Nach einem weiteren Gutachten stimmt der Gemeinderat einem fünf Meter hohen Schutzdeich mit großer Mehrheit zu. Sicherheitsaspekte und mögliche rechtliche Konsequenzen geben den Ausschlag. Einige Bürger reagieren verärgert.

Weissach - Einen 97-jährigen Weissacher habe sie extra gefragt. Der habe tief in seinem Gedächtnis gegraben, aber nicht einmal er könne sich entsinnen. „Es gab noch nie ein Hochwasser, das vom Strudelbach ausging“, ruft die Frau empört in die Strudelbachhalle.

 

Dort hat sich am Montagabend der Weissacher Gemeinderat versammelt und viele, viele Zuschauerstühle aufgestellt. Es gibt zwar nur einen einzigen Tagesordnungspunkt, der aber hat es in sich: Hochwasserschutz am Strudelbach. Seit fast 20 Jahren schon brodelt dieses Thema dort im Tal, hochgekocht ist es im Juni 2015, als der Zweckverband Hochwasserschutz einen Damm zwischen Flacht und Weissach vorgeschlagen hat.

In diesem Zweckverband haben sich von Weissach bis Vaihingen (Enz) alle Kommunen, die am Strudelbach liegen, zusammengeschlossen. Der Damm solle die Fluten abhalten, damit bei einem Hochwasser nicht alle Siedlungen unterhalb von Weissach überschwemmt werden. Das war vor einem Jahr die Forderung des Zweckverbandes.

Die Bürgerliste und der BUND hat protestiert

Die Fraktion Bürgerliste im Gemeinderat und die Naturschützer vom BUND sahen das anders, haben insgesamt 1900 Unterschriften gesammelt und vorgeschlagen, viele kleine Dämme und Stauflächen zu schaffen, um den ganz großen Eingriff in die Natur zu verhindern.

Aber ist diese kleine Lösung wirklich eine Alternative? Das sollte das Ingenieurbüro Wald + Corbe im Auftrag der Gemeinde untersuchen. Am Montagabend haben die Ingenieure ihr Ergebnis vorgestellt.

„Wir sind zu dem gleichen Ergebnis wie die früheren Gutachten gekommen“, berichtet Joachim Wald den Gemeinderäten und den etwa 50 Zuschauern, die in die Halle gekommen sind. „Ohne den zentralen Damm wird es keinen Hochwasserschutz am Strudelbach geben.“ Und das bedeutet nach seinen Berechnungen: Etwa 5,40 Meter hoch soll der Damm werden, 50 Meter breit und 110 Meter lang.

Die Weissacher im Zuschauersaaldürfen Fragen stellen – und das tun sie auch. „Der Damm bringt uns Weissachern doch gar nichts“, wettert eine Frau. „Für uns geht die Hochwassergefahr doch nicht vom Strudelbach aus, sondern von den vielen kleinen Bächlein an den Talhängen.“

Das stimmt, sagt auch der Ingenieur Joachim Wald, da brauche es zusätzlich dezentrale Lösungen. Allerdings seien das unabhängige Themen, erklärt er. „Die kleinen, dezentralen Becken sind eben kein Ersatz für den großen Damm – das genau hat unsere Untersuchung ergeben“, stellt er noch einmal klar.

Bleibt die Frage nach der Wahrscheinlichkeit und der Erfahrung des 97-jährigen Weissachers. „Es gab in der Tat noch nie ein Hochwasser hier“, sagt auch Daniel Töpfer. „Das hat man sich aber auch im Enzkreis oder in Braunsbach gesagt, und zack – es ist im Mai doch gekommen“, erinnert der Bürgermeister an das Jahrhunderthochwasser.

Kommune ist haftbar

Es sei die Aufgabe der Kommune, dass vom Strudelbach keine Gefahr für Leib und Leben ausgehe. „Sonst sind wir haftbar, wenn wir nicht nachweisen, dass wir alles getan haben, um das Risiko abzumildern.“

Schlicht Glück nennt es auch der Ingenieur Joachim Wald. „Aber Sie müssten es allein an Ihrem Versicherungsbeitrag merken, dass Sie im Risikogebiet leben“, sagt der Experte.

Schließlich sind die Gemeinderäte dran, das Ergebnis des Gutachtens zu diskutieren. „Vernunft und Verantwortungsbewusstsein“ nennt es Andreas Pröllochs, der Fraktionsvorsitzende der Bürgerliste, die ihn dazu bewegten dem Damm doch zuzustimmen. Als „unumgänglich“ bezeichnet Volker Kühnemann von den Freien Wählern ihn. „Es könnte auch hier zu Todesopfern kommen“, befürchtet Adelheid Streckfuß von der Unabhängigen Bürgerliste. Einzig Gerhard Strauß hält eine längere Rede gegen den Damm. „Er zerstört unser Biotop Strudelbachtal“, wettert er. „Die Alternative wäre ein Rückhaltebecken flussabwärts Richtung Eberdingen.“

Die Wahrscheinlichkeit für große Hochwässer gehe gegen Null, und juristische Konsequenzen hätte die Gemeinde auch nicht zu befürchten, weil der Gesetzgeber kein Schutzniveau definiert, glaubt Gerhard Strauß.Er ist es schließlich auch, der den Damm, zusammen mit drei weiteren Ratskollegen ablehnt. Mehrheitlich stimmen die Räte ihm zu. Jetzt kann der Zweckverband die konkreten Pläne erarbeiten. Die Mauer soll fünf Meter hoch werden.