Der Vorteil des Auswärtigseins

 

Der Wunsch nach einem neuen Gesicht war größer als alle andere Themen.

Von Thomas K. Slotwinski

Leonberg hat einen neuen Oberbürgermeister. Und das schon im ersten Anlauf. Dass ein zweiter Wahlgang, der noch vor zwei Wochen angesichts des starken Bewerberfeldes als sehr wahrscheinlich galt, nun doch ausfällt, hatte sich in den vergangenen Tagen zusehends abgezeichnet. Zwar waren Martin Kaufmann und Inge Horn beide unermüdlich unterwegs, doch stieß der Bewerber aus Rudersberg auf eine spürbar größere Resonanz, eben weil er nicht von hier kommt.

Ulrich Vonderheid gratuliert dem Wahlsieger, er habe einen engagierten Wahlkampf geführt. „Ich selbst hatte mir persönlich ein bisschen mehr erwartet“. Aber schon morgen gehe seine Arbeit als Erster Bürgermeister weiter, und er sei bereit, Martin Kaufmann die Hand zur Zusammenarbeit zu reichen. „Ich hoffe, dass wir kollegial zum Wohle der Stadt zusammenarbeiten können“, schloss Ulrich Vonderheid.

Als 44 der 49 Wahlbezirke ausgezählt sind, lässt sich Kaufmann dann doch zum Sieg gratulieren: „Mit einem so deutlichen Ergebnis habe ich nicht gerechnet. Ich danke den Wählern für den großen Vertrauensvorschuss, der mir schon im ersten Wahlgang entgegengebracht wurde“, sagt er. Und er dankt seinen Konkurrenten für „einen guten und fairen Wahlkampf“.

Auch der Landrat kommt zum Gratulieren vorbei

Gar nicht enttäuscht wirkt der Baubürgermeister Klaus Brenner, der viele Hände im Rathausfoyer schüttelt. „Mir geht es gut“, sagt er. Unter den Rathausgästen ist auch der Renninger Bürgermeister Wolfgang Faißt: „Kaufmann hat vom Auswärts-Bonus profitiert“, sagt er. „Wenn drei aus der Stadt sich streiten, freut sich der Vierte“, meinte Faißt.

Matthias Groß, einer der Abteilungsleiter der Handballer der SG Leonberg/Eltingen, ist mit dem Wahlausgang zufrieden: „Der Sport kann gut mit Martin Kaufmann leben“, erklärt er, „er bringt frischen Wind.“ Und Klaus Brenner sei ein guter Bau-Bürgermeister, den Leonberg in den kommenden drei Jahren brauchen werde.

Kurz vor 21 Uhr erscheint Landrat Roland Bernhard im Rathaus: „Ich gehöre auch zu denen, die mit einem zweiten Wahlgang gerechnet haben“, erklärt er. Aber er habe sich die Geste nicht nehmen lassen wollen, dem Wahlsieger zu gratulieren. Kaufmann mache einen guten Eindruck. „Ich hoffe, dass es klimatisch gut mit ihm läuft“, sagt Bernhard mit Blick auf seine Spannungen mit dem amtierenden OB Bernhard Schuler. Doch auch Martin Kaufmann gilt als angriffslustig.

Kommentar

Der Vorteil des Auswärtigseins

Der Wunsch nach einem neuen Gesicht war größer als alle andere Themen.

Von Thomas K. Slotwinski

Leonberg hat einen neuen Oberbürgermeister. Und das schon im ersten Anlauf. Dass ein zweiter Wahlgang, der noch vor zwei Wochen angesichts des starken Bewerberfeldes als sehr wahrscheinlich galt, nun doch ausfällt, hatte sich in den vergangenen Tagen zusehends abgezeichnet. Zwar waren Martin Kaufmann und Inge Horn beide unermüdlich unterwegs, doch stieß der Bewerber aus Rudersberg auf eine spürbar größere Resonanz, eben weil er nicht von hier kommt.

Inge Horns Heimvorteil hingegen geriet eher zur Belastung. Viele sahen in ihr offensichtlich eine Vertreterin eines „alten Systems“, das es zwar so nicht gab. Das der gebürtigen Leonbergerin aber immer wieder, besonders im Internet, vorgehalten wurde.

Auch die Last-Minute-Kandidatur des Baubürgermeisters Klaus Brenner wird sie Stimmen gekostet haben. Wahlentscheidend dürfte das aber nicht gewesen sein. Dafür war der Abstand zwischen ihr und Kaufmann am Ende zu groß. Vielleicht ist es ein Stück weit auch so, wie die enttäuschte, aber gefasste Unterlegene am Abend gesagt hat: Leonberg ist noch nicht reif für eine Frau an der Stadtspitze.

Wesentlich mehr ausgerechnet hatte sich Ulrich Vonderheid. Der Unterhaltungswahlkampf des Ersten Bürgermeisters verfing bei den Menschen offenbar nicht. Politische Rückendeckung hatte er ohnehin nicht. Seine Position im Stadtvorstand dürfte nicht einfacher werden.

Halbwegs zufrieden sein kann hingegen Klaus Brenner. Mit einem knapp vier Wochen andauernden Minimal-Wahlkampf hat er immerhin neun Prozent geholt. Die kann der in Stadt beliebte Chefplaner als Anerkennung für seine engagierte Arbeit verbuchen. Das wird ihm in der neuen Führungskonstellation den Rücken stärken.

Die größte Unbekannte ist der künftige Oberbürgermeister. Martin Kaufmann sich als volksnaher Macher gegeben, der im Zweifelsfall ungemütlich werden kann. Die spannende Frage ist, wie diese Eigenschaften in der Zukunft zum Tragen kommen