Rainer Höß, der Enkel des Auschwitz-Kommandanten, diskutiert am Samstag in der Bücherei.

Leonberg: Thomas Slotwinski (slo)

Rutesheim - Wie ist das, wenn man Enkel eines Massenmörders ist? Verwandt mit einem der Organisatoren des Todes, dem Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz?

 

Die Besucher eines Diskussionsabends am Samstag bekommen vielleicht Antworten auf diese bedrückenden Fragen. Die SPD Rutesheim hat Rainer Höß eingeladen. Der Enkel des „Technokraten des Terrors“ wird am Samstag, 12. Mai, um 19.30 Uhr im Bürgersaal der Christian-Wagner-Bücherei über sein Leben und seine Erfahrungen berichten. Mit ihm auf dem Podium ist Ralf-Dieter Krüger, ein Neffe von Walter Gerlach, dem Lagerkommandanten im Konzentrationslager Sachsenburg.

Einfach angerufen

So bemerkenswert es scheinen mag, dass der Enkel des berüchtigten Rudolf Höß ins kleine Rutesheim kommt, so unproblematisch war dessen Einladung. „Ich habe einfach bei ihm angerufen“, berichtet der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins, Tommy Scheeff. „Und er war gleich bereit.

Das mag auch an der regionalen Verwurzelung des Rainer Höß liegen. Er wurde in Ludwigsburg geboren und lebt in Weil der Stadt. Ist es die Beschaulichkeit am Rand des Schwarzwalds, die der fast 53-Jährige benötigt, um mit seiner Familiengeschichte fertig zu werden? Mindestens 1,1 Millionen Menschen sterben bis Kriegsende im KZ Auschwitz. Rudolf Höß, der nach dem Wunsch seines Vaters Priester hätte werden sollen, erhält von SS-Chef Heinrich Himmler den Auftrag, die Vernichtung generalstabsmäßig zu organisieren. Die „Endlösung der Judenfrage“ ist auch die Mission des gebürtigen Badeners, der sich mit 15 zum Wehrdienst gemeldet hatte.

Todesbefehle nie hinterfragt

Höß wird einerseits als Tierfreund beschrieben, sogar als „ehrlicher ruhiger Mensch, der niemanden schlug.“ So erinnert sich ein ehemaliger Häftling an ihn, der Höß die Haare schneiden musste.

Andererseits war er ein überzeugter Nationalsozialist, der die Todesbefehle nie hinterfragt hatte. Nach dem Zusammenbruch setzte sich Höß nach Flensburg ab, wurde von den Briten entdeckt, an Polen ausgeliefert und dort hingerichtet.

Wie geht ein Mensch mit solch einem Großvater um? Im Falle von Rainer Höß stellt sich erst die Frage, wie er mit dem Sohn des Opas, seinem eigenen Vater, umgeht? Denn Hans-Jürgen Höß bleibt nach dem Kriegsende ein Nazi. Er war in der SS-Siedlung direkt neben dem Konzentrationslager in Wohlstand aufgewachsen.

Vorwurf: Geldmacherei

Nach dem Krieg arbeitet er als Autoverkäufer, freundlich und unauffällig. Doch daheim, so schildert es Rainer Höß im September 2016 in einem Gespräch mit unserer Zeitung, muss der Vater ein Monstrum gewesen sein, das sogar mit der Axt auf seine Frau losgegangen ist.

Rainer Höß bricht mit dem Vater, versucht mit Drogen seine innere Zerrissenheit zu dämpfen. Bei Besuchen in Auschwitz fällt er durch unsensibles Verhalten auf. Sein Versuch, den Nachlass seines Großvaters ausgerechnet in Israel zu verkaufen, wird ihm öffentlich als Geldmacherei zur Last gelegt.

Er selbst bestreitet dies. Viel Geld, so hatte er vor vier Jahren der Wiener „Presse“ gesagt, hätte er bekommen, wäre er auf frühere Angebote alter Nazis eingegangen.

Heute ist Rainer Höß in Schulen und Vortragssälen unterwegs, um an die unvorstellbaren Greuel zu erinnern, die auch sein eigener Großvater begangen hat. Am Samstag in Rutesheim.