Uraufführung vor dem Schleglerkasten: Bei Kaiserwetter ist mit der Premiere des Stücks „Die Stadt, der Graf und die Waldenser“ dem Publikum ein unterhaltsamer, spritziger Geschichtscocktail serviert worden.

Heimsheim – Allzu schnell sind sie nicht zusammen gewachsen, die Heimsheimer und die auf ihrer Markung Ende des 17. Jahrhunderts angesiedelten Waldenser. Am Ende sind es die Kraut-Schupfnudeln der lebensklugen, warmherzigen Köchin Grete – Sibylle Wiedemann-Bergler spielt sie als patente Küchenchefin mit dem Herz auf dem richtigen Fleck –, die für Frieden zwischen den beiden Volksgruppen sorgen.

 

„Die Stadt, der Graf und die Waldenser“ heißt das pfiffig inszenierte, in jeder Hinsicht prallbunte Schauspiel in fünf Aufzügen, das Evi Schöps für die Heimsheimer Schlosshofspiele 2014 geschrieben hat. In ihr Stück hat sie viele historisch verbürgte Ereignisse zusammengepackt mit nicht verbürgten, aber mehr als wahrscheinlichen Liebesgeschichten. Sie hat das schwäbische Idiom verwebt mit französischen und italienischen Einsprengseln und hat zudem witzige Anspielungen an die heutige Zeit in ihr Stück geflochten (angefangen bei der JVA über Stuttgart 21, der Querspange oder Trappatonis „Ich habe fertig!“)

Die Historie wurde gerafft, sodass die Geschichte auch mit dem Aufstieg und Fall der gräflichen Familie von Graevenitz verbunden und zugespitzt werden konnte.

300 große und kleine Helferlein

Die Autorin und der Regisseur Bodo Kälber haben im Verbund mit rund 300 Schauspielern, Statisten, Komparsen, Chorsängern, Kulissenbauern, Näherinnen und all jenen Menschen, die auf dem Barockmarkt für Unterhaltung sowie Speis und Trank sorgen, einen abendfüllenden Sommer-Event und ein Gesamtkunstwerk geschaffen. Das paradiesische Kaiserwetter hat seinen Teil beigesteuert.

Geschickt führt ein Prolog des Navigators (Erzählerin Gaby Wulff) in die Geschichte ein. Der größte Teil der armen Heimsheimer Bauern ist auf die noch ärmeren französischen Glaubensflüchtlinge, die vom Herzog auch noch mit Steuerprivilegien ausgestattet wurden, nicht gut zu sprechen. Immer wieder prallen die Volksgruppen mitsamt ihren Mistgabeln und Leiterwagen in regelrechten Kämpfen und mit viel Wutgeschrei und Unverständnis aufeinander. Besonders der von Jürgen Hermann herrlich cholerisch gespielte Bauer Matthes Mann muss von den Wachen immer wieder mit Waffengewalt zur Räson gebracht werden. Als Vermittler treten Magister Reinhard (Jürgen Gerhold) und Vogt Greber aus Maulbronn (Clemens Henrich) auf. Dirk Städter ist der stimmgewaltige, überaus präsent spielende Bürgermeister alias Amtskeller Johann Weyßert, der bis zum Schluss versucht, die Liebe seines Sohnes Johannes (Marcel Böhm) zur Waldenserin Susanne Barac (Rosanna Schulze) zu vereiteln.

Es wird geliebt, gehasst und gewütet

Zum bunten Kostümreigen – von den schlichten Bauern- und Waldenser-Outfits bis hin zu den prachtvollen Adelskostümen samt sicher schweißtreibender Perücken – vor dem schon ohne zusätzliche Kulissenbauten perfekten Hintergrund aus Schleglerkasten und Graevenitzschem Schloss, gesellen sich Reiter, Kutschen, Musiker und Wachtruppen, die das bunte Historiengemälde komplettieren. Es wird gesungen, getanzt, gekämpft und geritten, geliebt, gehasst und gewütet. Und immer wieder gelacht. Köstlich amüsiert sich das Publikum über den blasiert-hochwohlgeborenen Reichsgrafen Friedrich Wilhelm von Graevenitz mit dem dicken Ring am Handschuhfinger. Torsten Steidel spielt ihn unnachahmlich schwülstig.

Nicht minder hohl und hochnäsig spielt Carmen Herrlinger Christiane Wilhelmine zu Würben, die angesichts des so uneleganten Heimsheimer „Pöbels“ permanent aufkreischende Mätresse des Herzogs. Zum Wegwerfen komisch ist in jeder Sekunde auch die talentierte Anastasia Rast, die als Freskokünstler und Möchtegern-Casanova Carlo Carlone mit vielen italienischen Flüchen und ihrem unnachahmlichen Mienenspiel stets die Lacher auf ihrer Seite hat.

Zu den Höhepunkten des Abends gehören ganz klar auch die „Auftritte“ der diversen Sänften und Baldachine, die Dieter Rast geschaffen hat. Welche urkomischen Details er darin eingearbeitet hat, sei hier nicht verraten – sie haben jedenfalls auch den Regisseur Bodo Kälber in Begeisterung ausbrechen lassen. Am Ende dieser Welturaufführung – und da ist es fast Mitternacht – wird das Gesamtkunstwerk vom Publikum mit warmem Applaus belohnt.