In einer Zeit der wirtschaftlichen Notlage sollte ein weiterer Markt die klamme Stadtkasse ein wenig auffüllen. Heute macht ein Mix aus Fach- und Sportprogramm, Tradition und Unterhaltung den Charme des regional beliebten Pferdemarkts aus.

Leonberg - Was kommt heraus, wenn man, diplomatisch formuliert, eine Falschinformation für die Obrigkeit mit einem Bürgerbegehren vermischt? Und dann das Ganze noch mit der schwäbischen Lebenseinstellung garniert, die besagt, dass man auf keinen Fall das Jammern vergessen sollte? Schwer zu glauben, aber das ist das Erfolgsrezept für eine Attraktion, die seit 331 Jahren aus dem Leben der Stadt nicht mehr wegzudenken ist – der Leonberger Gaulsmärkt im Februar.

 

Keine 40 Jahre nach dem Ende des „Dreißigjährigen Krieges“ ( 1618-1648), der Tod und Verderben über Europa gebracht hatte und insbesondere für den süddeutschen Raum eine Katastrophe war, lagen auch in Leonberg die Wirtschaft am Boden. Hinzu kam noch das Streben Frankreichs unter Ludwig, dem XIV. nach einer Vormachtstellung in Europa. Es galt, verstärkt eigene Truppen aufzustellen und durchziehende zu versorgen. Für die Abwehr der Türken vor Wien 1683 war auch das Herzogtum Württemberg gefragt. Und somit steuerte auch das Leonberger Stadtsäckel einen erheblichen finanziellen Beitrag zur „Türckhenhilffe“ bei.

Ungünstige Lage abseits der Handelswege

Nicht nur die große Politik war ein Problem für die Infrastruktur der Stadt. Auch ihre ungünstige Lage abseits der großen Handelsstraße war ein Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung. „Kaum ein Bürger fand allein im Handwerk sein Auskommen, fast jeder betrieb nebenher Landwirtschaft“, erläutert die Leonberger Stadtarchivarin Bernadette Gramm.

Das war die Ausgangslage, als 1682 in „trangseelig- und gelltklemme Zeiten“ eine Gruppe Bürger den Vorschlag machte, vom Herzog Friedrich Karl einen weiteren Jahrmarkt genehmigen zu lassen, der mit einem Ross- und Viehmarkt verbunden werden sollte. Im Rathaus war man skeptisch. Die Magistratsmitglieder fürchteten, dass hohe Organisationskosten der Stadt mehr schaden als nutzen könnten.

Ein Jahr später sah man das Ganze etwas optimistischer und der Antrag wurde gestellt. Neben dem Jahrmarkt im Herbst wolle man einen im Frühjahr „in den Fasten“ abhalten, zumal es 100 Jahre früher einen solchen gegeben habe, der aber wegen „laidiger Kriegszeiten und anderer beschwerlicher Zeiten“ abgeschafft worden war. „Tatsächlich sprechen die Archivquelle eine andere Sprache“, weiß die Archivarin Gramm. „Weder in Rechnungen noch in den Protokollen ist von einem zweiten Markt die Rede.“

Auch sonst gingen die Leonberger die Sache recht diplomatisch an und hoben die Vorteile hervor: Wohlhabende Bürger könnten mehr Steuern bezahlen und die Pferde müssten nicht mehr in Pforzheim, im badischen Ausland, gekauft werden. Die Obrigkeit ordnete eine Bürgerbefragung an, die mit 95 zu 30 Stimmen zugunsten eines zweiten Marktes ausfiel. Der fand am 14. und 15. Februar 1684 zum ersten Mal statt.

Der Markt läuft gut. 1768 ist Herzog Karl Eugen zu Gast, sein Adjutant hält das in seinem Tagebuch fest. Als dies 1911 veröffentlicht wird, hält man den Eintrag für die Ersterwähnung. Das führt 1920 zur 150. Jahr-Jubiläumsfeier, nachdem der Markt im Ersten Weltkrieg zweimal ausgefallen war. 1871 wird der Termin endgültig auf den zweiten Dienstag im Februar gelegt. Durch Heinrich Essig wird 1878 ein Hundehandel fester Bestandteil des Marktes. 2014 forscht die Archivarin und stellt die Zählung richtig: 2015 wird der 342. Pferdemarkt gefeiert, nur acht Mal fiel er aus.

Fotograf Stadelmann als treibende Kraft

Eine treibende Kraft beim 150-Jahr-Jubiläum 1920 ist der Fotograf Karl Stadelmann. Reitervorführungen, Festzug und Karussell kommen hinzu. Stadelmann hat wahrscheinlich auch das damalige Werbeplakat gestaltet: ein Pferd, ein Bauer und einen Leonberger Hund. Das Motiv wurde 1992 wieder aufgegriffen und ist bis heute Logo des Großereignisses.

„Der Mix aus Fachprogramm, Sport und Unterhaltung macht heute die Attraktivität des Pferdemarktes aus“, ist Rainer Weller überzeugt. Seit 1981 gestaltet er den Markt mit, seit 1987 ist er beim Sport- und Kulturamt der Projektleiter.

Doch es war nicht immer so, 1973 standen noch zehn Pferde auf dem Marktplatz. „Gute Gespräche mit den Händlern und das Wegegeld sowie Prämien führen dazu, das jährlich rund 100 Handelspferde gezeigt werden – mehr dürfen es aus Sicherheitsgründen auch nicht sein“, so Weller. Auch ist der Markt eine guter Handelsplatz geworden. „Ein Händler hat allein 2014 sechs Pferde verkauft“, sagt Weller zufrieden.