Franz Alt, Eugen Drewermann, Lacides Hernandez und Franz Pitzal werden geehrt. Das nicht angekündigte Streichen des Helen Schneider-Auftritts sorgt für Frust.

Leonberg - Was haben Michail Gorbatschow, Franz Alt, Eugen Drewermann, Lacides Hernandez und Franz Pitzal gemeinsam? Alle fünf haben das Löwenherz der Leonberger gemeinnützigen Organisation Human Projects erhalten, der frühere sowjetische Staatschef bereits am 19. September in Moskau, die anderen vier am Sonntagabend in der Stadthalle.

 

Es war ein langer Abend, bei dem vor allem die Querdenker Eugen Drewermann und Franz Alt ihre Gedanken zu Frieden und Energiewende den rund 200 Zuhörern näherbrachten. Für „Abrüstung statt Aufrüstung“ plädierte der vor allem als Papstgegner bekannt gewordene Theologe Drewermann. „Einzig der Friede muss Leitmaß der Politik sein“, zitierte er den Philosophen Kant.

Für den Journalisten Franz Alt ist der Dritte Weltkrieg schon längst da. Ein Krieg nämlich, den die Menschheit gegen die Umwelt führe. „Ohne Menschen ging es der Erde besser“, lautet seine bittere Feststellung. Für Alt ist die Energiewende eine Notwendigkeit zum Überleben. Und zur Gerechtigkeit gleich mit. „Solarstrom ist Sozialstrom“, sagte er, denn die Sonne schicke keine Rechnung.

Eugen Drewermann zollte Franz Alt uneingeschränkte Bewunderung für seinen Einsatz, „die wunderbare Welt zu retten“. „Ich habe in Ihren Büchern einen Schatz gefunden“, entgegnete Alt in seiner Lobeshymne für den Kirchenkritiker und Friedensapostel, dem er zugleich „Konfliktfreudigkeit bis zur Sturheit“ attestierte.

Ein Löwenherz für Franz Pitzal

Die beiden anderen Preisträger der mit insgesamt 10 000 Euro dotierten Auszeichnung haben sich der ganz praktischen Hilfe vor Ort verschrieben: Lacides Hernandez, dessen Löwenherz der Leonberger Seehaus-Geschäftsführer Tobias Merckle stellvertretend entgegennahm, und der im Rahmen der Organisation „Prison Fellowship“ für Versöhnung in seiner vom Bürgerkrieg zerrütteten Heimat Kolumbien kämpft, sowie der Renninger Pfarrer Franz Pitzal mit vielen Aktionen in aller Welt.

Dabei ist das Löwenherz so ziemlich die einzige Auszeichnung, die der 81-Jährige noch nicht erhalten hat, wie Bernhard Maier in seiner Laudatio feststellte. Der ehemalige Landrat und Renninger Bürgermeister hob die „scheinbar nie erlahmende Kraft“ des Geehrten hervor. „Den Armen helfen, das konnte ich nur mit den Renninger Bürgern“, entgegnete Pitzal mit Blick auf mehr als zwei Millionen Euro Spenden, die seit 1981 mit der Renninger Krippe und vielen anderen Ideen für Projekte in 100 Ländern zusammenkamen. „Der Preis ist ein Aufruf zu mehr Menschlichkeit und Solidarität“, bedankte er sich bei Human-Projects-Macher Karsten Enz. Seinen Teil des Preisgeldes möchte Pitzal an Menschen im Irak weitergeben, während Franz Alt eine russische Oppositionszeitung unterstützt.

Von wegen Helen Schneider

Für den musikalischen (Klassik-)Teil sorgte Masha Stohrer. Die Tochter der Lebenspartnerin von Karsten Enz trat anstelle von Helen Schneider auf. Wie berichtet, war der Weltstar kurzfristig ohne Begründung ausgeladen worden.

Der Wegfall dieses künstlerischen Höhepunktes wurde dem Publikum erst nach dem Eintritt in die Halle mitgeteilt. „Wir sind einzig wegen Helen Schneider gekommnen“, zeigt sich Claudia Söder aus Bietigheim sehr enttäuscht. Für eine Karte hatte sie immerhin 49 Euro bezahlt. Als sie sich im Nachhinein beim Veranstalter schriftlich beschwerte, antwortete dieser: „Sie haben das völlig falsch verstanden.Es ging nicht um eine Wohlfühlveranstaltung, bei der alles perfekt sein muss. Es ging auch nicht um Helen Schneider. Unser Anliegen ist es, eine friedliche, gerechte Welt ohne Waffen und Grenzen zu fordern.“

Kommentar: Chuzpe, die sprachlos macht

So ist das also: Eine Zuschauerin, die sich darüber beschwert, dass sie für 49 Euro nicht Helen Schneider zu hören bekommt und dies erst nach Eintritt in den Saal erfährt, hat das völlig falsch verstanden. Denn bei der als Ereignis des Jahres hochstilisierten Löwenherz-Verleihung ging es ja nicht um einen Wohlfühlabend, und auch nicht um Helen Schneider, sondern um Frieden und Gerechtigkeit.

Es macht sprachlos, mit welcher Chuzpe ein offenkundig selbst ernannter Weltverbesserer mit den Leuten umgeht, die das Geld für seinen Kampf für Freiheit und Frieden hinblättern sollen. Wer darauf verweist, dass er fast 50 Euro für ein Musikereignis bezahlt hat und jetzt keinen adäquaten Gegenwert erhält, versteht nichts. Schließlich gehe es hier doch um Höheres.

Bemerkenswert ist, dass der Kämpfer für die Entrechteten dieser Erde bei der Wahl seiner eigenen Mittel andere moralische Maßstäbe ansetzt. Der Vertrag für einen seit einem halben Jahr beworbenen Auftritt wird nicht unterschrieben. Der selbst veranlasste Ausfall der künstlerischen Attraktion wird verschwiegen. Statt- dessen wird der Name Helen Schneider von allen Werbemitteln eliminiert, so als wäre er nie da gewesen. Das Publikum wird absichtlich getäuscht. Da passt es ins Bild, dass der Arm des Fools Garden-Gitarristen buchstäblich über Nacht vergipst wurde.

Das wirklich Ärgerliche ist: Das unseriös anmutende Gebaren des Veranstalters beschädigt indirekt die ehrenwerten Preisträger und honorige Menschen wie den Altlandrat, der als Laudator aufgetreten war.

Konzertabsagen mit bösen Folgen

Nicht gerade freundliche Anrufe müssen dieser Tage die Mitarbeiter der Stadthalle entgegennehmen. Der Grund: Es gibt zahlreiche Beschwerden, dass Helen Schneider nicht bei der Löwenherz-Preisverleihung am Sonntagabend aufgetreten ist. Und auch die äußerst kurzfristige Absage des Fools Garden-Konzerts am Samstag sorgt für Ärger.

Dabei kann das Team der Stadthalle gar nichts dafür. Veranstalter ist in beiden Fällen die Organisation Human Projects. Für den Auftritt des Weltstars Helen Schneider hatte sie bereits seit Monaten offensiv geworben, unter anderem mit vielen Plakaten von der Künstlerin. Doch vor einer Woche sagte der Human Projects-Chef Karsten Enz den Auftritt ab, ohne dies zu kommunizieren. Nur durch Recherchen unserer Zeitung wurde der Ausfall öffentlich.

Etliche auswärtige Besucher wunderten sich am Sonntagabend nicht schlecht, dass ihnen erst nach Eintritt in die Halle mitgeteilt wurde, dass statt der international renommierten Künstlerin eine 15-Jährige Nachwuchsmusikerin singen wird. Das bei Ticketpreisen von knapp 50 Euro.

Carsten Enz muss die komplette Rechnung bezahlen

Vom Fools Garden-Ausfall erfuhr die Stadthalle einen Tag vor dem Konzert. „Wir haben am Freitagnachmittag eine dürre Mail bekommen“, berichtet der Hallen-Chef Rainer Blümle. Da war sein Personal schon in Aktion, um die Stuhlreihen im Saal aufzubauen und die Bühnentechnik einzurichten. „Deshalb wird Herr Enz auch eine komplette Rechnung bekommen, so als hätte das Konzert stattgefunden“, kündigt der verärgerte Hallen-Manager an, der in den Turbulenzen um Helen Schneider und Fools Garden einen erheblichen Imageschaden für sein Haus sieht.

„Wir haben wegen Helen Schneider richtig Prügel bekommen“, umschreibt Blümle die Kritik von verärgerten Zuschauern, die davon ausgegangen waren, dass die Stadthalle am Nichtauftreten der Sängerin schuld war.

Das Fools Garden-Konzert wurde von Human Projects am späten Freitagabend über Facebook mit der Begründung abgesagt, der Arm des Gitarristen liege in Gips und der Ersatzgitarrist sei ausgebucht.

„Das sind Vorgänge, bei denen ich schwere Bauchschmerzen bekomme“, sagt Blümle verärgert. „Wir müssen anderen ernst zu nehmenden Interessenten absagen, und der ideelle Schaden bleibt an uns hängen.“