Das Kulturforum präsentiert im Rathaus eine vielschichtige Ausstellung zum Thema „Weiß plus“.

Rutesheim - Rutesheim fällt mal wieder „aus dem Rahmen“. Unter diesem Motto stehen verschiedene Veranstaltungen des Kulturforums Rutesheim zum Stadtjubiläum. Zu dieser Reihe gehört eine Ausstellung im Rathaus, die jetzt eröffnet wurde und bei der 27 Künstlerinen und Künstler ihre Arbeiten unter dem Titel „Weiß plus“ zeigen. Und ihnen ist zur Farbe Weiß sehr viel mehr eingefallen als Schnee, weißer Flieder, Friedenstaube oder eine Hochzeit in Weiß.

 

Inge Burst vom Kulturforum – bei der Vernissage ganz in Weiß gekleidet – analysiert in ihrer Rede den Symbolgehalt der Farbe „Weiß“ und führt in die Konzeption der Ausstellung ein. Ihre These: „Weiß ist die Summe aller Farben.“ Im europäischen Raum verbinden wir bestimmte Assoziationen und Empfindungen mit dieser Farbe, führt Burst aus: Reinheit, Unschuld, Frische, ein leeres Blatt Papier, eine weiße Weste, ein blütenweißes Alibi. Und sie folgert: „Weiß ist die Farbe der Ideale, des Guten und Wahren“. In Kombination mit anderen Farben – also „Weiß plus“ – erhält die Farbe einen anderen Akzent: Mit Schwarz wird sie eleganter, mit Rot dynamischer. Der erste Blick der Ausstellungsbesucher fällt auf ein textiles Objekt von Elke Zahn: „RutesHEIMAT“, ein Staubschutznetz von der Baustelle mit eingefilzter Schrift in Rot. Die Künstlerin, die als Schneidermeisterin von Haus aus ein besonderes Händchen für Textiles hat, zeigt auch ihr Objekt „Rutesheim fällt aus dem Rahmen“: Buchstäblich, denn die Buchstaben des Ortsnamens machen sich selbstständig. Ihr „Rohstrugel“, die kulinarische Spezialität aus Rutesheim, ist nicht essbar, aber sehr dekorativ.

Sand, Papier und Holz

Bemerkenswert ist im Erdgeschoss die künstlerische Aufarbeitung des Großen Brandes von Rutesheim 1837. Jutta Horn und Gerda Steimle haben in ihrer Collage auf einem alten Stadtplan mehrere Wachsschichten übereinander gelegt, die Häuser rot markiert, so dass eine Plastizität entsteht. Ein Besucher stellt fest, das Grau lasse die Rauchwolken förmlich riechen. Im ersten Obergeschoss tritt Weiß in Kontrast zu Schwarz und Braun, die Objekte sind kräftiger strukturiert, die Materialien sind Sand, Papier und Holz.

Unter den Skulpturen ziehen „Eine Träne für Olympia“, eine Marmorarbeit von Corinna Beutelspacher-Stehle, und die weibliche Büste „Weiße oder weise Frau“ von Dorothee Wiedeck die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Bei der Marmorskulptur ist das olympische Feuer zu einer Träne umgestaltet – weil die Einwohner, sei es in China oder Brasilien, stets unter Zwangsumsiedlungen und anderen Opfern zu leiden gehabt hätten, erläutert die gelernte Steinbildhauerin. Von Geld, Macht und Doping gar nicht zu reden. Die Keramikskulptur „Weiße oder weise Frau“ dagegen bringt mit ihrem Wortspiel die Bedeutung der Farbe „Weiß“ auch in Zusammenhang mit Entfaltung, Offenheit, Klärung und fragt ausdrücklich: „Wer ist schon weise?“

Den Wirrwarr entwirren

Die Kunstwerke von Friederike Strauß „Ansichten – Einsichten“, in Acryl, nehmen diesen Gedanken auf: Sie zeigen einen Wirrwarr, der geklärt werden muss, entwirrt, zu einem neuen Weg sich entfaltend. Die „Objektkästchen“ von Elke Bader mit Materialien wie Stein, Holz, Gaze und Nägeln beweisen ebenfalls Inspiration und Fantasie. Berührend auch, wie Grafikdesignerin Melissa Wagner ihre Lungenembolie künstlerisch verarbeitet. Die Ausstellung bietet eine imponierende Gesamtschau regionalen künstlerischen Schaffens von hoher Qualität, die bei den rund 100 – zum Teil ebenfalls weiß gewandeten – Besuchern der Vernissage auf reges Interesse gestoßen ist.

Am Rande darf aber doch wohl die Frage gestellt werden, warum der Schwerpunkt der Arbeiten auf Materialität, Formexperiment und Abstraktion liegt. Könnte man nicht angesichts der zunehmenden Gewalt in unserer Welt einmal eine weiße Friedenstaube, abgestürzt in einem Trümmerfeld, zeigen?

Das A-cappella-Popensemble „Voculture“ begleitete die Vernissage und brachte mit groovigen Arrangements die Leichtigkeit eines sonnigen Maisonntags ins sonst so geschäftige Rathaus. Die fünf jungen Sängerinnen und Sänger, übrigens ganz in Schwarz, trafen mit ihrer „Hymn for the weekend“ genau die Befindlichkeit ihres Publikums. Sie sangen, beatboxten, wippten und verbreiteten sprühend gute Laune.