Die Tränen einer tapferen Frau in einem kurzen Moment der Schwäche haben den über 1300 Demon­s­tranten auf dem Leonberger Marktplatz eindrücklich vor Augen geführt, worum es eigentlich geht. Und zwar um die begründeten Sorgen Zehntausender Bürger, dass das Krankenhaus Leonberg zu einem Verschiebebahnhof degradiert wird.

Leonberg - Die Tränen einer tapferen Frau in einem kurzen Moment der Schwäche haben den über 1300 Demonstranten auf dem Leonberger Marktplatz eindrücklich vor Augen geführt, worum es eigentlich geht. Und zwar um die begründeten Sorgen Zehntausender Bürger, dass das Krankenhaus Leonberg zu einem Verschiebebahnhof degradiert wird und dass damit fachliche Kompetenz, Nähe und vor allem menschliche Zuwendung auf der Strecke bleiben.

 

Martina Gerhold ist diese tapfere Frau. Seit 2009 Krebspatientin, acht Chemotherapien, sechs Operationen, zahlreiche Bestrahlungen – sie weiß, was sie an „ihrer“ Leonberger Klinik hat. „Wenn es mir ganz dreckig ging, dann haben mich die Ärzte, die Schwestern und Pfleger aufgefangen und aufgerichtet.“ Die Vorstellung, dass es das nicht mehr geben könnte, hat sie am Samstag vor ihren Mitbürgern in Tränen ausbrechen lassen. Dabei ist Martina Gerhold eine Frau, die es in nur fünf Wochen geschafft hat, mehr als 30 000 Unterschriften für das Krankenhaus zu sammeln. So erstaunt es nicht, dass sie allen aus dem Herzen sprach, als sie der Menge zurief: „Wir geben niemals auf und kämpfen für unser Krankenhaus – wenn es sein muss, findet die nächste Demonstration in Böblingen statt.“

Kritik aus der ganzen Gesellschaft

„Wir können nicht länger tatenlos zusehen, wie mit unserem Krankenhaus umgegangen wird und wie über unseren Köpfen politische Entscheidungen getroffen werden, die uns schaden“, sagte Eva Ott. Die Vorsitzende des Galerievereins hat ganz spontan die Demonstration organisiert. „Wir haben ein gemeinsames Ziel und kämpfen für den Erhalt des Krankenhauses mit allen seinen Hauptabteilungen, und zwar unter der Leitung von Chefärzten“, forderte sie.

Ein kämpferischer Leonberger Oberbürgermeister Bernhard Schuler erinnerte die Demo-Teilnehmer daran, dass es in Leonberg war, wo die Bürger 1514 aufbegehrten, weil auch damals die Obrigkeit die Bodenhaftung verloren hatte. Mit dem Ergebnis, dass die Widerstandsbewegung „Armer Konrad“ Württemberg erschütterte. „Das Wichtigste in einem Krankenhaus sind seine Patienten, und die brauchen Nähe, Zuwendung, kurze Wege und eine gute Medizin, und das wollen wir langfristig gesichert haben“, machte Schuler deutlich.

„Wir stehen hinter euch, wir werden nicht nachlassen und uns von hohlen Versprechungen einlullen lassen!“, rief Schuler der Belegschaft der Klinik zu. Noch nie habe er in seiner mehr als 20 Jahre langen Wirkungszeit in Leonberg vor einer so großen Zahl Bürger gleichzeitig gesprochen. Aber das zeige deutlich, wie sehr die Bürger hinter ihrem Krankenhaus stehen. Und das mache ihn stolz.

Drei klare Forderungen in Richtung Landkreis gebe es: Die Chefarztstelle in der Gastroenterologie müsse unverzüglich besetzt werden. Wenn die Gynäkologie keinen Chefarzt bekommt, müsse die Abteilung trotzdem eine klare Zukunftschance mit einem eigenständigen Profil haben. Und nicht zuletzt: „Bevor es eine Flugfeld-Klinik gibt, müssen klare und belastbare Aussagen gemacht werden, die unseren Standort sichern“, sagte Schuler.

Kritik an den Gutachten

„Der Wert eines Krankenhauses wird nicht an der Bilanz abgelesen, sondern er bedeutet Lebensqualität, und nicht zuletzt ist er ein wichtiger Standortfaktor“, machte Martin Koppenburg, der Sprecher des Leonberger Business Network, den Standpunkt der örtlichen Wirtschaft deutlich.

„Die Gutachten und Pläne sind voller Luftbuchungen, und sie strotzen vor Fehlern und falschen Annahmen“, hielt Robert Heger, der Sprecher der Leonberger Ärzteschaft, nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg. Zu Recht mache man sich ernste Sorgen um die Zukunft der stationären Behandlung im Altkreis Leonberg, die weiterhin eng verzahnt mit der ambulanten Behandlung bleiben müsse. „Was hier geschaffen werden soll, das sind unhaltbare Zustände und kein tragfähiges Konzept, es ist letztendlich ein Ausblutenlassen am langen Arm“, mahnte Heger.

Das Gutachten und das medizinische Konzept von Teamplan hat Roman Weiske mit Zahlen und Fakten in seiner ausführlichen Rede vor den Demonstranten zerpflückt. Und er weiß, wovon er spricht, denn Weiske war lange Jahre der Ärztliche Direktor des Leonberger Krankenhauses. „Leonberg ist keine kleine Feld-, Wald- und Wiesenklinik , sondern ein leistungsfähiges Krankenhaus“, sagte Weiske. Werde aber das vorgeschlagene Konzept umgesetzt, werde Leonberg so hohe Verluste einfahren, dass Politik und Träger dann leicht eine Schließung begründen können. „Ein wie auch immer geartetes Zentralklinikum wird allerdings nicht von dieser Entwicklung profitieren“, so das Fazit von Weiske.

Die Solidarität der Nachbarkommunen aus dem Altkreis überbrachte der Rutesheimer Bürgermeister Dieter Hofmann. „Jetzt heißt es, klug zu taktieren und keine überzogenen Forderungen zu stellen“, gab der Freie-Wähler-Kreisrat den Demonstranten mit auf den Nachhauseweg. Seine Kollegen im Kreistag erinnerte Hofmann daran: „Die Geschäftsgrundlage für eine Großklinik war immer der dauerhafte Erhalt der anderen Krankenhäuser.“