Der Liedermacher Christoph Weiherer begeistert das Publikum im Augustinus-Saal.

Weil der Stadt - Authentisch ist er, der Christoph Weiherer. Er sagt und besingt kompromisslos, was er denkt und fühlt, immer in seinem niederbayerischen Idiom, obwohl der 36-Jährige heute in München lebt. Seit 15 Jahren steht er mit selbst geschriebenen Texten und Songs, die er mit Gitarre und Mundharmonika begleitet, auf der Bühne – inzwischen in ganz Deutschland. Rund 1 500 Konzerte hat er bisher gegeben, bei seiner Jubiläumstour hat er jetzt bei der Kuckucksbühne im Augustinus-Saal Station gemacht.

 

Und da steht er nun auf der Bühne – vor vollem Haus – mit seinem langen, blonden Haar, ausgebeulten Jeans und T-Shirt, authentisch links-alternativ ist er voll bei sich. Seine Maxime ist, sich im Plauderton mit seinem Publikum zu unterhalten: „I sag ja nix, i red ja bloß“. Das liegt ihm, und seine kleinen Geschichten sind so treffsicher wie komisch, etwa wenn er von seinen manchmal kuriosen und skurrilen Erlebnissen auf seinen Tourneen erzählt. Er beobachtet die Menschen und das Geschehen um sich herum ganz genau, und zieht in seinen Texten und Songs gnadenlos Bilanz, prangert an, schimpft, betrauert verloren Gegangenes. Nach einem herzhaften „Pack’mer’s!“ greift er zur Gitarre, und sein zupackendes, variantenreiches Spiel gibt den Texten Grundlage und Fundament.

„Is des no ei Heimat?“

In seinem bayerischen Heimatlied „Is des no mei Heimat?“ hinterfragt er beispielsweise beinahe zornig die Zustände dort. Die meisten Brauereien seien nach Holland verkauft, Straßen würden abgerissen und dafür Autobahnen durch die Naturschutzgebiete gebaut – woran sein Intimfeind, der bayerische Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, die Schuld trage –, die Donau durch Regulierung beschädigt, Tiere in Massenhaltung gequält, die Natur mit Nachhaltigkeit zerstört, die Umwelt vergiftet und das Brauchtum werde zur Farce, wenn Japaner in Kunstledertracht durch die Städte zögen. Christoph Weiherer meint es ernst, er liebt seine Heimat, er bangt um sie, und das zerrt er in bester bayerischer „Hau-Drauf-Manier“ in seinem ureigenen „Heimatsound“ als Volksbarde ans Tageslicht. Er stellt sich wacker und glaubhaft gegen den Mainstream des unguten „gesellschaftlichen Zurechtgebogenseins“, hält mit nichts hinter dem Berg, wettert gegen das weit verbreitete und allzu bequeme „Schubladendenken“. Die Welt sei vielfältiger und schöner, dies zieht sich wie ein Mantra durch alle seine Texte.

Und er will sich nicht einzwängen lassen. „Was i brauch, is mei Freiheit und a guade Idee“, singt er, wobei diese ihn manchmal zu überrennen drohen. Dann muss sich das schier nicht zu bremsende Energiebündel selber einfangen, und es kommen nachhaltig schöne Balladen, in denen es um Empathie, menschliche Werte und zwischenmenschliche Beziehungen geht, zustande, die unter die Haut gehen. Er kann sehr ernsthaft sein, doch oft scheint auch ein Stück hintergründiger Humor durch, und vor allem kann er über sich selber lachen.

Wer und was sich im Internet tummelt

Die Digitalisierung hat Christoph Weiherer scharf aufs Korn genommen, wenn in seinem Song „Touchscreen und Berührungsangst“ – ein Widerspruch in sich – auch die Dümmsten es im Internet noch zu etwas bringen. Ein weiterer Auswuchs ist die digitale Datensammelwut, die ihn schon vor sieben Jahren wütend gemacht hat. Oft werde man im Supermarkt zu Bedarfsanalysen nach der Postleitzahl des Wohnortes gefragt. Das war Weiherer entschieden leid. Also antwortete er „25541“, und übt dies seither immer wieder mit dem Publikum in seinen folgenden Programmen. „25541“ ist die Postleitzahl von Brunsbüttel an der Elbe. Diese Aktion bekam der Norddeutsche Rundfunk mit, und Christoph Weiherer entfachte damit einen regelrechten Medienhype. Er wurde interviewt, es gab Beiträge in Radio, namhafte Zeitungen und das Fernsehen widmeten sich dieser Aktion. Seit Oktober 2016 wurde ein Video dazu 4,6 Millionen Mal bei Facebook geklickt. Seither ist das Städtchen am Nord-Ostseekanal beim Handel begehrlich in aller Munde, und Weiherer „Brunsbüttel-Botschafter“ – trotz des Fakes. Den Schalk darüber kann sich der Niederbayer nicht verkneifen, und kein Ende ist in Sicht. In Weil der Stadt hingegen endete der lange Abend mit „Ned so schlimm“, einer einfühlsamen Blues-Ballade, unplugged, gegen „das Aufgeben“. Wer den 36-Jährigen erlebt hat, weiß, dass er dies wohl nie tun wird.