Eine Gruppe um Walter Burger, Alfred Kappler und Gerhard Kuhn will historische Häuser retten. So helfen sie seit 20 Jahren Bauherren und Eigentümern, die Gebäude zu sanieren, ohne ihren Charakter zu zerstören. Das neueste Objekt ist die Pfarrgasse 7 mit dem Reisebüro – und es wird nicht das letzte bleiben.

Weil der Stadt - Es ist die alte Geschichte. Ein mittelalterliches Haus wird lange Zeit von den Eigentümern bewohnt, bis diese im hohen Alter ausziehen müssen. Dann wird es verkauft, oder es steht leer, wird irgendwann abgerissen oder verfällt. Dann steht bald ein gesichtsloser Glasbau an der Stelle. Doch in Weil der Stadt steht die Altstadt inzwischen unter „Ensembleschutz“. Und eine Gruppe engagierter Bürger hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit alten Materialien historische Häuser zu erhalten. Machen wir einen kleinen Rundgang durch die herrliche Altstadt – und schauen uns ein paar Beispiele an.

 

1.Kapuzinergasse 3. Es wird gehämmert und gebohrt in dieser ehemaligen Scheune, die wohl aus dem 18. Jahrhundert stammt. Die alten Balken sind keineswegs morsch, sondern strahlen ehrwürdige Ruhe aus. Zwischen ihnen liegen brandneue Backsteine, Gerüste und Leitern stehen in dem Haus. Auf einem Holztisch liegen unzählige Schraubzwingen – im Obergeschoss wird gespachtelt und gewerkelt. Kabel hängen herum, eine Kreissäge kreischt, zwei Bauarbeiter fachsimpeln – alles wird hier genau durchdacht.

So entsteht Neues in alten Gemäuern. Das sieht Gerhard Kuhn mit Freude. Der 61-Jährige ist Architekt, stammt aus Weil der Stadt, wohnt inzwischen in Tübingen. „Wo früher das Tor der Scheue war, soll eine Glasfassade hinkommen“, schwärmt er. Nur historisch passende, einfache Materialien würden verwendet. Kalkputz etwa, viel Holz. Teurer als moderner Beton und Plastik ist das gar nicht unbedingt – und das Raumklima vielleicht sogar besser.

Eine Gruppe von sechs bis acht Handwerkern, die sich darauf spezialisiert haben, versucht, so viel wie möglich zu retten an historischer Substanz. Hier eine alte Steinmauer, die geschickt in neue Materialien integriert wird. Fast hätte es hier Parkplätze gegeben – doch nun entsteht im historischen Ambiente ein Wohnhaus mit 180 Quadratmetern, einer Loggia und einem Dachbalkon. Gut 500 000 Euro kostet das inklusive Erwerb – für ein Haus im teuren Ballungsraum Stuttgart ein guter Preis.

Die Familie, die das Gebäude erworben hat und umbauen lässt, wohnt nebenan in der Kirchgasse – in einem Haus, das die Gruppe schon vor einiger Zeit so saniert hat. „Sie sind auf den Geschmack gekommen, in historischen Gebäuden zu wohnen“, schmunzelt Walter Burger. Er weiß, wovon er spricht – er war einer der ersten, die den Schritt gewagt haben.

2.Kirchgasse 1 bis 4 Hier direkt hinter der Stadtkirche ist sozusagen die Keimzelle der Bewegung. Denn hier wohnt Walter Burger, Tür an Tür mit Alfred Kappler, dem grünen Fraktionschef im Gemeinderat. Vor 20 Jahren haben sie die beiden Häuser aus dem 17. Jahrhundert gekauft – eines war ein Wohngebäude, das andere ein Stall. Mit der Hilfe des Architekten Gerhard Kuhn haben sie sich ein Kleinod geschaffen. Die Wände blau und gelb, Sprossenfenster, große Glasfassaden mit Metallrahmen, davor ein Kräuterbeet – und eine Mauer, die nur historisch aussieht. „Eigentlich ist sie erst zehn Jahre alt“, sagt Alfred Kappler und lächelt.

Man hat es sich gemütlich eingerichtet, mit Platz für individuelle Wünsche. Terrakotta-Fliesen aus Italien, die Bäder mit Marmorsteinen. Und das mitten in der Altstadt im Schatten der Stadtkirche. „Es ist wichtig, sich in das Gefüge des Hauses einzubinden“, sagt der Architekt. Man könne nicht einfach drauf losbauen und brauche Erfahrung mit Altbauten. Dann aber gebe es kaum Grenzen – auch wenn manche Mauer nicht ganz im 90-Grad-Winkel steht. Dafür strahlt sie Individualität aus.

Nebenan die Pfarrgasse 4, hier hat die Gruppe ebenfalls drei Wohnungen in ein altes Wohnhaus mit Scheuer eingebaut. Die Gemäuer aus dem 17. Jahrhundert sehen urgemütlich und modern zugleich aus, ein stählerner Balkon bietet Altstadtpanorama. „Man muss auch die Spannung zwischen Altem und Neuem schaffen“, sagt der Architekt Gerhard Kuhn.

3. Pfarrgasse 3 Gehen wir um die Ecke. Ein hohes, hellblau gestrichenes Wohngebäude zwischen Kirche und Rathaus. Ein weiteres Beispiel für historisches Sanieren. Hölzerne Dachgauben lächeln nach unten. Die einzelnen Stockwerke sind nach außen sichtbar abgegrenzt. Sie erinnern an die alte Tradition, diese nach außen überhängen zu lassen – weil im Mittelalter Abgaben nur für die Erdgeschossfläche gezahlt wurden. Schon vor 15 Jahren wurde es in drei Wohnungen aufgeteilt, sogar Garagen angelegt.

Der Charme des Gebäudes erschließt sich auf der Rückseite – hier ist ein zweistöckiger Balkon mit schwarzen Metallstreben, mit einem Blick auf einen verwunschenen Garten. So ist der Platz ein Lebensort, und nicht nur ein Museum der Vergangenheit. Und der Grünen-Politiker Alfred Kappler, der sich jahrelang für Denkmalschutz verkämpft hat, freut sich über den sogenannten „Ensembleschutz“ für die Altstadt – dadurch kann man nicht mehr einfach Gebäude abreißen und neu bauen, wenn diese nicht unter Denkmalschutz stehen. „Dafür darf man Sanierungen mit historisch passenden Materalien auch von der Steuer absetzen“, sagt er dazu.

4. Pfarrgasse 7 Und nun das neueste Objekt der Sanierungsgruppe – es ist ein herrliches Fachwerkhaus mit Spitzgiebel und Satteldach, in dem unten das Reisebüro Pflieger untergebracht ist. Hier wurde seit Jahrzehnten nichts verändert, die Musterung des Fachwerkes ist aber gut erhalten. „Die Substanz ist in Ordnung“, sagt Walter Burger. Es gibt noch Wände aus geflochtenem Leinen, grüne Fensterläden – es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben. Lange Zeit wurde das Haus von den alten Eigentümern bewohnt, bis der Erbfall eintrat. Die neuen Besitzer konnten überzeugt werden – nun sollen vier Wohnungen entstehen. Natürlich mus vor allem innen viel umgebaut werden.

   „Da muss man auch mit dem Denkmalamt verhandeln“, sagt der Architekt – wobei das durchaus kompromissbereit sei, entgegen seinem Ruf. Erwähnenswert ist das sagenhafte Kellergewölbe wie in vielen Altstadthäusern übrigens. „Hier könnte man einen Weinkeller oder einen Veranstaltungsraum unterbringen“, meint Gerhard Kuhn. Es wäre dann das sechste Gebäude, das man schön umgebaut hätte – was schon einen erklecklichen Teil der Altstadt ausmacht. Und als Vorbild wirkt – Nachbarn, Freunde und Bekannte eifern den guten Menschen der Altstadt nach.

Fazit Der kleine Rundgang durch die Stadt ist beendet. Er macht Hoffnung, dass die Weiler Altstadt nicht in Ehrfurcht erstarrt, sondern dass deren Bewohner es selbst in die Hand nehmen, sie lebendig zu halten – ohne dass sie ihren Charakter verliert.

Die Bürgergruppe will jedenfalls weiter ansprechbar sein für Hausbesitzer oder Käufer – und auch selbst zeigen, dass komfortables Wohnen in alten Häusern möglich ist. Gerhard Kuhn beschreibt den Charme noch einmal: „Manchmal ist der Winkel nicht ganz gerade, aber schön.“