95 Plastikstühle, eine Leinwand und einen Projektor – mehr braucht es nicht für das Kino-Freilufterlebnis.

Weil der Stadt - Das ist die Leinwand? „Ja, das ist die Leinwand“, sagt Wolfgang Mareczek und legt sein leicht schelmisches Lächeln auf. Denn er kennt die Situation, allabendlich sitzt er derzeit auf seinem kleinen Hocker hinter dem Gartentisch und verkauft Kinokarten.

 

Nein, das hier ist nicht der Stuttgarter Schlossplatz oder das Kino auf der Burg in Esslingen mit enormen Großbildleinwänden. „Wir nennen es auch nicht Open-Air, sondern unser kleines Sommer-Freiluftkino“, erklärt der Weil der Städter Kino-Chef. Und dazu gehören der kleine, versteckt-idyllische Platz im Weiler Industriegebiet, die Plastikstühle und vor allem die Menschen. Stammgäste kommen viele, aber auch neugierige Neulinge.

Stammgäste kommen mit einer großen Campingstasche

Wobei die einen sofort von den anderen unterscheidbar sind. „Uns ist gleich aufgefallen, dass wir die einzigen waren, die nicht ausgerüstet sind“, erzählt Günter Till. Vor zwei Jahren war das, da war er selbst noch Neuling beim Weiler Sommernachtskino. Mittlerweile ist er Stammgast, und daher ausgerüstet mit einer großen Campingtasche voller Kissen, Pullover und einem Jäckle für später.

Das Sommernachtskino läuft noch kaum eine Woche, aber die Tills aus Weissach sind schon zum zweiten Mal hier. „Wir gehen dieses Jahr nicht in den Urlaub“, sagt Gerlinde Till, die es sich auf ihrem Sitzkissen schon bequem gemacht hat. „Aber hier ist es so schön, daher gönnen wir uns das jetzt öfters.“

Das Publikum kommt aus dem breiten Umland

Aus dem breiten Umland kommen die Cineasten, elf Jahre gibt es das Sommernachtskino schon. Was soll man sonst aus einem Kies gebetteten Idyll wie diesem hier machen? 2006 hatte Wolfgang Mareczek die „Kulisse“, in früheren Jahrzehnten ein Wohnheim für Gastarbeiter im Weiler Industriegebiet, gekauft.

Brigitte Mareczek, die buchhandelnde Ehefrau von Wolfgang, hatte ein Puppentheater zu Gast, aber in Weil der Stadt keine richtige Location gefunden. „Da kam uns der Gedanke, wir machen einfach selber was“, erinnert sich der Weiler Cineast. Kultur und Kleinkunst war zu der Zeit im Städtle noch nicht verbreitet, das Klösterle war noch eine Ruine, die Kuckucks-Bühne noch nicht erfunden. Das ist heute anders, daher hat sich auch das Kulissenprogramm im Laufe der Zeit gewandelt. „Wir nutzen das auch als Kino, für eher spezielle Sachen“, berichtet der Betreiber Wolfgang Mareczek.

Preise wie aus einer anderen Zeit

Dazu gehört seit elf Jahren auch die Wiese vor der Kulissen-Tür. „Dahinter ist eine Freifläche, da könne man doch was machen“, hat sich der umtriebige Mareczek vor genau elf Jahren gedacht – und das Sommernachtskino war erfunden.

Stammgäste trudeln schon eine halbe oder dreiviertel Stunde vor Filmbeginn ein. Man trifft sich, hält ein Schwätzle, holt sich etwas zu trinken. „Radler ist der Hit unter den Getränken“, weiß Heike Schmid, die hinter einer Fensterlade steht und für das kulinarische Angebot zuständig ist. Vier Leute versorgen sich gerade mit Trinken und Popcorn, am Ende verlangt Schmid sechs Euro – auch die Preise scheinen aus einer anderen Zeit gefallen zu sein.

Als es in Deutschland keine Filmrollen mehr gab

Um 21.30 Uhr beginnen die Filme, pünktlich zur blauen Stunde. Wolfgang Mareczek läuft dann einmal quer über den Platz nach hinten in eine Hütte. Da steht ein großer Filmprojektor, die Haken und Spulen, auf denen die Filmrollen ent- und wieder aufgewickelt worden sind, sind auch noch vorhanden. Natürlich ist Mareczek ein Filmvorführer aus Leidenschaft, aber 2013 war dann auch in Weil der Stadt Schluss mit der Film-Ära. Es gab in Deutschland schlicht keine Filmrollen mehr.

Das Kino in Weil der Stadt stand kurz vor der Kippe, mit Hilfe eines Förderprogrammes des Landes konnte Mareczek schließlich die teuren Digitalprojektoren für seine fünf Säle und den Außenplatz anschaffen. „Ich kann und will das Kino nicht neu erfinden“, formuliert er es und lächelt nur milde über Wackelsitze und anderes Trallala.

Bei Regen wird im Kinosaal geschaut

Dann geht es los, das Filmerlebnis unter dem funkelnden Sternenhimmel. Vergangene Woche war über der Leinwand noch der pralle Vollmond zu sehen. Jetzt wechseln sich hier, während des Films, die Sternenbilder ab. Links fliegt ein glühendes Etwas herbei – ein Glühwürmchen? Nein, eine harmlose Fliege, die sich im projizierenden Licht spiegelt.

Einmal im Jahr kommt der Gärtner und schneidet die große Laube frei, der Maler streicht die Leinwand aus Holz, die das ganze Jahr über hier steht. Und Wolfgang Mareczek schneidert ein Filmprogramm zusammen. Ohne Rezept, aber mit viel Erfahrung. „Wir wiederholen Filme aus dem Frühjahr, die funktioniert haben“, erklärt er. Und wenn es regnet? Dann packen sie einfach ihr Radler, ihre Sitzkissen und ihr Jäckle für später ein und ziehen um, in den Kinosaal nebenan.

Programm

Anfahrt
Das Kino „Kulisse“ und das Sommernachtskino im Garten nebenan findet man im Industriegebiet in Weil der Stadt (Daimlerstraße 4). Der Bahnhof Weil der Stadt ist nur ein paar Schritte entfernt, sodass sich auch die Anreise per S-Bahn-Linie 6 anbietet.

Programm
Folgende Filme stehen auf dem Programm. Am 3. und 4. August wird „Die Verlegerin“ gezeigt. Am 5. und 6. August „Die dunkelste Stunde“ und am 7. und 8. August dann der Romy-Schneider-Film „3 Tage in Quiberon“. Beginn ist jeweils im 21.30 Uhr.

Höhepunkt
In der Woche darauf beginnen die Filme schon um 21.15 Uhr, da es früher dunkel wird. Am 10. und 11. August ist „Das Leben ist ein Fest“ zu sehen. Am 12. und 13. August dann „Die Sch’tis in Paris“. Dann geht es schwäbisch weiter mit „Laible&Frisch“ am 14. August und der Vorpremiere des Dodokay-Films am 15. August. Die Karten für die Sommerkino-Vorstellungen kosten 7,50 Euro pro Person.