Renningen
Bei der Mahnwache für den Frieden lesen Jugendgemeinderäte Zeitzeugenberichte vor.

Renningen - Immer in der Woche zwischen Volkstrauertag und Totensonntag halten die Renninger und Malmsheimer auf einem ihrer Friedhöfe eine Mahnwache für den Frieden ab. Bürgermeister Wolfgang Faißt erklärt: „Früher haben wir, wie die meisten anderen Gemeinden, morgens am Volkstrauertag eine Mahnwache abgehalten, da haben wir dann aber besonders bei den Jugendlichen eine schwindende Beteiligung registriert. Sonntagmorgen ist einfach keine so attraktive Zeit“, grinst der Schultes. Auch am Freitagabend haben sich nur etwa 50 Menschen aller Altersklassen hinaus in das Schmuddelwetter auf den Renninger Friedhof gewagt.

 

Schon der Weg vom Parkplatz über den dunklen Friedhof, vorbei an raschelnden Bäumen und an im Wind flackernden Kerzen, ist gruselig und vermittelt ein bedrohliches Gefühl. Da ist man fast dankbar sich in die friedliche und warme Aussegnungshalle flüchten zu dürfen. Flucht ist denn auch das Stichwort, das sich der Jugendgemeinderat bei seinem Beitrag zum Thema macht.

Der Jugendgemeinderat will sich mehr in der Flüchtlingsarbeit einbringen

„Wir wollten uns als Jugendgemeinderat einbringen, und kamen dann auf die Idee Zeitzeugenberichte zu verlesen“, erzählt Markus Queitsch. „Wir haben Texte von Jugendlichen gefunden, die während der Zeit des Dritten Reichs gelebt haben, aber auch zwei Briefe von Menschen, die aktuell als Flüchtlinge in Malmsheim leben.“

Die Geschichten, die sie dann von Mustafa aus dem Iran und Camil aus Syrien erzählen, gehen unter die Haut. Sie berichten davon, ihre Familien hinter sich gelassen zu haben, von der langen und gefährlichen Reise. So ist im Brief des 16-jährigen Camil zu lesen:

„Unser Boot von der Türkei nach Griechenland war viel zu voll und zu schwer. Es gab viele Frauen und kleine Kinder und das wichtigste war: Nicht einzuschlafen. Egal wie müde man ist. Manche sind über Bord gegangen und ertrunken. Man muss viel Glück haben auf der Reise. Ich habe viele gesehen, die es vor Erschöpfung nicht geschafft haben.“

Worte, die wir alle so oder ähnlich tagtäglich in den Nachrichten vorgeführt bekommen, aber es erschüttert noch mehr, wenn wir uns vor Augen führen, dass Kinder und Jugendliche mit solchen Erfahrungen unsere Nachbarn sind. Die Jugendgemeinderäte Konrad Krämer und Markus Queitsch haben für sich beschlossen: „Wir wollen uns auch als Jugendgemeinderat mehr einbringen in die Flüchtlingsarbeit, wollen Verantwortung übernehmen.“ Ein positives Zeichen, dass gut zur Botschaft des Abends passt: Wir dürfen die Vergangenheit nicht vergessen, um eine Wiederholung in Zukunft zu vermeiden.

Kampf für Frieden und Gerechtigkeit

Da konnte Franz Pitzal, der katholische Pfarrer in Renningen nur zustimmen. Eindrucksvoll ruft er in seiner Gedenkrede noch einmal die Zahlen ins Gedächtnis der Menschen: „60 Millionen Menschen sind im zweiten Weltkrieg gestorben, davon waren 27 Millionen Russen, sechs Millionen Juden und sechs Millionen deutsche Soldaten.“ Er hält die Zuhörenden dazu an, nicht aufzuhören, fassungslos zurückzuschauen und die Frage nach dem Warum zu stellen. Auch den Bogen zum aktuellen Zeitgeschehen weiß er zu schlagen, man dürfe besonders in Zeiten, in denen die politische Lage in der Welt aber auch in Europa sich verändere, Fremdenhass und rechte Hetze wieder Einzug in die Wohnzimmer fänden, die Erinnerung an das Schlimme nicht verblassen lassen, und den Kampf für Frieden und Gerechtigkeit nicht aufgeben.

Die Worte des Pfarrers bewegen und rütteln auf, sie rufen in Erinnerung, was für ein fragiles System dieser bereits 70 Jahre währende Frieden in Europa ist, und dass wir mit allen uns möglichen Mitteln dafür kämpfen sollten ihn aufrecht zu erhalten.