Seit zwölf Jahren schwimmen die wertvollen Fische in einem Teich im Weissacher Seniorenheim Das kostet 4000 Euro pro Jahr. Der Bürgermeister Daniel Töpfer will sich das Geld sparen – doch im Ausschuss wird er knapp überstimmt.

Weissach - Es wird emotional im Technischen Ausschuss. Das ist eigentlich schon ein Widerspruch in sich. Und wann kommen schon 20 Zuhörer in ein Gremium, in dem sonst trockene Baugesuche erörtert werden? Doch an diesem Montag geht es um ein Kuriosum. „Wohl keine andere Gemeinde in Baden-Württemberg hat eigene Koi-Karpfen“, sagt der Bürgerlisten-Rat Tobias Zipperlen irgendwann in der Debatte.

 

Angeschafft wurden die edlen Tiere 2004, als das Rosa-Körner-Stift eingeweiht wurde. Der Bau hatte 6,5 Millionen Euro gekostet. Es war in den goldenen Zeiten, als Porsche jedes Jahr zig Millionen Euro fließen ließ, und da sollte zum Festakt das Foyer des Seniorenheimes repräsentativ sein. Ein Blick ins Archiv dieser Zeitung verrät: Schon damals wollte man zu viel. Ein Zoohändler hatte davor gewarnt, die 4000 Euro teuren Kois einfach so ins frische Wasser zu setzen. Aber man wollte bei der Einweihung etwas Buntes im Bassin, und schlug den Rat in den Wind. Mit dem Effekt, dass einige Tiere schon nach wenigen Tagen mit dem Bauch nach oben verendeten. „Der Experte vermutet, dass die schwimmenden Statussymbole unter dem Eröffnungsstress und dem sterilen Wasser gelitten haben“, schrieb die Zeitung seinerzeit süffisant.

Jetzt aber darbt die Gemeindekasse, Porsche überweist nichts mehr. Und der Bürgermeister Daniel Töpfer muss ein Defizit von zehn Millionen Euro ausgleichen, da geht es um jeden Cent. „Die Fische kosten uns jährlich 4000 Euro Unterhalt“, erklärt er nun im Ausschuss. Allein das Futter verschlingt rund 900 Euro im Jahr. Sein Vorschlag: Das Becken mit Kies auffüllen. „Die Tiere würden natürlich eine neue Heimat finden“, stellt Töpfer klar. Immerhin 650 Euro wären sie wohl noch wert, das haben die Recherchen im Rathaus ergeben.

Doch da hat Töpfer die Rechnung ohne die Anhängerschaft der bunten Zierfische gemacht. Und die erweist sich als zahlreich und wortgewaltig. Marga Schmälzle (Bürgerliste) etwa intoniert den Protest: „Viele Leute wären traurig. Das ist eine Lebendigkeit am Eingang des Seniorenheims, ein Kiesbett wäre dagegen etwas Totes.“

Gerhard Mann (Unabhängige Liste) glänzt mit Detailkenntnis: „Ich habe mir die Viecher mal angeschaut. Ganz schlecht scheint es ihnen nicht zu gehen.“ Mit ein paar tausend eingesparten Euro im Jahr könne man den Etat auch nicht retten, so sein Argument. Dann setzt Paul Ebser (Bürgerliste) in seiner bekannt impulsiven

Art zum Generalangriff an: „Die alten Leute freuen sich über die Fische. Wenn wir sie abschaffen, hätten wir uns zu Tode gespart.“

An dieser Stelle tritt etwas ein, was es im Gemeinderat selten und im Ausschuss praktisch nie gibt: Szenenapplaus.

Im Publikum sitzt auch Beate Rapp vom Freundeskreis des Rosa-Körner-Stifts. Nach der Sitzung sagt sie leise: „Ich hätte mich gefreut, wenn man vorher mit uns gesprochen hätte.“ Dann hätte sie versucht, mit einer Aktion die Koi-Karpfen auf andere Art zu finanzieren, sagt sie.

Aber zurück ins Schlachtgetümmel des Gremiums – solche Zwischentöne spielen da kaum eine Rolle. Die Koi-Freunde fahren weitere Geschütze auf. „Das ist überzogen. Wenn wir den Koi-Teich abschaffen, können wir uns viele andere Sachen auch nicht mehr leisten“, schimpft Horst Klink von der Unabhängigen Liste. Er führt jetzt das Argument der Enkel ins Feld: „Oft setzen sie sich an den Teich, wenn sie ihre Großeltern besuchen und es irgendwann langweilig wird.“ Im Prinzip ist jetzt schon klar: Wenn sogar die Kinder Freude an den Fischen haben, wird es für die Sparmeister im Rathaus ganz, ganz schwer.

Daniel Töpfer aber will nicht einfach die Flinte in den Fischteich werfen. Er versucht es mit Empathie. „Das ist kein Vorschlag, über den wir uns im Rathaus freuen.“ Dann folgt die Erkenntnis, dass er

schon beim Unterschreiben der Sitzungsunterlage zu dem Thema geahnt hat: Das gibt Ärger.

Dann bringt er noch philosophische Moral ins Spiel: „Nur ein kleiner Teil profitiert davon, aber ein großer Teil muss sie bezahlen. Das Interesse des Einzelnen ist nicht identisch mit dem Allgemeinwohl.“ Und schließlich ein Appell an die Vernunft: „Wir bekommen das Defizit nicht in den Griff, wenn wir auch bei Kleinigkeiten nicht konsequent sind.“ In einer „normalen“ Gemeinde hätte man gar keinen Koi-Teich, und würde daher auch über den Verlust nicht traurig sein können, schließt Töpfer schließlich seinen Redebeitrag.

Es wird sehr knapp. Drei Räte enthalten sich, zwei folgen Töpfer, drei stimmen mit nein. 3:2 für die Koi-Karpfen also. Die Entscheidung ist endgültig, der Technische Ausschuss ist hier das Beschlussgremium. Etwas pikiert sagt Töpfer: „Der Koi-Teich bleibt bestehen, und auch die Kosten von 4000 Euro.“ Immerhin setzt er sich später beim Otto-Mörike-Stift in Flacht durch: Dort wird ein Fischteich eingeebnet, weil er für spielende Kinder zur Gefahr wird.

Keine Lösung wäre es übrigens gewesen, einfach zu warten, bis die Koi-Fische eines natürlichen Todes sterben und das Becken dann aufzugeben: Sie werden meistens 60 Jahre alt. Wie schrieb unsere Zeitung im Jahr 2004 wissend: „Vielleicht wären Goldfische die bessere Wahl gewesen.“