund 13 Prozent Tote. Der jüngste Verstorbene war 25 Jahre alt, der älteste 99. Jeder dritte Intensivpatient stirbt.

Schutz
Das Virus belastet nicht nur deswegen das Gesundheitswesen, weil viel mehr Patienten in die Krankenhäuser eingeliefert werden, sondern weil auch das Klinikpersonal durch Covid und andere Krankheiten immer mehr ausfällt. Laut der Statistik des Klinikverbunds liegt der Krankenstand zur Zeit mehr als 33 Prozent über dem Wert des Vorjahrs. Der Wert ist aber nicht nur wegen der Erkrankungen so hoch, sondern weil viele Mitarbeiter in Quarantäne bleiben müssen.

Personalmangel
Dabei ist es nicht der Mangel an Betten, der dem Verbund gerade zu schaffen machten, sondern der Personalmangel. Der Verbund hat zur Zeit 90 Intensivbetten, kann aber nur 60 Betten betreiben, weil ihm das Personal fehlt.

Beatmung
Zur Zeit hält der Klinikverbund 120 Beatmungsplätze vor.