Laut neuen Gutachten verteuern sich der Neubau der Großklinik auf dem Flugfeld sowie die Sanierungen der kleinen Häuser erheblich. In Leonberg soll es nun offenbar doch 200 Betten geben.

Böblingen/Leonberg - Weit teurer als gedacht werden der Klinikneubau und die -sanierungen für den Landkreis. Mit insgesamt 537 Millionen Euro rechnen die Verantwortlichen. Das sind 140 Millionen Euro mehr als noch in der ersten Machbarkeitsstudie vor drei Jahren veranschlagt. Die neuen Zahlen lieferte ein Gutachten der Unternehmensberatung Drees & Sommer. Mit dem Geld sollen auf dem Flugfeld eine zentrale Klinik für die Region Sindelfingen/Böblingen gebaut und die beiden Krankenhäuser Leonberg und Herrenberg saniert werden.

 

Trotz der hohen Kosten halte man weiter am vom Kreistag im vergangenen Jahr beschlossenen Medizinkonzept fest, betonte der Landrat Roland Bernhard, als er am Mittwoch gemeinsam mit der Geschäftsführerin des Klinikverbunds, Elke Frank, die neuen Zahlen präsentierte. „Es bleibt dabei: Die Zusammenlegung der Krankenhäuser in Böblingen und Sindelfingen auf dem Flugfeld ist die wirtschaftlichste Lösung für die Zukunft der Krankenhausversorgung in der Region“, betonte Bernhard.

Schwarze Null im Jahr 2025

Dieser Neubau ist der Kern des Medizinkonzepts. Dass er die wirtschaftlichste Lösung ist gegenüber den Alternativen, alles zu belassen oder eines der bestehenden Häuser auszubauen, auch dies hatte sich der Klinikverbund noch einmal durch ein neues Gutachten bestätigen lassen, das das Büro Baker Tilly Roelfs erstellt hat. Nach dessen Analyse wird der Klinikverbund mit der Umsetzung des Medizinkonzepts statt Defiziten künftig eine schwarze Null erwirtschaften. Dieser Break Even genannte Punkt würde im Jahr 2025 erreicht, wenn die Klinik 2023 eröffnet wird.

Was wird teurer? Zum einen der Neubau der Flugfeldklinik, und zwar um knapp 100 Millionen Euro auf bis zu 452 Millionen Euro. Mit 70 Prozent Mehrkosten als noch vor drei Jahren rechnet man bei der Sanierung der Leonberger Klinik. Bisher waren dafür 40 Millionen Euro veranschlagt worden, jetzt rechnet man mit 69 Millionen oder in einer eventuell abgespeckten Variante mit 61 Millionen Euro. Dafür soll es in Leonberg doch bei 200 Betten bleiben. Die Unternehmensberatung Drees & Sommer empfiehlt zudem Schwerpunkte, zum Beispiel in der Altersmedizin.

Ganz bewusst habe man sich deshalb dafür entschieden, gleich in der ersten Projektphase eine Kostenanalyse zu machen. „Bei der Machbarkeitsstudie ging es um die reinen Baukosten. Nun haben wir bei der Flugfeldklinik auch Zusatzkosten wie das Parkhaus und den Schallschutz miteinbezogen“, erklärte der Landrat.

Außerdem kalkulierten die Gutachter einen Risikoaufschlag von fünf Prozent der Kosten für Unvorhergesehenes ein. Bei der Leonberger Klinik schlage vor allem die notwendige energetische Sanierung zu Buße. „Im Moment haben wir doppelt so hohe Energiekosten wie andere vergleichbare Häuser“, sagte Bernhard. Zudem müssten auch andere Strukturen geschaffen werden. „So wäre es beispielsweise sinnvoll, die Ambulanz ins Erdgeschoss zu legen“, sagte die Geschäftsführerin Frank. Dies summiere sich zu den Mehrkosten, die der Kreistag im Herbst noch genehmigen müsse.

Kreisräte bleiben trotz der höheren Kosten gefasst

Bei einer ersten Vorstellung der Zahlen am Dienstag nahmen die Kreisräte die Steigerungen gefasst auf. „Von freudiger Überraschung kann keine Rede sein“, sagte Wilfried Dölker, Fraktionschef der Freien Wähler. „Man muss natürlich den einen oder anderen Posten noch diskutieren.“ Aber im Grundsatz stehe man sowohl zum Neubau als auch zur Sanierung der Häuser in Leonberg und Herrenberg. Helmut Noë, Fraktionschef der CDU in Leonberg, lobte „den offenen und transparenten Weg“ der Kreisverwaltung und Klinikgeschäftsführung, „auch mögliche Risiken zu benennen.“

Mit Kostensteigerungen sei bei einem solchen Projekt zu rechnen, meinte der SPD-Sprecher Tobias Brenner. „Ich habe die Zahlen des ersten Gutachtens angezweifelt. Diese scheinen mir realistisch“, sagte Heiderose Berroth von der FDP.

Kommentar

Nicht wirklich überraschend

Klinikverbund
Was viele prophezeit hatten, tritt nun ein: Die Kosten für die Bauprojekte explodieren. Für Leonberg gibt es dennoch gute Nachrichten. Thomas K. Slotwinski

Leonberg - Ehrlich gesagt: wundern muss sich über diese knackige Kostensteigerung niemand. Experten bezweifeln schon seit Langem, dass die geplante Großklinik auf dem Flugfeld für die bisher vom Landratsamt benannten 330 Millionen Euro zu haben ist. Vielmehr wurden die 365 Millionen Euro, die nun als offizielle Baukosten angegeben werden, schon mehrfach als realistischer angesehen.

Aber das ist ja nicht alles. Die Gesamtkosten für die Zentralklinik werden jetzt mit bis zu 452 Millionen Euro beziffert. Das ist nicht mehr weit weg von der halben Milliarde, die Kritiker immer wieder befürchtet haben. Und ob es dabei bleibt, ist alles andere als absehbar. Hinzu dürften Klagen von Anwohnern kommen, die nicht erfreut darüber sind, dass ihre Wohnung mit Aussicht zugebaut werden soll. Die Lärmschutzfrage ist ebenfalls bis dato ungeklärt.

Auch die Sanierung der Leonberger Klinik wird erheblich teurer: 69 Millionen statt 39 Millionen Euro. Immerhin ist damit zu erwarten, dass die Zukunft des Hauses vorerst gesichert ist. Es ist wieder von 200 Betten zuzüglich der Intensivstation die Rede. Bis jetzt sollte die Bettenzahl auf rund 150 reduziert werden. Die Gutachter empfehlen medizinische Schwerpunktbildungen, etwa in der Altersmedizin.

Welch konträre Resultate: Die Teamplan-Gutachter hielten das Krankenhaus quasi für überflüssig. Die Experten des renommierten Büros Drees & Sommer sehen hingegen in Leonberg einen starken Eckpfeiler innerhalb des Klinikverbundes. Wenigstens das ist eine gute Nachricht.