Trotz des Bundestrends: Start-Ups sind am Engelberg rar. Beklagt wird die schlechte Breitband-Verbindung.

Leonberg - Würde man einen Oberbegriff für die aktuelle Ära suchen, so wäre Gründerzeit gewiss zutreffend. Immer mehr Menschen möchten etwas Eigenes auf die Beine stellen. Immer mehr Unternehmensgründungen sind die Folge.

 

Besonders in Berlin gibt es eine große Start-Up-Szene, die durchschnittlich alle 20 Stunden um ein weiteres Unternehmen anwächst. Dem Statistik-Portal Statista zufolge ist der Großraum Stuttgart/Karlsruhe hinter Berlin und Rhein-Ruhr zur drittgrößten Startup-Region gewachsen und beherbergt knapp neun Prozent der deutschen Startup-Unternehmen. Doch in Leonberg ist davon wenig zu spüren.

Viele Facetten des Unternehmertums

An der Unterstützung bei den ersten Schritten als Jungunternehmer vor Ort scheint es nicht zu liegen. Die Industrie- und Handelskammer stellt auf ihrer Website eine 87-seitige Broschüre zum Download bereit, die die vielen Facetten des Unternehmertums aufdröselt. Regelmäßig lädt die IHK auch zu halbtägigen Informationsveranstaltungen zur Existenzgründung ein. Bei der Unterstützung junger Gründer kooperiert die Kammer unter anderem mit der Arbeitsagentur, die je nach Fall Gründungszuschüsse gewährt, mit der Wirtschaftsförderung Leonberg und den Senioren der Wirtschaft. Das ist ein 1987 gegründeter Verein, deren Mitglieder, ehemalige Führungskräfte und Unternehmer, ehrenamtlich Startups und mittelständische Unternehmen beraten.

Auch wenn es um die Finanzierung der Gründung geht, kann die IHK mit Sprechstunden im eigenen Haus mit der Wirtschaftsbank oder der Landesbank dienen. Darüber hinaus haben junge Unternehmer bei Gründerwettbewerben im Landkreis die Chance, Investoren zu gewinnen. So etwa beim Elevator Pitch BW Regional Cup Böblingen, der jährlich stattfindet.

Wie wichtig ist der Standort?

Doch diese vielen Angebote werden längst nicht von allen Gründern in Leonberg angenommen. Die Gründer des Enduro-Magazins, das sich mit Mountainbikes beschäftigt, haben ihr Ding von Anfang an alleine durchgezogen. Auch Alexander Walz, der schon mehrere Gründungen hinter sich hat, hat sich vor wenigen Wochen mit seinem neuen Projekt „SEO-Turtles“ (https://www.seo-turtles.de) im Bereich Suchmaschinenoptimierung ohne vorherige Beratung selbstständig gemacht. Diese Fälle legen nahe, dass die Gründerarmut in Leonberg andere Ursachen zu haben scheint.

Da wären wir beim Standort selber. Strittig ist, wie entscheidend dieser noch für global agierende Unternehmen ist. Alexander Walz ist der Meinung, dass die Bedeutung des Standortes deutlich abgenommen hat und weiter abnehmen wird.

Jedenfalls ist Leonberg mit seiner zentralen Lage und direkter Anbindung zur S-Bahn und zur Autobahn gut gelegen und für Kunden erreichbar, findet nicht nur Tobias Herwig von IPO-Plan. Auch zum Stuttgarter Flughafen können international ausgerichtete Firmen relativ zügig mit Bus oder Auto gelangen.

Schwieriger werde es, qualifizierte Mitarbeiter der jeweiligen Branche zu finden. „Die Automobilbranche ist sehr stark, aber hier gute Mitarbeiter im IT-Bereich zu finden, stelle ich mir schon schwierig vor“, erklärt Walz. Mitarbeiter aus anderen Gegenden könne man nur schwer nach Leonberg locken, Freizeitangebote und vor allem die Wohnungssituation spielen da eine Rolle.

Das größte Problem, da sind sich alle einig, ist die Internetverbindung. Selbst in den Gewerbegebieten ist keine flächendeckende Breitband-Verbindung vorhanden. Für junge Gründer ist das im Zeitalter der Digitalisierung ein No-Go, oder wie es Robin Schmitt, Mitgründer von Enduro, ausdrückt: „Internet ist mittlerweile wichtiger als Flughafen und Autobahn“.

Immerhin: Die Telekom hat damit begonnen, 26 Kilometer Glasfaserkabel fast im gesamten Stadtgebiet zu verlegen. Auch bei der Stadt ist das Thema Breitband-Versorgung oben angesiedelt.

Das scheint auch nötig: „Wenn sich die Verbindung nicht verbessert, denken wir über eine Standortverlegung nach“, macht Schmitt auf die Dringlichkeit des Themas aufmerksam. Und die Jungs von Enduro sind nicht die Einzigen, die sich Gedanken in diese Richtung machen.