Wieder einmal wird im Böblinger Landratsamt ein großes Rad gedreht. Und wieder einmal geht es um die Wertstoffe – also um das einzigartige Trennsystem, mit dem der Landkreis bundesweit bekannt geworden ist. Die Kreise kämpfen gegen die Privatisierung.

Kreis Böblingen - Wieder einmal wird im Böblinger Landratsamt ein großes Rad gedreht. Und wieder einmal geht es um die Wertstoffe – also um das einzigartige Trennsystem, mit dem der Landkreis bundesweit bekannt geworden ist. Denn es tobt auf der politischen Ebene ein Kampf zwischen den kommunalen Entsorgern und der Bundesregierung. Die Kreise Böblingen und Ludwigsburg sind hierzulande führend in dem Protest gegen eine Privatisierung, die auf eine Aufwertung des Dualen Systems hinauslaufen würde.

 

Worum geht es? Bekanntlich hat der Landkreis Böblingen erst im März einen großen Prozess gegen das Duale System gewonnen, wonach der kreiseigene Abfallbetrieb mehr Geld für Papier kommt. „Dieses Urteil könnte der Auslöser für die Reform des ganzen Gesetzes sein“, erklärt Dusan Minic, der Sprecher des Landratsamtes. So stehen zwei Modelle zur Wahl: Privatisierung oder Kommunalisierung.

Die Bundesregierung will sowohl das Einsammeln als auch die Verwertung in private Hände geben. Das würde bedeuten: Gelber Sack für alle, und ein Ende der Wertstoffhöfe. Aber auch für die Papiersammlung durch den Abfallbetrieb.

„Das macht einen Großteil unserer Erlöse aus“, erklärt Wolfgang Bagin, der Leiter des Abfallwirtschaftsbetriebes (AWB). Mit diesem Geld halte man die Müllgebühren für alle Bürger stabil, so die Argumentation. Aber auch mit den sogenannten Verbundstoffen, also Verpackungen, Folien, Plastikflaschen und zahlreichen anderen Dingen, macht der Kreis viel Geld. Nun steht man aber nicht alleine da. Zusammen mit dem Kreis Ludwigsburg und dem Ostalbkreis sind die Böblinger dem bundesweiten Verbund Gemini beigetreten – einem Zusammenschluss von 40 kommunalen Entsorgern mit Hauptsitz ist Berlin. Im Grundsatzstreit zwischen Privatisierung und Kommunalisierung haben sie nun einen Kompromiss ausgehandelt. Der will von beidem ein bisschen.

„Wir wollen alles, was der Erfassung der Wertstoffe dient, den Kommunen überlassen“, erklärt der Landrat Roland Bernhard. Das Recycling hingegen soll an private Betreiber gehen, wie etwa das Duale System.

Einfach ausgedrückt: die Kreise und Städte sammeln die Wertstoffe weiter ein, und „verkaufen“ sie an die Gesellschaft des Gelben Sackes oder andere.

„Wir behalten damit die Hoheit und halten die Abfallpreise niedrig“, so der Landrat. Das hat Bernhard auch an den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geschrieben und darauf hingewiesen, dass dieser Vorschlag auch klare Verhältnisse schaffe. Allerdings ist diese Linie umstritten. Das zeigt unter anderem eine Debatte im Umweltausschuss des Kreistags, in der deutlich wurde, dass viele Mitglieder die Abfälle und Wertstoffe ganz in der Hand der Kreise und Kommunen behalten möchten. „Ist es nicht fahrlässig, wenn wir unsere Grundposition zurücknehmen?“, fragte etwa der Leonberger SPD-Rat Peter Pfitzenmaier. „Wir geben etwas auf und haben am Ende vielleicht gar nichts mehr.“

Dieser Disput wurde auch unter den Landkreisen geführt, wie Bernhard berichtet. Doch AWB-Chef Wolfgang Bagin weist darauf hin, dass es um viel mehr geht. Denn anders als heute sollen nicht nur Verpackungen, sondern alle verwertbaren Stoffe gesammelt und recycelt werden, wie etwa große Plastikkanister und Folien ohne Grünen Punkt. Also das, was heute schon oft in Gelbe Säcke oder Wertstofftonnen getan wird. Bagin: „Die Bundesregierung will das Duale System nicht nur stärken, sondern sogar ausweiten.“

Der Kreistag stellt sich trotz der Bedenken hinter die Linie des Landrates. Schließlich wird sie auch von der grün-roten Landesregierung unterstützt (wir berichteten). Die Kommunen hoffen nun, mit ihrer Haltung zumindest einen Teil ihrer Autonomie und Einnahmen zu bewahren.

Das könnte bedeuten, dass die im Kreis Böblingen im Jahr 2012 eingeführte Wertstofftonne bundesweit Schule machen könnte. Denn in diese Mülltonne können jetzt bereits alle verwertbaren Stoffe geworfen werden (siehe Infokasten). Das muss allerdings nicht zwangsläufig das Aus für die umstrittenen Wertstoffhöfe und das einzigartige Trennsystem bedeuten. „Wenn die Kommunen ihre Hoheit behalten, können sie das Einsammeln verschieden organisieren“, sagt Dusan Minic.