Der Kinderschutzbund vermittelt Senioren an junge Familien. Denn oft wohnen Enkel oder Großeltern weit weg. Im vergangenen Jahr hat der Kinderschutzbund das Projekt neu belebt. In Zusammenarbeit mit der Familienbildungsstätte werden Schulungen angeboten.

Leonberg - Flink klettert Lukas auf den Schoß von Gerda. Der Zweijährige zeigt ihr seine Spielzeugautos. Dann muss die Seniorin die passenden Geräusche dazu machen. Einmal pro Woche passt Gerda für zwei Stunden auf Lukas und seine große Schwester Anna-Lena auf – als Leihoma.

 

„Meine Mutter und die Mutter meines Mannes sind noch vor Lukas’ Geburt gestorben, der Rest der Familie wohnt weit weg. Aber ich wollte, dass meine Kinder trotzdem mit einem Oma-Gefühl aufwachsen“, berichtet Mama Beatrix. Sie las von dem Leihoma-Projekt des Kinderschutzbundes Leonberg und meldete sich. Schon beim ersten Treffen funkte es zwischen der jungen Familie und Leihoma Gerda. „Ich habe sie gerade mal eine Minute gesehen. Anna-Lena hat sie einfach an die Hand genommen und mit ins Kinderzimmer genommen“, erzählt die Mutter über das erste Treffen.

Kooperation mit der Familienbildungsstätte

Im vergangenen Jahr hat der Kinderschutzbund das Projekt neu belebt. In Zusammenarbeit mit der Familienbildungsstätte werden Schulungen angeboten, die anderthalb Tage dauern. Die nächste findet am 14. und 15. November statt und heißt „Ein Koffer voller Lebenserfahrung sucht Familienanschluss“. Denn profitieren sollen beide Seiten. „Bei vielen Familien wohnen die Großeltern am anderen Ende von Deutschland oder es sind gar keine Großeltern mehr da“, sagt Melanie Kürschner, Sozialpädagogin beim Kinderschutzbund.

So ging es auch Mama Beatrix: „Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich in Leonberg richtig Anschluss gefunden habe. Ich hätte gedacht, dass das mit Kindern schneller geht.“ Sehr oft meldeten sich auch alleinerziehende Mütter, die weder auf Großeltern noch einen Partner zurückgreifen können. Umgekehrt soll die Leihoma-Initiative genauso helfen: Die eigenen Enkel wohnen weiter weg, es gibt noch keine oder sie sind schon erwachsen.

Gerda zum Beispiel hat eine Tochter, aber noch keine Enkel. „Als ich in Rente ging, habe ich mir überlegt, was ich mit meiner Zeit anfangen will. Ich mag Kinder sehr und habe mich deshalb beim Kinderschutzbund gemeldet“, erzählt die Seniorin. Für Anna-Lena und Lukas ist sie nicht „Oma“, sondern einfach nur Gerda. „Ich möchte, dass unsere Mütter als Omas gesehen werden, auch wenn sie schon tot sind“, begründet Mama Beatrix. „Das käme mir auch komisch vor“, pflichtet Gerda ihr bei. Aber das könne jede Familie für sich selbst entscheiden, sagt die Sozialpädagogin Kürschner. Genauso die Bezahlung der Leihomas. Zwar gebe es eine Empfehlung des Kinderschutzbundes. Aber manche Senioren wollten gar kein Geld, andere könnten es nicht annehmen, weil es auf die Rente angerechnet werde. Die Familie zahlt indes einmalig 20 Euro für eine Vermittlung. Zwischen Familie und Leihoma verhandelt wird auch die Zeit, die sie mit den Kindern verbringt.

Erweitertes Führungszeugnis ist notwendig

Um Leihoma oder -opa zu werden, benötigen die Senioren ein erweitertes Führungszeugnis. „Dafür bekommen sie ein Schreiben von uns, damit sie es kostenlos im Bürgeramt holen können“, sagt Kürschner.

Mittlerweile hat der Kinderschutzbund schon 15 Leihomas in der Region Leonberg vermittelt, die Nachfrage von Familien ist aber noch größer. Die reicht von Magstadt bis Gerlingen, von Leonberg bis Weissach. „Wir haben auch ein Ehepaar, das als Leihgroßeltern an eine Familie mit zwei Kindern vermittelt wurde“, berichtet Melanie Kürschner vom Kinderschutzbund. Gesucht werden aber auch Leihopas. „Es ist gerade für Jungen wichtig, dass sie männliche Bezugspersonen haben. Im Kindergarten und der Grundschule gibt es ganz oft nur Frauen“, erklärt die Sozialpädagogin.