Am Nordportal befindet sich eines von zwei Betriebsgebäuden. Von hier aus erfolgen Wartungsarbeiten. Zudem ist es Anlaufstelle für die Feuerwehr, nicht nur im Notfall. Doch im Grunde funktioniert alles ohne menschlichen Einfluss.

Leonberg - Die Tür des kleinen, weißen Containers ist unerwartet schwer. Dahinter verbirgt sich auch kein Büro. Stattdessen führt eine breite geflieste Treppe hinab auf „Level C“, wie ein Schild anzeigt. Hier, direkt unter der Erde, befindet sich das Betriebsgebäude Nord des Engelbergtunnels, des größten Autobahntunnels in Baden-Württemberg.

 

Wäre der Engelbergbasistunnel ein Lebewesen, so befänden sich hier seine Augen und Ohren, seine Nervenbahnen und Adern, sein Zwerchfell und seine Lungen. Auf drei Ebenen liegt das Betriebsgebäude direkt am Nordportal zwischen den beiden Tunnelröhren. Von hier aus gelangt man in den Tunnel, in die Zu- und Abluftröhren, die unterhalb der Autobahn verlaufen, zu den riesigen Windturbinen, die Rauch und Nebel absaugen.

Die Gänge und Räume auf Level C und B sind menschenleer. „Hier kommt sonst nie jemand her, außer wenn etwas gewartet wird“, sagt Dominic Hörner. Der stellvertretende Leiter der Autobahnmeisterei Ludwigsburg, die für den Tunnel zuständig ist, ist an diesem Tag auch nur gekommen, um Reporter und Fotograf herumzuführen. „Der Tunnel arbeitet völlig selbstständig“, meint Hörner und öffnet die Tür zum Überwachungsraum. Von hier aus lässt sich theoretisch alles im Tunnel steuern. Praktisch übernimmt diese Arbeit jedoch ein Computer, der in der Verkehrsrechnerzentrale in Stuttgart-Feuerbach steht.

Auf den zwei Bildschirmen wechseln sich Bilder der insgesamt 77Überwachungskameras ab, die vor und im Tunnel installiert sind. „Am Anfang waren es nur vier an den Portalen und 26 im Tunnel“, berichtet Dieter Käß, der seit 35 Jahren Betriebselektriker bei der Autobahnmeisterei ist. Damals blieben 300 Meter nicht überwacht. „Aber dann gab es diese Tunnelbrände, zum Beispiel in der Schweiz. Also wurde nachgerüstet.“

Auf fünf weiteren Monitoren werden Messdaten und Grafiken angezeigt. An der Wand darüber hängt eine große Tafel, die den Grundriss des Tunnels zeigt. Dominic Hörner zeigt auf verschiedene Lämpchen. „Das hier sind die Schilderbrücken in den Tunneln“, sagt er. Je nachdem, welche Geschwindigkeitsbegrenzung gerade gilt, leuchtet das entsprechende Lämpchen auf der Tafel. Welche das ist, darüber entscheidet das Computerprogramm je nach Verkehrslage. Etwa 140 000 Fahrzeuge strömen täglich durch die Tunneladern – je Richtung. Der Schwerlastverkehr hat dabei einen Anteil von 15 bis 20 Prozent.

„Manuell greifen wir nur ein, wenn wir beispielsweise eine Baustelle im Tunnel haben“, sagt Dieter Käß. Oder wenn Wartungsarbeiten im Tunnel stattfinden. So muss der Elektriker alle zwei Jahre mit seinen Kollegen alle 500 Lampen in den Röhren kontrollieren und die Birnen austauschen. „Selbst wenn der Strom mal ausfallen sollte, brennt das Licht im Tunnel noch bis zu vier Stunden“, erklärt Käß und öffnet die Tür zu einem weiteren Raum. Auf drei hohen Regalen stehen 192 Batterien.

Alles im Engelbergtunnel ist doppelt und dreifach abgesichert gegen Not- und Ausfälle. Doch der Ernstfall wurde bisher allenfalls geprobt. Etwa vor zwei Jahren, als bei einer Katastrophenschutzübung ein Massenunfall mit brennenden Autos nachgestellt wurde. Regelmäßig kommen die Feuerwehren aus Leonberg, Gerlingen und Ditzingen, um ihre Leute für den Einsatz im Engelbergtunnel zu schulen.

„Der Kontakt zur Feuerwehr ist hervorragend“, meint Dominic Hörner von der Autobahnmeisterei und zeigt auf eine weitere Tafel. Magnetische Namensschilder zeigen hier an, welche Personen sich wo im Gebäude oder im Tunnel befinden. „Dann weiß die Feuerwehr gleich Bescheid.“ Sollte es tatsächlich einen Brand in einer der Röhren geben, so stellen das die Sensoren sofort fest und übermitteln es an den zentralen Rechner. „Dann läuft alles automatisch ab, wie der Lüftungstechniker das damals programmiert hat“, erklärt der Elektriker Dieter Käß.

So würden etwa drei riesige Turbinen in Gang gesetzt, die sich am Nordportal zwischen den Röhren befinden. Sie saugen den Rauch aus den Tunneln und leiten ihn nach oben ab. Doch nicht nur den. „Im Herbst kommt es schon mal vor, dass Nebel in die Röhren zieht. Aber auch wenn die Bauern Getreide ernten, kann es vorkommen, dass der Staub in den Tunnel zieht“, erzählt Hörner. Die größte Turbine befindet sich jedoch unter der Fahrbahn. Sie sorgt für Zuluft, erläutert er. „Diese Maschine hat damals eine Million Euro gekostet und sie hat eine Leistung von 1000 PS.“ Eine äußerst starke Lunge.

Wenn es brennt, würden die Röhren sofort für den Verkehr gesperrt, Durchsagen und Notfallanzeigen an die Radios der Fahrzeuge im Tunnel geschickt und Durchsagen gesendet, erklärt Hörner. „Wir hoffen, dass wir das nie wirklich erleben.“

Fakten: Von der Spitze an die Basis

Engelbergbasistunnel:
Die Oströhre wurde gemeinsam mit dem neuen Autobahndreieck Leonberg am 11. September 1998 für den Verkehr freigegeben, der fortan in beiden Richtungen zweispurig hindurch rollte. Die Weströhre folgte am 31. August 1999. Damit wurde der alte 318 Meter lange Engelbergtunnel abgelöst, der 1938 fertiggestellt worden war. Im Zweiten Weltkrieg wurden dort Messerschmitt-Flugzeuge von etwa 10 000 Zwangsarbeitern montiert. Kurz vor Kriegsende wurden die Röhren gesprengt. Erst nach und nach wurden die Tunnel wiederhergestellt.

Langer Weg: Die Planungen für den Basistunnel hatten bereits 1970 begonnen. 1977/78 wurde ein 1000 Meter langer Probetunnel gebohrt, bevor schließlich 1981 ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde. Die Bauarbeiten begannen schließlich im Juli 1995, die fünf Jahre dauerten.

Sanierung: Wegen der schwierigen geologischen Lage wurde der neue Tunnel bereits mehrfach saniert. Zum einen hat das Bergwasser einen hohen Sulfatgehalt, welches den Beton angreift. Zum anderen führen die Röhren durch Schichten von quellendem Gestein. Nach Auskunft des Regierungspräsidiums Stuttgart wird derzeit an der nächsten Sanierungsphase geplant, die wohl 2016/17 stattfinden wird. Zudem werde der Tunnel fortlaufend auf den neuesten Stand der Technik gebracht.

Daten: Die Röhren sind jeweils 2530 Meter lang. Es gibt sieben Querschläge, die beide verbinden und als Rettungswege dienen. Sie liegen maximal 340 Meter auseinander. Die Baukosten beliefen sich auf etwa 850 Millionen DM, die plus Zinsen bis 2014 abgezahlt wurden (insgesamt 1,24 Milliarden DM).