Eine Mitarbeiterin eines ambulanten Pflegedienstes hat 3300 Euro von einem fremden Konto abgehoben. Woher hatte sie die PIN-Nummer?

Leonberg - Richter Thomas Krüger hat bei seiner Urteilsbegründung nicht mit klaren Worten gespart: „Sie haben die Situation eines hilflosen Mannes schamlos ausgenutzt“, sagte er in Richtung der Angeklagten, die er soeben zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung wegen gewerbsmäßigen Computerbetrugs verurteilt hatte. Die Frau, die als Mitarbeiterin eines ambulanten Pflegedienstes in Rutesheim alten Menschen beim Putzen oder Einkaufen half, hatte im Januar und Februar 2017 an sieben Tagen mittels EC-Karte und PIN-Nummer insgesamt 3300 Euro vom Konto eines demenzkranken Mannes abgehoben, für den sie gar nicht zuständig war.

 

Dies hatte die Angeklagte vor Gericht unumwunden eingeräumt. Nach ihren Angaben habe sie der alte Mann jedoch darum gebeten, die Geldbeträge abzuheben und ihr Karte und PIN-Nummer ausgehändigt. Als Gegenleistung dafür habe ihr dieser 500 Euro gegeben. Dieser Darstellung widersprach die Leiterin des Pflegedienstes, die als Zeugin erklärte, allen Mitarbeitern sei es untersagt, mit EC-Karte Geld für betreute Personen abzuheben. „Wenn diese Menschen Bargeld brauchen, sind die Mitarbeiter angewiesen, dieses am Schalter abzuheben“, erklärte die Pflegedienstleiterin. Jeder Mitarbeiter müsse zu diesem Zweck eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, die zu den Personalakten genommen werde.

Die Angeklagte verliert ihren Job

Die Pflegedienstleiterin erklärte darüber hinaus, eigentlich dürfe die Angeklagte den demenzkranken Mann gar nicht kennen, da sie für ihn nicht zuständig gewesen sei. „Ich vermute, dass sie ihn über ihre Schwester kennengelernt hat, die bei ihm im Haushalt tätig war“, führte die Pflegedienstleiterin weiter aus. Sie erklärte zudem, dass der Angeklagten fristlos gekündigt worden sei, nachdem in zwei weiteren Familien, zu denen die Frau Kontakt hatte, Ungereimtheiten an den Tag gekommen seien: „In einer Familie ist ein wertvolles Armband verschwunden, in einem anderem Fall gab es eine Überweisung an einen türkischen Kulturverein, die überhaupt nicht zum Kontoinhaber passte, der durch und durch katholisch war“, sagte die Pflegedienstleiterin.

Sie schloss auch aus, dass der demenzkranke Mann der Angeklagten Karte und PIN-Nummer freiwillig gegeben haben könnte. „Zu so komplexem Handeln war der Mann nicht mehr in der Lage, er war nicht mehr zeitlich und örtlich orientiert“, sagte die Zeugin. Nachdem der Sohn des Mannes sich wegen der Abbuchungen bei ihr gemeldet hatte, habe sie ihm empfohlen, sich an die Polizei zu wenden. Diese habe durch die Bilder in der Bankfiliale die Angeklagte als die Frau ermittelt, die das Geld abgehoben hatte.

Staatsanwalt vermutet Geldnot als Motiv

Der Sohn hatte anschließend von der Angeklagten 5000 Euro als Wiedergutmachung verlangt, die die Frau auch bezahlt hatte. „Er hatte gedroht, er werde sonst zur Presse gehen und dort meinen Namen nennen“, sagte die Angeklagte. Das Geld habe sie sich von Verwandten geliehen.

Der Staatsanwalt hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr für die Angeklagte gefordert und als Motiv für die Tat Geldnot vermutet: „Sie hat drei Kinder und mehr als 80000 Euro Schulden, ihr stand das Wasser bis zum Hals“, sagte er. Der Verteidiger hatte darauf hingewiesen, dass die Angeklagte den Schaden wieder gutgemacht habe und eine „Bewährungsstrafe an der unteren Grenze“ gefordert. Das Amtsgericht verhängte neben der Bewährungsstrafe von elf Monaten noch eine Geldbuße von 1000 Euro zugunsten der Aktion „Sicherer Landkreis“. Zu ihren Lasten falle ins Gewicht, dass sie „von vorn bis hinten gelogen“ habe und ihre Taten nur durch Zufall schnell entdeckt worden seien, da der Sohn die Kontoauszüge kontrolliert hatte.