Stadtteil-Spaziergang: Zwischen Leonberg und Eltingen gab es einst nur Äcker und die Gipsgrube. In den 70er Jahren wurde hier die Neue Stadtmitte geplant und gebaut. Die Mitglieder der Bürgergemeinschaft Neues Stadtzentrum sind stolz auf ihr Zuhause.

Leonberg - Der Start dieses Stadtteilrundgangs hat es in sich: Er fängt im 18. Stock an. Hier, im Hochhaus „Leo1“, wohnt Frank Wilhelm, der Vorsitzende der Bürgergemeinschaft Neues Stadtzentrum Leonberg, kurz BNL. Und bevor es ans Eingemachte geht, wird der Gast auf den Balkon gebeten. Der Ausblick ist fantastisch: Unten links der Stadtpark, der plötzlich nicht größer als ein Fleckchen Rasen ist. Geradeaus das versetzt stehende Hochaus „Leo2“, dahinter Eltingen, die Feinau und der Berg hoch nach Warmbronn. Rechts unten das Leo-Center und der Neuköllner Platz, in der Ferne die unzähligen Häuserreihen des Ezach. Ein Leonberg im Miniaturformat überblickt man von hier oben.

 

Die meisten Mitglieder der Bürgergemeinschaft wohnen in einem der Hochhäuser, die in den 70er Jahren entstanden sind. Damals topmodern und fortschrittlich. Doch heute sind die riesigen Betonblöcke – das Wort „Plattenbau“ ist verpönt – vielen Leonbergern ein architektonisches Graus. „Wir mögen unsere Stadtmitte nicht nur, wir verteidigen sie auch“, meint der BNL-Vorsitzende Wilhelm dazu. Der Wirkungsbereich der Bürgergemeinschaft sei aber nicht nur auf die Hochhäuser begrenzt. Vom Schulzentrum bis zur Stadthalle, vom Stadtpark bis zum Rathaus und dem Reiterstadion gehöre alles dazu.

Ein Blockheizkraftwerk statt 360 Öfen

Sein Stellvertreter Karl Marquardt konnte sich früher nie vorstellen, hier zu wohnen. „Aber dann ist 1983 meine Mutter hier hergezogen und wir haben einen Zugang dazu gefunden“, erzählt er. Heute würden die Hochhäuser wohl so nicht mehr genehmigt werden. „Doch stellen Sie sich einmal vor, es wären statt der 360 Wohnungen in Leo 1 und 2 genauso viele Einfamilienhäuser gebaut worden. Jedes mit eigener Heizung, eigenen Anschlüssen und so weiter“, merkt Wolfhard Joswig an, der ebenso wie Bernd Schlenker zum Rundgang gekommen ist. Joswig ist BNL-Mitglied, außerdem Vorsitzender des Verwaltungsbeirates von „Leo1“. Stattdessen gibt es hier nur einen Schornstein. Ein Blockheizkraftwerk versorgt nicht nur die Hochhäuser mit Wärme, sondern auch das Leo-Center.

Ohne das Center ist die Neue Stadtmitte nicht vorstellbar. Umgekehrt genauso. „Das Leo-Center ist unsere Spielwiese. Im Grunde ist es das eigentliche Zentrum von Leonberg“, sagt Karl Marquardt. Das mit dem Zentrum und der Mitte ist eben so eine Sache. „Als wir uns damals gegründet haben, durften wir uns nicht Stadtmitte nennen, deshalb heißen wir Stadtzentrum“, erklärt der Vereinschef Wilhelm. Genauso wehre man sich aber gegen die Bezeichnung Stadtmitte für das Stadtumbaugebiet am Neuen Rathaus und dem ehemaligen Bausparkassenareal.

Mehr Leben auf dem Bürgerplatz

Der Bereich hinter dem Leo-Center mit der Volkshochschule und dem Bürgerzentrum ist Privatgrund, er gehört zu der Eigentümergemeinschaft der Leo-Hochhäuser. Dennoch wird er von den Leonbergern wie ein öffentlicher Platz genutzt – mit allen negativen Begleiterscheinungen wie Müll und Lärm. Der Fußgängersteg zum Kinderhaus am Stadtpark und der Stadthalle hingegen ist öffentlicher Grund – und für die BNL aufgrund seines kaputten Zustands ein großes Ärgernis. Dieses setzt sich fort auf dem Bürgerplatz. „Außer dem Christbaumverkauf und einem gelegentlichen Flohmarkt ist hier nichts los“, kritisiert Marquardt. Dabei sei der Platz schön. Vor vielen Jahren habe man einmal ein Weindorf oder ähnliche Veranstaltungen angeregt. Vergebens. Auch sei der Bürgerplatz ungepflegt. An vielen Ecken und Enden wuchert Unkraut, hier und da fehlt ein Pflasterstein, die verglasten Überdachungen sind verdreckt und gesprungen.

Zum Teil positiv entwickelt habe sich die Situation im Stadtpark, seitdem die gemeinnützige Firma Fish dort im Auftrag der Stadt für Sauberkeit sorgt. Doch für die BNL ist es zu kurz gedacht, den Müll einfach nur wegzuräumen. „Da müsste auch das Ordnungsamt mehr gegen den wilden Müll tun“, findet der stellvertretende BNL-Chef. In Sachen Sauberkeit müsse sich aber auch beim nahegelegenen Seniorenheim am Parksee etwas tun. „Die Balkone sind voller Taubenkot und ganz zugewachsen. So was kann man den alten Menschen doch nicht zumuten“, findet BNL-Mitglied Joswig.

Das Sorgenkind heißt Leo2000

Redebedarf sieht die Bürgergemeinschaft auch beim geplanten Mehrgenerationenspielplatz. Der frühere Spielplatz hatte dem Kinderhaus-Neubau weichen müssen. Nun sollen auch Fitness-Geräte und Spielflächen wie etwa ein Boule-Platz die ältere Generation zur Bewegung animieren. Es solle aber nicht noch mehr Fläche vom Stadtpark weggenommen werden. Außerdem spricht sich die BNL für eine Toilette in der Nähe aus. Das Leo-Center sei zu weit weg und sonn- und feiertags geschlossen.

Weiter geht es zur Neuköllner Straße. Hier stören vor allem die vielen Falschparker. „Oft kann der Bus nicht in seiner Haltebucht halten und blockiert dann die Straße. Der übrige Verkehr muss ausweichen – da sind schon gefährliche Situationen entstanden“, erzählt Karl Marquardt.

Ein großes Sorgenkind der Bürgergemeinschaft ist das „Leo2000“-Gebäude. Das Einkaufszentrum steht zu großen Teilen leer, das Haus ist nicht besonders ansehnlich. „Das war von Anfang an eine Totgeburt. Die Menschen haben nicht mal einen richtigen Zugang zum Gebäude“, meint der BNL-Vize. Auf dem Parkplatz dahinter soll eine kombinierte Wohn- und Geschäftsanlage entstehen, bestehend aus vier einzelnen Gebäuden, die im Fußgängerbereich verbunden sind. „Das ist ein bisschen fantasielos“, bemängelt Wolfhard Joswig. So ganz unpassend ist es für die Umgebung aber nicht. Für die BNL-Mitglieder zählen statt der „äußeren“ aber eher die „inneren“ Werte ihres Reviers. „Wir haben hier alles in der Nähe: Geschäfte, Wochenmarkt, Ärzte, Stadthalle, Stadtpark, Hallenbad, Rathaus, Schulen und Bushaltestellen. Alles nah und barrierefrei. Besser geht es nicht“, findet BNL-Mitglied Bernd Schlenker.

Hier sieht die BNL Handlungsbedarf

Lärm und Dreck hinter dem Leo-Center

Nein, Bänke seien hier nie montiert gewesen. Spitze Metallkonstruktionen sorgen dafür, dass sich auch keiner auf die niedrigen Mauern setzen kann. Auch wenn es wie ein öffentlicher Platz wirkt, so ist die Fläche hinter dem Leo-Center Privatgrund. Und direkt im ersten Obergeschoss sind Wohnungen. Doch immer wieder sorgten Jugendgruppen für abendlichen Lärm und Unmut. Auch die Beete müssen jeden Tag von Essens- und Verpackungsmüll gereinigt werden. All das geht auf Kosten der Lebensqualität der Bewohner – und ins Geld.

Stolperfallen und kaputte Überdachungen

Der Steg zum Kinderhaus ist mit Holzbohlen belegt. „Die sind aber ganz ausgelatscht und uneben. Dafür gibt es geeignetere Beläge“, sagt BNL-Mitglied Wolfhard Joswig. Ebenso ärgert die Bürgergemeinschaft der Zustand der verglasten Überdachungen. Ein paar fehlen ganz, die meisten sind gesprungen und verdreckt. „Das ist oft ein Problem in Leonberg. Die Stadt lässt alles schön herrichten, aber dann fehlt die Pflege“, meint Joswig. Vermehrte Nachfragen bei der Verwaltung, auch seitens von Gemeinderäten, hätten keine Verbesserungen gebracht.

Trenn- oder Radstreifen in der Römerstraße?

Bei diesem Thema sind sich die BNL-Mitglieder uneins. Soll die Mitteltrennung in der Römerstraße weg und dafür auf der im Bild rechten Seite ein kombinierter Rad- und Fußweg ausgebaut werden oder nicht? „Ich finde ihn gut, vor allem für die Verkehrssicherheit“, meint Bernd Schlenker. „Aber nur dann gibt es genügend Platz für den Radstreifen“, sagt Karl Marquardt. Dieser würde vor allem den Schülern aus dem Ramtel mehr Sicherheit bieten, die mit dem Rad ins Schulzentrum fahren. Allerdings gibt es einen solchen Weg bereits auf der anderen Straßenseite.

Mehrgenerationen-Spielplatz

Wo soll er nun hin, der Mehrgenerationen-Spielplatz für die ganz Kleinen und die Senioren? Dass der einzige noch bestehende Spielplatz vor dem „Leo2“ dann wegkommt, findet die BNL schade. „Aber wir freuen uns natürlich, dass etwas Neues kommt“, sagt Karl Marquardt. Die BNL würde bei dem Thema gern mehr mitreden, solange noch nichts endgültig beschlossen ist. Sie spricht sich dafür aus, dass die Bereiche für Jung und Alt miteinander verbunden sind, gleichzeitig aber nicht noch mehr Stadtparkfläche verloren geht.

Das ist die Bürgergemeinschaft Neues Stadtzentrum

Geschichte
Gegründet wurde die Bürgergemeinschaft (BNL) 1999. Sie ist hervorgegangen aus dem Arbeitskreis Verkehrsentlastung Neue Stadtmitte, der seinerzeit anlässlich der Bürgerbeteiligung am Leonberger Verkehrsentwicklungsplan ins Leben gerufen worden war. Aus dieser Zeit stammen auch zwei zentrale Themen der Bürgergemeinschaft: die erhebliche Verkehrsbelastung der Stadtmitte als Verkehrsknotenpunkt und den daraus resultierenden Schadstoff- und Lärmimmissionen sowie der „Mülltourismus“ zum Wertstoffhof Leonberg. Ziel der BNL ist es, ein angenehmes Wohnumfeld in der Stadtmitte zu schaffen. Aber auch Infrastruktur und Wirtschaft sollen erhalten und gefördert werden, so auch der Stadtpark und die Sportstätten.

Struktur
Derzeit hat die BNL etwa 50 Mitglieder. 15 Euro pro Person jährlich kostet die Mitgliedschaft. Frank Wilhelm ist seit der Gründung der Vorsitzende. Seit Stellvertreter ist derzeit Karl Marquardt.

Angebote
Der Verein bietet regelmäßig Stammtische zu aktuellen Themen an, aber auch Experten-Vorträge. Daneben gibt es gemeinsame Unternehmungen wie etwa Spieleabende oder einen vereinsinternen Kegelclub. Ein Internetauftritt der Bürgergemeinschaft ist derzeit noch in Arbeit.