Der Perouser Heimatforscher ist 90 geworden. Er widmet sich seit Jahren der Ortsgeschichte.

Rutesheim - Wer des Französischen nicht mächtig ist, kommt schon beim Händeschütteln mit Erich Vinçon ins Stocken. Denn dank des „çs“ mit dem Cedille-Häkchen im Nachnamen, wird dieser „Weso“ ausgesprochen. Aber auch sonst ist der Mann mit seinen Wurzeln eng verbunden, das zeigt sich nicht nur an den Werken des begeisterten Holzbrandmalers, der selbst die Glasuntersteller mit dem Waldenser-Logo „Lux lucet in tenebris“ (Das Licht leuchtet in der Finsternis) versieht. Als Nachfahre der aus dem Herzogtum Savoyen im norditalienischen Piemont geflüchteten Protestanten, die in Perouse eine neue Heimat fanden, widmet er sich bis heute der Ortsgeschichte.

 

Geboren in der einzigen Waldensergemeinde im Landkreis Böblingen, für die laut historischen Berichten im 17. Jahrhundert 242 Glaubensflüchtlinge den Grundstein gelegt und diese damals nach Perosa Argentina im unteren Tal des Chisone benannt hatten, erlebte der gelernte Werkzeugmacher hautnah mit, wie der Ort wuchs und erblühte. Das Gemeindeleben lag dem gläubigen Mann schon früh am Herzen. Er war 17 Jahre alt, da kam ihm die Idee, einen Posaunenchor zu gründen, „nachdem er Musikern im Nachbarort gelauscht hatte“.

Ein Ehrenamt ergibt das andere

Auch den CVJM und den Kirchenchor in Perouse hat er mitgegründet und gehörte diesem viele Jahre als Sänger und Chorleiter an. Auf die Initiative des früheren Kirchengemeinderates geht zudem die Gründung des ökumenischen Beerdigungschores zurück. „Wenn man in einem solchen kleinen Ort ein Ehrenamt innehat, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis weitere Anfragen kommen“, erklärt er die Fülle an Aufgaben – inzwischen hat er aber aus Altersgründen die Ämter niedergelegt.

In Würdigung seiner Dienste für die Kirchengemeinde wurde er im Jahr 2000 mit der Johannes-Brenz-Medaille der württembergischen Landeskirche in Bronze ausgezeichnet. Nicht zuletzt auch für sein Engagement rund um die Waldenser-Geschichte im Ort – dieser widmet sich der Mann schon seit den sechziger Jahren. Auch wenn der bescheidene Schwabe sich selbst nicht als Heimatforscher sieht, so hielt er unzählige Vorträge zum Thema, organisierte Informationsveranstaltungen und plante Reisen nach Piemont.

Und auch noch im hohen Alter führt der ehemalige Beirat der deutschen Waldenser-Vereinigung mehrmals im Jahr Interessierte durch den Ort und macht dessen bewegte Geschichte lebendig. „Ich kann nicht sagen, dass ich stolz bin auf meine Herkunft. Aber meine Achtung vor den Menschen, die damals vor den inquisitorischen Verfolgern geflüchtet sind, ist groß“, sagt der Jubilar. „Sie haben wegen ihres Glaubens die Heimat verlassen, das ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar!“

Der häufigste Familienname im Ort

Wie sich die kleine Siedlung von einst, die heute rund 1250 Einwohner zählt, entwickelt hat, darauf ist er mächtig stolz – wenngleich laut seiner Schätzung nur noch etwa 20 Prozent von ihnen Waldenser-Wurzeln haben. „Bei dem 300-jährigen Waldenser-Jubiläum war die Euphorie aber so groß, dass sich selbst neu Zugezogene plötzlich als Waldenser fühlten!“, erinnert er sich mit einem Schmunzeln an die großen Feierlichkeiten im Jahr 1999. Vinçon sei übrigens der häufigste Familienname in Perouse. „Aber ich bin nicht mit allen verwandt“, stellt er klar und lacht.

Seinen Geburtstag feiert der Witwer im Kreise seiner Familie. Wer dabei an eine kleine Runde denkt, der irrt! Denn neben vier Kindern und acht Enkelkindern, finden sich auch noch elf Urenkel unter den Gratulanten. „Da wird ein Tisch sicher nicht langen!“, witzelt der Jubilar.