Die Anlage am Bahnhof mit Platz für 50 Gefährte ist seit 15 Monaten in Betrieb. Genutzt wurde sie in dieser Zeit kaum.

Leonberg - Mit dem Rad zum Bahnhof und dann weiter mit dem Zug. So stellen sich Verkehrsplaner eine mustergültige Mobilität im Zeichen des Klimawandels vor. Und für viele Menschen ist es tatsächlich eine probate Kombination, sich auf diese Weise fortzubewegen, wie ein Blick auf den Leonberger Bahnhof zeigt: Der überdachte Abstellplatz für 102 Fahrräder am Bahnsteig 1 ist meistens richtig voll.

 

Lesen Sie aus unserem Angebot: Neben dem Parkhaus gibt es jetzt ein Radhaus

Gähnende Leere hingegen herrscht zumeist gegenüber. Das Rad-Haus neben dem Parkhaus wird kaum genutzt. 50 Räder könnten dort abgestellt werden. Doch zumeist ist noch nicht einmal eines drin. Immerhin der Fahrer eines E-Scooters hatte dieser Tage das Radhaus genutzt, um sein Gefährt dort sicher abzustellen.

Wo gibt es kostenlose Parkplätze?

Denn das ist der entscheidende Unterschied zu den kostenlosen Stellplätzen am Bahnsteig 1: Das Rad-Haus ist quasi einbruchsicher. Wer hier sein Zweirad parkt, kann beruhigt weiterreisen. Und darüber hinaus kann auch das Pedelec aufgeladen und es können Wertgegenstände deponiert werden, solange man unterwegs ist. Denn auch Schließfächer mit Ladesteckdosen sind zu mieten.

Der Tag im Rad-Haus kostet einen Euro, ein weiterer Euro ist für ein Schließfach mit Ladeakku fällig. Je öfter das Radhaus genutzt wird, desto günstiger wird es: Die Wochenmiete kostet vier Euro, ein Monat zehn Euro. Wer sein Fahrrad das ganze Jahr über dort abstellen möchte, ist mit 70 Euro dabei. Die Plätze können über die Homepage www.bikeandridebox.de oder über www.leonberg.de gebucht werden. Einen Schlüssel benötigen die Nutzer nicht.

Wie wird das Angebot angenommen?

Nicht nur wegen der vergleichsweise moderaten Preise hatte die Stadt das Rad-Haus vor 15 Monaten optimistisch eröffnet. Doch die erste Bilanz fällt ziemlich ernüchternd aus: Im Zeitraum zwischen dem 8. Mai 2020 und dem 9. Juni 2021 haben gerade mal sieben Menschen das Jahresabo genutzt, zwei davon mit zusätzlichem Schließfach.

Nicht viel besser sieht es bei den Monatstickets aus, von denen 17 gebucht wurden, komplett ohne Schließfach. Wochenweise wurde das Rad-Haus in 13 Monaten acht mal benutzt, einmal mit Schließfach. Und Tagesnutzungen gab es in dem kompletten Zeitraum ganze 26 Mal, allerdings ganz ohne Schließfach.

„Viel Geld in den Sand gesetzt“

Unter dem Strich hat die Stadt, die die Betriebsabwicklung an ein Privatunternehmen weitergegeben hat, in den 13 Monaten 801 Euro eingenommen. Dieser Summe stehen laufende Kosten von rund 3000 Euro gegenüber. Entsprechend rüde fallen die Kommentare der Kommunalpolitiker aus: „Da wurde ordentlich Geld in den Sand gesetzt“, urteilt Axel Röckle, der Fraktionschef der Freien Wähler. Sein Fraktionskollege Jörg Langer bezeichnet das ganze Projekt als „Flop“ und verweist auf die starke Nutzung der kostenlosen Abstellplätze.

Sebastian Werbke sieht die Ursache für die schwache Auslastung weniger in der Gratis-Konkurrenz auf der anderen Straßenseite, sondern vor allem in der geringen Öffentlichkeitsarbeit. Dafür macht der Grüne die Stadt verantwortlich: „Die Nichttätigkeit ist absurd.“ Auch Christa Weiß von der SPD hält mehr Werbung für nötig, gerade für das Tagesticket. Diese Rechnung ist Oliver Zander zu einfach: „Bei allem Enthusiasmus fürs Radfahren“, sagt der Chef des CDU-Stadtverbandes, „muss eine kaufmännische Betrachtung erlaubt sein.“

Ist Corona schuld?

Dass für das leere Rad-Haus mehr getrommelt werden muss, sieht auch Martin Georg Cohn so. Der Oberbürgermeister verspricht, die Werbung zu verstärken, etwa durch Prospekte, und erhofft sich zudem, dass nach Corona die Frequenz wieder steigt.