Das Justizministerium will von 2018 an die Notariatsstandorte konzentrieren. Während den großen Kreisstädten dabei keine Nachteile entstehen, proben die Rathauschefs in mittelgroßen Kommunen nun den Aufstand.

Renningen/Leonberg - Gegen die geplante Notariatsreform des Landes regt sich Widerstand im Landkreis Böblingen. Vor allem die Stadt Renningen sieht sich als Verlierer der Reform. Der Bürgermeister Wolfgang Faißt betont: „Wir kämpfen da an breiter Front.“ Denn in Renningen hat zwar bisher noch ein Notar seinen Amtssitz – das soll sich aber von 2018 an ändern, wenn die Reform ihre Wirkung entfaltet. Dann werden die Aufgaben für den Rest des Altkreises in Leonberg gebündelt. Drei der so genannten „Nur-Notarstellen“ gibt es dann hier, zudem übernehmen Beamte am Amtsgericht einige Aufgaben (siehe Infokasten). Der Rest der Städte und Gemeinden im nördlichen Landkreis geht leer aus. Weissach und Weil der Stadt verlieren ihr Notariat ebenfalls, Rutesheim hat ohnehin keines.

 

Faißt aber sieht vor allem in seiner Stadt einen steigenden Bedarf. In Renningen sei Wachstum schließlich vorprogrammiert: Bosch baut sein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum und mit Schnallenäcker II bis IV sollen in den kommenden Jahrzehnten mehrere üppige Wohnbaugebiete entstehen. Geht alles nach Plan, werden hier neue Familien gegründet, Grundstücke gehandelt, Hunderte Häuser gebaut – und entsprechende Verträge geschlossen.

Arbeit genug für Notare, wie Faißt findet. „Zumal wenn man miteinbezieht, dass es in unserer Nachbarstadt Weil der Stadt ebenfalls keinen Notar geben soll. Ursprünglich war angedacht, den Standort dort zu erhalten“, sagt der Schultes. Und überhaupt sei es nicht gut, die Entscheidung über Standorte „nur an Urkunden allein“ festzumachen, so Faißt weiter.

Das Justizministerium in Stuttgart sieht das indes ganz anders. Pro Jahr gebe es nur etwa 1100 Urkundengeschäfte in Renningen, lässt die Sprecherin Martina Schäfer verlauten. Nötig sind aber 1500, um laut Reform einen Standort zu rechtfertigen. „Auch der verstärkte Wohnbau garantiert keine kontinuierlich hohe Zahl an Urkundengeschäften“, so die Sprecherin.

Faißt wiederum verwaist auf ein Gespräch, vom vergangenen Sommer: Gemeinsam mit der Leonberger CDU-Abgeordneten Sabine Kurtz war er zu Gast bei dem zuständigen Ministerialdirigenten Klaus Ehmann – und ging mit der Hoffnung aus dem Treffen, Renningen könne sein Notariat doch behalten.

„Zusagen gab es dabei aber nicht“, stellt die Ministeriumssprecherin Schäfer klar. Sie weist im Übrigen auch den Vorwurf zurück, dass in Weil der Stadt nur deswegen das Notariat wegfalle, weil der neue Bürgermeister Thilo Schreiber kein SPD-Parteibuch habe wie noch sein Vorgänger Hans-Josef Straub. Dieses Gerücht nämlich ist aus kommunalpolitischen Kreisen zuweilen zu hören. Die Entscheidung habe vor allem mit den von den Verbänden geäußerten Anliegen zu tun, die Notare an einem Amtssitz zu konzentrieren, so Martina Schäfer. Etwa, um künftig gemeinsam Räume nutzen zu können. „Andere Gründe gibt es dafür nicht.“

Großer Unmut herrscht auch im südlichen Landkreis in den Kommunen Holzgerlingen, Waldenbuch und Nufringen. Auch dort sollen die Notariatsämter bis Ende 2017 aufgelöst werden. Zum Beurkunden von Kaufverträgen müssen die Bürger dann nach Böblingen oder Herrenberg. Für Fragen zu einem Nachlass oder zum Betreuungsrecht sind dann die dem Amtsgericht eingegliederten Notare oder Rechtspfleger zuständig.

Für Wolfgang Dölker, den Holzgerlinger Bürgermeister, ist dies unverständlich. „Das ist das Gegenteil von bürgernah“, wettert er. Auch seine Stadträte sehen das so. In einem Beschluss fordern sie die Beibehaltung eines Notars für die Kommunen der Schönbuchlichtung. Dölker hatte einen entsprechenden Brief an das Justizministerium geschrieben. Allerdings ohne Erfolg. Ähnlich erging es den Waldenbuchern, die gemeinsam mit ihren Nachbarkommunen Steinenbronn und Dettenhausen (Kreis Tübingen) beim Ministerium für einen Standort geworben haben. „Bei uns hat der Notar eine Tradition: Den haben wir schon seit mehr als 100 Jahren im Ort. Und jetzt wird er abgeschafft“, empört sich der Hauptamtsleiter Hubert Rüdenauer. Doch der Protest war vergeblich. „Vor einigen Tagen erhielten wir den Bescheid: Es bleibt bei der Abschaffung“, sagt er.

Tobias Brenner, der Direktor des Amtsgerichts und früherer SPD-Abgeordneter, versteht den Ärger. „Die Kommunen, die bisher einen solchen Service vor Ort hatten, sehen das natürlich als Verlust.“ Doch für den Bürger mache es keinen großen Unterschied, ob er für einen Kaufvertrag ein paar Kilometer fahren müsse. „Man geht ja auch nicht unbedingt zum Arzt im Ort, sondern zu dem seines Vertrauens, der vielleicht in Böblingen ist.“ Auch sei es für die Notare, deren Aufgaben durch die Reform abnehmen, nicht sehr lukrativ, in einer kleinen Stadt zu arbeiten.

Die meisten Bürgermeister haben sich mittlerweile mit der Reform abgefunden. „Wir haben die Sache abgehakt. Weiterer Widerstand erscheint zwecklos,“sagt die Nufringer Rathauschefin Ulrike Binninger, deren Eingabe beim Ministerium auch keinen Erfolg hatte. Wolfgang Faißt jedoch will weiter für das Notariat in Renningen kämpfen. „Wir versuchen, auf dem politischen Weg weiter Einfluss zu nehmen. Die Sachlage spricht für Renningen.“