Waltraud Hagenlocher ist Renningens erfolgreichste Behindertensportlerin und hält noch bis heute den ein oder anderen Rekord. Der Heimatverein Rankbachtal erinnert mit einer Sonderausstellung an ihre bemerkenswerte Karriere.

Renningen - An die Frau, die mit einem speziellen Rennrollstuhl und in einem Affentempo durch die Straßen der Rankbachstadt flitzte, kann sich Anneliese Schneider noch gut erinnern. „Man wusste, sie ist erfolgreich, aber dass sie dermaßen erfolgreich ist, war wohl keinem so recht bewusst“, sagt die Renningerin, die sich eingehend mit dem Werdegang von Waltraud Hagenlocher beschäftigt hat. Der Heimatverein Rankbachtal würdigt die erfolgreichste Behindertensportlerin der Stadt mit einer Sonderausstellung in der Begegnungsstätte Malmsheim, deren Bilder, Pokale, Medaillen sowie Sportgeräte allesamt aus dem Nachlass ihrer Familie stammen.

 

Die gebürtige Renningerin nahm insgesamt an fünf Paralympischen Spielen, einer Weltmeisterschaft, zwei Europameisterschaften, sechs Weltspielen für Behinderte im britischen Stoke Mandeville und etlichen weiteren Wettkämpfen auf nationaler und internationaler Ebene teil. Dabei war sie äußerst erfolgreich und holte im Laufe ihrer sportlichen Karriere sage und schreibe 43 Goldmedaillen, 30 Silber- und 18 Bronzemedaillen. 1980 wurde ihr auch die „Silbermedaille für den Behindertensport“ durch den damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens verliehen – damals die höchste staatliche Auszeichnung für gehandicapte Athleten.

Medaillen in verschiedenen Sportarten

Bemerkenswert ist aber nicht nur die Medaillen-Ausbeute der Ausnahmeathletin, sondern auch ihre sportliche Vielseitigkeit. So brachte es Waltraud Hagenlocher fertig, gleich in mehreren Disziplinen wie Fünfkampf (Kugel, Speer, Diskus, Schwimmen und Rollstuhlschnellfahren), Basketball, Schlittenlanglauf oder Bogenschießen zu überzeugen. „Es ist schon unglaublich, dass sie nicht selten bei einer einzigen Veranstaltung Medaillen in verschiedenen Sportarten einfuhr”, befindet Schneider. Nebenbei stellte die Renningerin den ein oder anderen Rekord auf – einige haben sogar noch bis heute Bestand. So ist Hagenlocher unter anderem deutsche Rekordhalterin im Fünfkampf.

Zum Sport kam die gelernte Einzelhandelskauffrau, die mit fünf Geschwistern aufwuchs, erst nach einem schweren Schicksalsschlag. Im Alter von 21 Jahren erlitt sie eine plötzliche Querschnittslähmung unklarer Herkunft. „Bei der anschließenden Rehabilitation begann dann ihr Weg zur Leistungssportlerin”, berichtet Schneider. Noch im selben Jahr nahm sie erstmals an den Paralympischen Spielen in Tel Aviv teil, wo sie einen beachtlichen vierten Platz im Kugelstoßen erreichte.

Rollstuhlgerechte Wohnung im Pfarrtot

Dass Schneider die Frau als „Kämpferin” bezeichnet, kommt nicht von ungefähr. „Sie stammt aus einem einfachen Haus, und eine psychologische Unterstützung wie heute gab es damals für das junge Mädel sicherlich nicht”, sagt sie. Nicht einmal durch eine Erkrankung an Knochenkrebs, die mit der Amputation ihres linken Beines einherging, ließ sich die willensstarke Renningerin aus der Bahn werfen. Für sie wurde übrigens 1972 auf Veranlassung des damaligen Bürgermeisters Gottfried Bauer eine rollstuhlgerechte Wohneinheit im Pfarrtor gebaut.

Waltraud Hagenlocher, die lange Zeit als Technische Zeichnerin arbeitete und als Gemeinderätin der Freien Wähler die Stadtentwicklung voran trieb, erlag 2012 mit 67 Jahren ihrem Krebsleiden. „Ohne den Sport wäre sie vermutlich nicht so alt geworden”, mutmaßt Anneliese Schneider, die rückblickend von einer geselligen Frau berichtet, die bei ihren Trainingsrunden in den Straßen Renningens immer Zeit für einen netten Plausch fand.