Am 28. September ist Schluss – der Letzte macht bei Drescher in Rutesheim das Licht aus. 100 von ehemals 1400 Beschäftigten harren noch aus. Auf die meisten wartet am Ende des Monats der Gang zum Arbeitsamt.

Rutesheim - Am 28. September ist Schluss – der Letzte macht bei Drescher in Rutesheim das Licht aus. 100 von ehemals 1400 Beschäftigten harren noch aus. Auf die meisten wartet am Ende des Monats der Gang zum Arbeitsamt.

 

60 schwarze Kreuze haben die letzten Drescher-Beschäftigten entlang der Schillerstraße vor dem ehemaligen Hauptsitz ihrer Druckerei aufgestellt. „Drucker“, „Papierschneider“, „Schriftsetzer“ ist zu lesen. Sie tragen ihre Berufe mit den Kreuzen sprichwörtlich zu Grabe. Von der Fassade des Rutesheimer Firmensitzes hängen meterlange Trauerflore über mehrere Stockwerke. „Wir haben lange still gehalten, um den Kollegen, die schon auf Jobsuche sind, das Leben nicht noch schwerer zu machen“, sagt Hans Peter Schaust, Betriebsratsvorsitzender bei Drescher in Rutesheim. „Doch jetzt musste unsere Trauer und unserer Verzweiflung einfach einmal raus“, fügt er hinzu.

Den letzten 300 Mitarbeitern werden gekündigt

Ende Mai wurde bekannt, dass der Standort Rutesheim geschlossen wird. Das endgültige Aus für die damals noch verbliebenen knapp 300 Mitarbeiter. Das Ende eines langen Kampfes. Am 1. Oktober 1998 verkündete der damalige geschäftsführende Gesellschafter Otwin Drescher die Eröffnung des Konkursverfahrens. „Davon hat sich unsere Firma nie richtig erholt“, sagt Schaust. Was folgte, war ein langsames Dahinsterben des Betriebs. Immer mehr Mitarbeiter mussten gehen. „Immer hieß es, wir müssen die Kosten senken. Und wir haben brav mitgemacht“, sagt der Betriebsratschef wütend, denn er hat nachgerechnet: Jeder Facharbeiter in Rutesheim hat im Lauf der vergangenen sechs Jahre auf rund 40 000 Euro verzichtet. „Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld haben wir jahrelang nicht mehr bekommen“, sagt Schaust, „die Belegschaft hat große Opfer gebracht, um die Firma zu retten. Doch das hat nichts gebracht.“

Als die Schließung des Rutesheimer Standorts Ende Mai bekannt wurde, herrschte blanke Wut bei den Mitarbeitern. „Lohnverzicht lohnt sich nicht“, lautete damals das Fazit der Belegschaft. Die Wut ist mittlerweile Resignation und Trauer gewichen. Knapp zwei Wochen werden die letzten Drescher-Beschäftigten noch zur Arbeit kommen. Ein Abschied, der schmerzt. „Es war einmal etwas Besonderes, hier zu arbeiten, etwas, auf das man stolz war“, sagt Vize-Betriebsratschef Matthias Zenker.

„Es war einmal etwas Besonderes, hier zu arbeiten“

Am Ende wurde der Niedergang des früheren Marktführers im Bereich Formulardruck durch die Einführung leistungsstarker Bürorechner und Drucker besiegelt. „Zum Abschließen einer Lebensversicherung musste früher ein Formular mit sechs Durchschlägen ausgefüllt werden“, sagt Schaust, „damals haben wir das bei uns gefertigt. Heute wird so etwas ohne Papier am Computer erledigt.“

Die verbliebenen Mitarbeiter sitzen vor dem Werksgebäude zusammen und diskutieren. Es gibt nur ein Thema: die drohende Arbeitslosigkeit. Bei den vorangegangenen Runden des Personalabbaus wurden bereits die Jüngeren, die ohne Kinder oder Familie und diejenigen mit wenigen Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt. „Die, die jetzt noch da sind, werden es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben“, sagt Schaust. Nach Schätzungen des Betriebsrats haben nur die wenigsten bisher Erfolg bei der Jobsuche gehabt. „Die jetzige Belegschaft ist im Schnitt recht alt.“

„Wir kommen uns ganz einfach verarscht vor“, sagt einer der Beschäftigten. Vor wenigen Tagen fanden die übrigen Mitarbeiter eine Mitteilung am schwarzen Brett. „Drescher: Sanierung erfolgreich. Das Unternehmen wurde von Lasten befreit“, war zu dort lesen. „Gut zu wissen, was wir für Drescher waren“, sagen die Mitarbeiter voller Wut, „Altlasten, sonst nichts.“ Neben ihren geringen Chancen am Arbeitsmarkt beschäftigt die Drucker und Schriftsetzer, die in Rutesheim dem stillen Begräbnis ihrer Firma entgegenarbeiten, eine weitere Frage. „Werden unsere Abfindungen auch wirklich bezahlt?“

Das Misstrauen gegen die französische Konzernspitze ist groß. Der Grund: es hätte eine sogenannte Beschäftigungsgesellschaft für die verbliebenen Mitarbeiter geben sollen. Dadurch hätte ihnen die Arbeitssuche erleichtert werden sollen. „Der Hauptgesellschafter Eppe aus Frankreich hat aber im letzten Moment das Geld für die Gesellschaft gestrichen“, sagt Schaust. Die Geschäftsleitung von Drescher war am Montag auf Anfrage unserer Zeitung nicht zu einer Stellungnahme bereit. „Wir sind darüber empört, dass es aus der oberen Etage nicht ein Wort des Bedauerns gegeben hat“, sagt Zenker.