Die Reise von Paris Richtung Westen bis an den Atlantik in die französische Hafenstadt Brest ist eigentlich ein Katzensprung. Zumindest mit dem Flugzeug, das nach nur gut einer Stunde das Ziel erreicht. Der Rutesheimer Albrecht Beck wählte eine weitaus anstrengendere Variante. Er nahm am ältesten Radrennen Europas teil. 600 Kilometer von Paris nach Brest und dann das ganze wieder in umgekehrter Richtung zurück.

Rutesheim -

 

Die Reise von Paris Richtung Westen bis an den Atlantik in die französische Hafenstadt Brest ist eigentlich ein Katzensprung. Zumindest mit dem Flugzeug, das nach nur gut einer Stunde das Ziel erreicht. Der Rutesheimer Albrecht Beck wählte eine weitaus anstrengendere Variante. Er nahm am ältesten Radrennen Europas teil. 600 Kilometer von Paris nach Brest und dann das ganze wieder in umgekehrter Richtung zurück in die französische Hauptstadt.

Dabei ist diese sportliche Herausforderung eigentlich kein Rennen im herkömmlichen Sinn, sondern ein so genanntes Brevet: Das bezeichnet im Radsport eine Langstreckenfahrt, bei der die Teilnehmer eine vorgegebene Strecke innerhalb eines bestimmten Zeitraums bewältigen sollen. Jeder legt seine persönliche Geschwindigkeit, Pausen oder auch Schafeinheiten selbst fest.

Der 52-jährige Familienvater überfuhr nach 89 Stunden, 59 Minuten und 38 Sekunden die Ziellinie am Velodrom St. Quentin-en-Yveslines bei Paris. Das war eine knappe Angelegenheit, denn die maximal zulässige Zeit für diese 1200 Kilometer sind 90 Stunden. Albrecht Beck hat die Fahrt genossen: „Neben der sportlichen Herausforderung waren es die vielen Begegnungen mit Radfahrern aus aller Welt und mit den Zuschauern an der Strecke, die mich beeindruckt haben“, sagt er nach der Ankunft. Und schließlich darf sich jeder, der sich am Ende selbst besiegt hat und eine Medaille überreicht bekommt, als Gewinner fühlen.

Für den Physiker, der in einem internationalen Unternehmen in Ditzingen arbeitet, war die Teilnahme eine Premiere. Auf die Idee kam der passionierte Radfahrer irgendwann bei einem Trainingslager im Frühjahr, das er mit seinen Sportkollegen auf Mallorca absolvierte. Da hatte er erstmals ein Finisher-T-Shirt des französischen Klassikers gesehen – seitdem verfolgte er diesen Plan mit großer Begeisterung. Ursprünglich wollte er mit einigen seiner Radfreunden das Projekt angehen, doch nach und nach sprangen alle ab. Also buchte er allein beim Veranstalter.

Rund 10 000 Kilometer legt der Rutesheimer im Jahr auf seinen Rädern zurück, fährt damit auch täglich die 20 Kilometer zur Arbeit – egal ob die Sonne brennt, es regnet, stürmt oder schneit. Weitere Einheiten absolviert er am Wochenende. Seine Frau unterstützt sein Hobby. Immer wieder sind sie gemeinsam unterwegs. „Gerne auch mit dem Tandem“, sagt Beck. Viele Urlaube verbringen sie in den Bergen – das Rad darf da nicht fehlen. Albrecht Becks bisherige größten sportlichen Herausforderungen waren der Ötztal-Marathon mit vier Alpenpässen in zwölf Stunden und die jährliche Teilnahme beim Alb-Extrem mit 260 Kilometern und 4 800 Höhenmetern in dreizehn Stunden.

Die 1200 Kilometer von Paris nach Brest und zurück in maximal 90 Stunden übertrafen dann alle seine bisherigen sportlichen Aktivitäten. Für dieses Unternehmen hatte er sich selbst ein Rennrad zusammen gebaut. Den grün-schwarzen Stahlrahmen stattete er mit einer ausgefeilten Beleuchtungsanlage, Gepäckträger und einem Ledersattel aus. Viel nahm er ohnehin nicht mit – eine Garnitur zum wechseln, eine Windjacke und Regenklamotten. „Der Sattel war ganz bequem, am Ende haben nur meine Beine geschmerzt.“

Nur alle vier Jahre findet Paris-Brest-Paris statt. Um teilnehmen zu können, müssen die Radfahrer im Jahr vor dem Rennen sogenannte Brevets, also Prüfungen, über 200 Kilometer, 300 Kilometer, 400 Kilometer und 600 Kilometer innerhalb strenger Zeitvorgaben absolvieren. Albrecht Beck fuhr von Treuchtlingen bei Nürnberg aus über 200 Kilometer und 300 Kilometer durch Franken und die Oberpfalz, von Freiburg aus über 400 Kilometer über Belfort durch die Vogesen und über 600 Kilometer durch das Schweizer und französische Jura. Veranstalter dieser Brevets nach den strengen Richtlinien des Audax Club Parisien sind erfahrene Randonneure, also Langstreckenradwanderer, die bereits mehrfach Paris-Brest-Paris gefahren sind. Rund 5600 Teilnehmer aus aller Welt starteten kürzlich vor dem Velodrom in St. Quentin-en-Yveslines unweit von Paris. Die gut 250 Teilnehmer starke Gruppen – nach Zielzeiten eingeteilt - wurden sie vor großer Kulisse auf die Strecke geschickt.

Die meisten kamen auch wieder in Paris an. Für Albrecht Beck ging es um 19.30 Uhr auf die Reise. Angefeuert von „bon courage“ und „bonne route“-Rufen der Zuschauer fuhr er in den Abend hinein. Alle 80 bis 100 Kilometer ein Kontrollpunkt. Dort gab es Essen, Sanitäranlagen und Übernachtungsmöglichkeiten. „Hunderte ehrenamtliche Helfer sorgten sich um das Wohl der Fahrer, an der Strecke boten Privatleute Schlafgelegenheiten, Essen und einen warmen Kaffee an“, erzählt Beck, der noch immer beeindruckt ist. In den insgesamt vier Nächten legte er sich jeweils nur ein bis zwei Stunden zum Schlafen hin. Die Strecke nach Brest und zurück hatte es in sich. „Neben wenigen flachen Passagen war es vor allem in der Bretagne bergig. Besonders anstrengend war auch das Fahren in der Nacht“, so Beck. Motiviert haben ihn die interessanten Gespräche mit anderen Mitstreitern während der Fahrt. Müde, aber hoch zufrieden, sprintete Albrecht Beck mit letzter Kraft ins Ziel. Während die Schmerzen langsam nachlassen, tüftelt er schon das nächste Projekt aus. Der 1418 Kilometer lange Klassiker London-Edinburgh-London würde ihn ungemein reizen.