Beim Informationstag an der sonderpädagogischen Pestalozzischule ist das Interesse groß. Fast 80 Prozent der Absolventen wechseln an die Kooperationsklasse am Berufsschulzentrum . Dort machen sie den Hauptschulabschluss.

Leonberg - Man sieht sie nicht. Man hört sie nicht. Aber sie ist da, und sie schränkt die Chancen im Leben erheblich ein. Die Rede ist von einer Entwicklungsstörung, der Auditiven Wahrnehmungsstörung. Werden Kinder mit dieser Diagnose rechtzeitig und professionell gefördert, steht einem praxisorientierten Berufsleben nichts im Weg. Doch was verbirgt sich hinter der Diagnose, und wie werden Schüler mit diesem Handicap gefördert? Aufklärung gab ein Informationsabend der Pestalozzischule, eine der sieben Förderschulen im Bereich des Staatlichen Schulamts Böblingen.

 

Vor dem Hintergrund der Schulreform und des Inklusionsgedankens ist es der Schulleiterin Beate Bantlin-Wildt wichtig, den speziellen Auftrag der Förderschule deutlich zu machen. „Unsere Schüler haben eine geringe Gedächtnisleistung, sie können Zusammenhänge schwer herstellen. Sie haben Organisationsdefizite und können nicht strukturiert arbeiten“, erklärt sie. „Sie lernen nicht durch abstraktes Denken, sondern praxisbezogen, sie müssen Lerninhalte durch Anfassen und Erleben erfahren. Ihr Wahrnehmungskanal ist nicht die Sprache“, erläutert die Rektorin.

Praxisorientierte Aufgaben sind wichtig

Die Kinder der Pestalozzischule haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf mit dem Schwerpunkt Lernen. Mit vielen Wiederholungen in allen Bereichen und vor allem mit praxisorientieren Aufgaben unterrichten die Pädagogen ihre Schüler.

„Beim Einführungsfilm heute Abend hätten Sie den Eindruck gewinnen können, wir würden hier nur spielen“, wendet sich Bantlin-Wild an die Besucher in der vollen Schulaula und lacht. „Aber wenn unsere Schüler Kostüme für die Schulaufführung schneidern, dann lernen sie nicht nur Nähen. Sie rechnen auch aus, wie viel Stoff sie brauchen und üben so ganz praxisbezogen rechnen“, nennt sie ein Beispiel.

In der Pestalozzischule genießen die Schüler einen Schonraum, eine berechenbare Umgebung. „Die Lernerfolge unserer Schüler sind kleinschrittig und hängen ganz erheblich von der individuellen Förderung ab. Dazu braucht es kleine Klassenverbände und vor allem dauerhafte Bezugspersonen. Die sind enorm wichtig für den Lernerfolg“, stellt Konrektorin Doris Maier fest. Am erfolgreichsten sind die Schüler, wenn sie schon ab der ersten Klasse die Förderschule besuchen und konsequent in ihrer Schullaufbahn gefördert werden. Ob ein Kind trotzig ist und einfach nicht hören will oder tatsächlich an einer Entwicklungsstörung leidet, wird sehr sorgfältig durch Tests und Beobachtung geprüft. Die Diagnose stellt der Sonderpädagogische Dienst. Der wird oft schon im Kindergarten hinzugezogen, wenn ein Kind auffällige Probleme mit dem Sprechen oder dem Zuhören hat.

Ziel: Schülern ein eigenständiges Leben ermöglichen

Das Konzept der Leonberger Förderschule ist erfolgreich. Knapp 80 Prozent der Schüler wechseln nach der 9. Klasse mit dem Förderschulabschluss in die Kooperationsklasse des Berufsschulzentrums, um dort den Hauptschulabschluss zu machen. Danach starten die Schüler ins Berufsleben. „Viele lernen beim Daimler, aber auch im hauswirtschaftlichen Bereich oder im Gesundheitswesen sind unsere ehemaligen Förderschüler erfolgreich“, freut sich Maier. Denn das Ziel der Schule ist es, die Schüler auf dem ersten Arbeitsmarkt zu etablieren und ihnen ein eigenständiges Leben zu ermöglichen.

Erste Schritte im gemeinsamen Unterricht in Inklusionsklassen der Regelschulen in Renningen, mit der die Pestalozzischule bereits zusammenarbeitet, zeigen ebenfalls Erfolge. Doch ersetzt die gelebte Inklusion nicht die Förderschule, davon sind Bantlin-Wild und auch ihr Team überzeugt: „Die Gemeinschaftsschule und die Inklusion sind ein lange überfälliger Schritt und eine wirklich gute Sache. Aber sie funktioniert nur, wenn auch genügend gut ausgebildete Pädagogen und Sonderpädagogen die Schüler begleiten. Doch so weit sind wir noch lange nicht.“