Die Jugendlichen des Seehauses sammeln im Mahdental Müll ein. Durch die gemeinnützige Arbeit sollen sie den Weg in ein straffreies Leben finden. Im Knast lerne man das Schlechte, im Vollzug in freien Formen dagegen das Gute, sagen die Jungs.

Leonberg – Ein großes Ungetüm aus Plastik, das wohl mal rot gewesen sein muss, bevor es vergessen wurde, liegt am Ufer der Glems. Sandro entdeckt es als Erster und zückt seinen blauen Müllsack. Er ist einer der Jugendlichen aus dem Seehaus, die sich am Samstagvormittag an der Müllsammel-Aktion im Mahdental beteiligen. Zwölf Jungs, die derzeit im Seehaus im Vollzug in freien Formen ihre Strafe absitzen, machen mit. Mit Müllzangen und -tüten, die der Bauhof gestellt hat, schwärmen sie aus und sammeln Flaschen und Kippen ein. Und das rote Ungetüm. „Ich glaube, das ist ein Schlauchboot“, stellt Aaron fest. Aaron ist zusammen mit seinem Papa Andreas Ziegner, einem Ausbilder im Seehaus, gekommen und genauso eifrig wie sein kleiner Bruder Erik bei der Flurreinigung dabei. „Wir haben schon eine Patronenhülse gefunden“, berichten sie und analysieren fachmännisch: „Die muss hier wohl ein Jäger verschossen haben.“ Der Papa erklärt derweil den pädagogischen Hintergrund der Aktion: „Die Jungs sollen lernen, dass auch eine gemeinnützige Arbeit Spaß machen kann “, sagt er. Deshalb ist die Teilnahme am Samstag auch keine Pflicht, es sind trotzdem alle dabei.

 

Ein herzlicher Empfang

Sandros Kumpel Egzon versucht sich mit einer kleinen Gartenschere am Schlauchboot. Egzon ist noch ganz neu in Leonberg – erst vor sechs Wochen durfte er das Gefängnis Adelsheim verlassen, um in Leonberg seine Strafe zu Ende zu verbüßen. „Es ist ganz toll hier“, sagt er, „ich wurde herzlich aufgenommen.“ Im Seehaus fühlt sich Egzon viel besser auf das Leben „draußen“ vorbereitet, denn „wir spüren überhaupt nicht, dass wir in Haft sind. Die Leute sehen uns als normale Mitbürger an.“ Das ist für Ausbilder Andreas Ziegner auch einer der Gründe für die heutige Müllsammel-Aktion. „Die Leonberger sollen merken, dass auch von straffälligen Jugendlichen etwas Gutes ausgehen kann“, sagt er.

Sandro ist bereits seit neun Monaten im Seehaus und hat daher schon Erfahrung mit der gemeinnützigen Arbeit hier. „Besonders viel Spaß macht unsere Graffitifeuerwehr“, erzählt er. Das ist eine Aktion, bei der die Jugendlichen illegale Graffiti entfernen. „Aber leider haben wir dafür im Moment etwas wenig Aufträge.“ Hier in der Natur ist Sandro ein Experte, macht er doch eine Ausbildung zum Gärtner. „Deshalb bleibe ich auch freiwillig bis zum Sommer im Seehaus“, denn die Strafe hat er eigentlich bald abgesessen. Auch die Nachbarn, die Garten- und Landschaftsbauer der Firma Kriesten, helfen den Jungs. „Vor allem das Hochwasser im Juli hat viel Müll hier herangeschwemmt“, berichtet Geschäftsführer Markus Ploppa, der wie seine zwölf Mitarbeiter an der roten Warnweste schon von Weitem gut zu erkennen ist. „Meine Mannen arbeiten hier heute alle ehrenamtlich“, sagt er stolz.

Straftaten, um Aufmerksamkeit zu bekommen

Auch die Sonne strahlt vom Himmel. Ein herrlicher Frühlingstag, gerade „rechtzeitig, bevor das Gras anfängt zu wachsen“, sagt Andreas Ziegner. Scherben und Papier füllen die blauen Säcke der fleißigen Schaffer und es wird klar, was Egzon meint, wenn er sagt: „Im Knast lernt man das Schlechte, hier im Seehaus aber lernt man das Gute.“ Auch laut Andreas Ziegner brauchen die Jugendlichen die positive Rückmeldung. „Wenn sie auf diese Weise Lob und positive Bestärkung bekommen, sind sie auf Straftaten nicht mehr angewiesen.“ Die begehen seiner Meinung nach viele nämlich nur, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Bleibt das Problem mit dem alten roten Schlauchboot. Andreas Ziegner zieht schließlich den weisen Schluss: „Da müssen wir wohl den Schlepper holen“, ruft er.