In der Stadt unter der Solitude stehen dieses Jahr viele Projekte an, auch die Querelen mit dem Nachbar Ditzingen wegen des A81-Anschlusses sind nicht ganz ausgeräumt. Doch ob der Bürgermeister Georg Brenner die Projekte weiter begleiten wird, lässt er noch offen – verrät im Gespräch aber, wann er sich äußern wird.

Viele Baustellen fordern den Gemeinderat und die Stadtverwaltung von Gerlingen – im wörtlichen und übertragenen Sinn. Der Bürgermeister freut sich über viele Errungenschaften des Jahres 2014. Und er verbrigt seine Enttäuschung nicht, die vom Stadtmarketing und dem Einzelhandel herrührt.
Herr Brenner, im August endet Ihre zweite Amtszeit als Bürgermeister von Gerlingen. Wissen Sie schon, wann der Wahltermin ist?
Wir haben verwaltungsintern an den 5. Juli gedacht. Alle Details legt aber erst der Gemeinderat in der Sitzung Ende Januar fest.
Bisher haben Sie zum Thema Wiederwahl immer gesagt „nach dem derzeitigen Stand trete ich wieder an“. Bleibt es dabei?
Im Moment ja. Ich verkünde hiermit aber nicht unbedingt, dass ich wieder kandidiere. Dazu gibt es passendere Gelegenheiten.
Beispielsweise beim Neujahrsempfang am übernächsten Sonntag?
Beispielsweise. Da werde ich mich zum Thema Bürgermeisterwahl äußern. Die Bevölkerung hat Anfang des Jahres ein Recht darauf, zu erfahren, ob der amtierende Bürgermeister im Sommer wieder antritt. Ich habe auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich gerne für Gerlingen weiterarbeite. Gerlingen ist für mich die Stadt, in der ich mich wohlfühle, in der ich gerne lebe – und in der ich gerne arbeite.
Sie fühlen sich mit 60 noch zu jung für den Ruhestand und wollen auch noch nicht hauptamtlicher Enkelbetreuer werden.
Genau so ist es.
Sie sind nicht nur Vorsitzender des Gemeinderats, sondern auch Verwaltungschef. Wie sehen Sie denn Ihre Rolle? Sind Sie Vordenker und Strategieerfinder, Anpacker und Mitreißer, Außenminister und Wirtschaftsförderer? Wie definieren Sie sich selbst?
Innerhalb der Stadtverwaltung lege ich großen Wert auf Teamarbeit. Die Führungskräfte müssen Ziele und Projekte gemeinsam festlegen und umsetzen. Das gelingt uns sehr gut. Ich habe eine sehr gute Mannschaft im Rathaus. Ich bin auch derjenige, der Impulse geben muss, der Ideen einbringt und kommunalpolitisch gewisse Richtungen vorzugeben hat. Das mache ich auch in enger Abstimmung mit dem Gemeinderat und immer mit dem Ohr an der Bevölkerung. Mir ist es sehr wichtig, die Bedürfnisse zu hören und zu erfahren, worum man sich kümmern sollte.
Sie sehen sich auch als Außenminister und Wirtschaftsförderer.
Natürlich bin ich ebenfalls Repräsentant der Stadt, gegenüber den Vereinen wie den Gewerbetreibenden. Die Erste Beigeordnete, die Amtsleiter und ich halten enge Kontakte zu den Gerlinger Betrieben, wir nehmen Einladungen wahr und sind bereit zu Absprachen und Hilfen. Dass dies fruchtbar ist, hat auch das erste Unternehmerforum mit 50 Firmenvertretern gezeigt.
Blicken wir mal zurück. Was war für Gerlingen das wichtigste im Jahr 2014? Waren es der Schillerhöhen-Kreisel, das Familienzentrum mit erweiterter Kleinkindbetreuung, die Messe im Sommer, der Beschluss für die Demenz-Tagesstätte, das Engagement für Flüchtlinge, die Ansiedlung einer neuen Bosch-Konzernfirma mit viel mehr Gewerbesteuern? Oder etwas ganz anderes?
2014 war ein turbulentes Jahr und ein Jahr mit Höhepunkten, wie man sie nicht jedes Jahr hat. Sie haben das 50-Jahr-Jubiläum mit unserer französischen Partnerstadt Vesoul vergessen. Das war auch ein Höhepunkt. Fangen wir den Rückblick vorne an: Die Bosch-Ansiedlung war ein erster Höhepunkt, da haben wir schon Weihnachten vorgefeiert. Dann kam ein großartiges Fest in Vesoul, dann die Einweihung des Familienzentrums – ein beispielhaftes Gebäude für die Kinderbetreuung wie für die Ehrenamtsarbeit, für Beratung und Treff für alle Generationen. Die termingerechte Fertigstellung des Kreisverkehrs Schillerhöhe war der Höhepunkt zum Jahresabschluss.
Die neue Firma des Bosch-Konzerns bringt Millionen Gewerbesteuer. Kann Gerlingen wieder aus dem Vollen schöpfen?
Das Mehr an Gewerbesteuer führt zu exzellenten Haushaltszahlen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir dadurch mehr Umlagen zahlen müssen. Nur etwa ein Drittel des neuen Kuchens bleibt bei uns.
Gerlingen beschafft Euros für den Kreis.
Natürlich. Und auch für die Region, und für das Land. Es ist ja auch richtig: Derjenige, der viel Geld in der Kasse hat und viel bekommt, der muss auch für die Gemeinschaft etwas abgeben. Das ist keine Frage. Wir können unsere Infrastruktur ergänzen oder sanieren, ohne Kredite aufzunehmen. So können wir viel freier planen, als wenn wir den Mangel verwalten müssten.
Der Konflikt mit Ditzingen wegen des Autobahnanschlusses war ein großes Thema. Vor Weihnachten kam Ihr Kollege Michael Makurath in den Gerlinger Gemeinderat. Hat dieses Gespräch einen Fortschritt gebracht?
Unser Austausch hat an der deutlichen Aussage des Verkehrsministers Winfried Hermann angesetzt: der von Ditzingen angedachte zweite Autobahnanschluss lässt sich nicht realisieren. Ich bin dankbar für diese klare Aussage, die auch alle Beteiligten schriftlich haben. Und ich freue mich mit meinen Mitbürgern, dass der Autobahnanschluss „Ditzingen-Süd“ auf Gerlinger Gemarkung zunächst vom Tisch ist. Jetzt muss geprüft werden, wie das Ditzinger Verkehrsnetz geändert werden kann, um den Mehrverkehr aufzunehmen. Der Verkehrsminister will solche Veränderungen unterstützen. Auch diese Aussage gibt es in Briefform. Die Ditzinger müssten uns eigentlich dankbar sein. Sie untersuchen jetzt, wie Verbesserungen außerhalb der Autobahn erzielt werden können.
Hört man aus Ihrer Antwort heraus, dass der Konflikt mit Ditzingen befriedet ist?
Durch die Aussage des Ministers und durch das Gespräch mit Herrn Makurath hat sich die Situation deutlich entspannt.
Gab es 2014 Enttäuschungen für Sie?
Ich bin enttäuscht darüber, dass der Innenstadtverein zunächst nicht zustande gekommen ist. Wir haben im Rathaus die Initiative und das Engagement der Stadtmarketinggruppe in der Lokalen Agenda sehr gefördert. Das Mühlacker Modell mit einem Innenstadtbeauftragten, der bei einem Verein angestellt ist und von der Stadt mit finanziert wird, hat mir sehr imponiert. Der Gemeinderat und ich hatten signalisiert, dass wir dies mittragen wollen.
Wer hat dann gebremst?
Die Einzelhändler. Sie zeigen wenig Bereitschaft, sich mit Stadtmarketing zu befassen. Der Bund der Selbstständigen und die Stadtmarketinggruppe haben jetzt Hausaufgaben.
Für 2015 stehen große Bauprojekte in der Innenstadt an.
Die größte Baustelle wird das Träuble-Areal. Es entsteht neue Infrastruktur: ein großer Lebensmittelmarkt, Büros, Läden, Parkplätze, der neue Polizeiposten, dazu Wohnungen. Auch an der Haupt-/Urbanstraße entstehen Läden und Wohnungen.
Die Neubaugebiete Leonberger Weg West und Bruhweg sind seit einiger Zeit auf dem Weg. Werden sie 2015 vorankommen?
Wir werden daran weiterarbeiten – aber mit angezogener Handbremse. „Innenentwicklung möglichst vor Außenentwicklung“ lautet die Leitlinie des Gemeinderats, der Stadtverwaltung und des Bürgermeisters. Wir müssen weiter intensiv an der Ausfüllung von Baulücken arbeiten – aber auch daran, wieder ein Baugebiet anzubieten. Wir müssen den Bedarf an Wohnraum erfüllen. Der ist knapp, und deshalb teuer.
Sie brauchen aber auch teure Wohnungen, weil deren gut gestellte Bewohner Ihnen Einkommensteuer bringen.
Natürlich. Wir sind froh um jeden Mitbürger, der gut verdient und zum Einkommensteueranteil der Stadt beiträgt. Der ist wichtig für den Haushaltsplan. Wir möchten aber auch jungen Familien und Familien mit geringem Einkommen die Möglichkeit bieten, Eigentum zu schaffen oder nicht zu teure Wohnungen zu mieten.
Wollen Sie Neubaugebiete nur „mit angezogener Handbremse“ ausweisen, weil Sie den Konflikt zwischen Stadterweiterung und Naherholung durchaus sehen?
Die Bevölkerung will weiter Freiräume und Landwirtschaft haben, sie will Vieh auf der Weide beobachten. Zudem sollen die geschützten Landschaften, der Wald oder die Gerlinger Heide, erhalten bleiben. Die andere Aussage, dass wir kein Angebot haben für Menschen, die nach Gerlingen kommen wollen, steht aber ebenso stark im Raum. Der Spagat ist eine große Aufgabe.
Sind in den vergangenen Jahren nicht einige Projekte in den Hintergrund gerückt, wie die Neuordnung der Sportflächen und die Integration der KSG in das Breitwiesengelände?
Wir mussten Prioritäten setzen, weil die Stadtverwaltung nicht unendliche Kapazität hat, und auch, weil der Gemeinderat kommunalpolitischen Vorrang definiert. Wir hatten 2009 deutliche Prioritätensetzung durch gesunkene Einnahmen, danach hatten der Ausbau der Kinderbetreuung und die Sanierung von Schulen Vorrang. Dadurch ist der Sport in den Hintergrund gerückt. Dieses Thema steht in der mittelfristigen Finanzplanung, wir werden uns 2015 mit dem Stadion, der Breitwiesensporthalle und der Jahnhalle beschäftigen.
Nochmals die interkommunale Zusammenarbeit. Gerlingen arbeitet beim Stromnetz mit Korntal-Münchingen zusammen. Wie weit ist man da?
Das war 2014 sehr kooperativ. Beide Kommunen wollen ihr Stromnetz erwerben und haben in etwa dieselben Rahmenbedingungen. Wir gründen eine gemeinsame Netzgesellschaft mit einem Partner, der EnBW. Wir sind uns weitgehend einig, nur noch die letzten Beschlüsse stehen aus.