Die ehrenamtlichen Helfer in den Kinder- und Jugendhospizen entlasten die Eltern und geben Geschwistern Zuwendung.

Leonberg - Er ist ein richtiger Sonnenschein“, sagt Wencke Grobler, wenn sie über ihren Toni spricht. Im März wird er zwei Jahre alt. Doch in seinem noch jungen Leben hat er schon viel durchgemacht. „Toni hat das so genannte diGeorge-Syndrom, außerdem kam er mit vielen schweren Herzfehlern zur Welt“, berichtet die Rutesheimerin. Die ersten vier Monate verbrachte er im Olgäle in Stuttgart, wo er mehrfach operiert und eine Darmsonde gesetzt wurde. „Nach vier Monaten durften wir endlich nach Hause.

 

Doch die Krankenkasse lehnte eine Krankenschwester für uns ab“, erzählt Wencke Grobler. Sie sei damals quasi alleinerziehend gewesen. Ihr Mann arbeitete noch in Bayern. Ihr älterer Sohn Jake kam gerade in die Schule und wurde nachmittags von Freunden betreut. „Wir haben ein tolles soziales Umfeld. Sie haben sogar für uns gekocht“, sagt die zweifache Mutter. Und dennoch kam dieser Punkt, an dem nichts mehr ging.

Eine Freundin, die ebenfalls ein behindertes Kind hat, empfahl ihr den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Leonberg. „Sie sagte: Hab’ keine Scheu vor dem Wort Hospiz.“ Denn tatsächlich unterstützt der Kinderhospizdienst nicht nur Familien mit einem Kind, das palliativ versorgt wird, bei dem es also nur um Schmerzlinderung und Begleitung bis zum Tod geht. Auch schwerkranke Kinder und deren Familien finden hier Hilfe. So kommt einmal pro Woche eine ehrenamtliche Patin für Toni und betreut ihn. Damit Mama Wencke mal zum Friseur oder zum Einkaufen gehen kann. „Oder einfach nur in Ruhe Duschen mit Haare waschen und Föhnen. Das ist sonst Luxus.“

Eine große Überwindung

Bereits das erste Aufeinandertreffen mit Monika Friedrich, der Koordinatorin des Kinder- Jugendhospizdienstes, war ungewöhnlich. Einen Termin für ein Gespräch wollte Wencke Grobler wegen eines Notfalls kurzfristig absagen. „Ich musste mit Toni ins Krankenhaus. Da hat Monika gefragt: Soll ich euch fahren?“ In dem Moment eine große Erleichterung. Aber dennoch keine einfache Sache für die zweifache Mutter. „Es war für mich eine Überwindung zuzugeben, dass ich jetzt Hilfe brauche und diese auch annehme. Denn bisher hatte ich in meinem Leben doch alles alleine geregelt.“

Doch ein behindertes oder schwer krankes Kind verändert nicht alles, aber doch zumindest vieles. Auch für die Geschwisterkinder, die in so vielen Dingen hintenan stehen müssen. Auch um sie kümmert sich der Kinder- und Jugendhospizdienst. So treffen sich einmal im Monat die „Sunshine Kids“, um zusammen etwas zu machen oder zu erleben. Vom Koch – oder Bastelnachmittag bis zum Ausflug ist alles dabei. Auch Jake geht zu den Sunshine Kids. Und er hat einen Paten, der nur zu ihm kommt, mit ihm spielt oder etwas unternimmt.

„Die Hilfe ist so viel wert“

So ähnlich läuft es auch bei Familie Lieckfeldt aus Leonberg. Sohn Emil, sieben Jahre alt, leidet an Muskeldystrophie. Seine Muskeln werden vom Körper immer weiter abgebaut. Dadurch hat der fröhliche Junge motorische Probleme. Mutter Ellen wurde nach einem Jobwechsel von der Betriebsärztin auf das Angebot des Kinderhospizdienstes hingewiesen. „Ich war wegen des Namens erst sehr skeptisch. Mit Hospiz verbindet man eher das letzte halbe Jahr“, sagt Ellen Lieckfeldt. Heute ist sie froh, dass sie doch den Kontakt aufgenommen hat. Emil und sein jüngerer Bruder Erik sind oft bei Ausflügen dabei. „Ich muss mir keine Sorgen mehr machen. Sie wissen, was Emil kann und was nicht“, sagt die Rutesheimerin. Einen freien Nachmittag pro Woche hat sie nun nur für sich. „Wir haben keine Familie in der Nähe. Diese Hilfe ist so viel wert.“

Foto: privat

Seit 15 Jahren gibt es den Kinder- und Jugendhospizdienst in Leonberg jetzt. Coronabedingt fällt eine große Feier in diesem Jahr aber eher aus. „Wir haben aber von Anfang der Pandemie an entschieden, dass wir unsere Arbeit fortführen“, sagt Monika Friedrich. Denn die Ehrenamtlichen seien ja über lange Zeiträume bei den Familien im Einsatz. Und gerade, wenn Kinderbetreuung und Schule im Lockdown wegfallen, werde man besonders gebraucht. „Doch noch immer wissen viele gar nicht, dass es uns gibt. Oder dass wir auch ihnen helfen“, sagt die Leiterin des Kinder- und Jugendhospizdienstes. Am heutigen Tag der Kinderhospizarbeit macht der Dachverband mit einem grünen Band auf diese besondere Hilfe aufmerksam. „Es ist ein grünes Band der Hoffnung“, sagt Friedrich.

Das Angebot ist vielfältig. Betreut werden schwer kranke oder behinderte Kinder, Kinder mit einer lebensbeendenden Diagnose. Es gibt Unterstützung für die Eltern, auch schon während der Schwangerschaft, Angebote für Geschwister. Aber auch Kinder, bei denen ein Elternteil eine tödlich verlaufende Erkrankung hat oder bereits verstorben ist, finden bei den „Sunshine Kids“ einen Ort, an dem sie unter gleichfalls Betroffenen sind. „Ein Junge hat mal zu mir gesagt: Hier kann ich weinen. Und bin dann nicht das Weichei“, erzählt Monika Friedrich.

Sich Hilfe holen ist ein Zeichen der Stärke

Es sei ein Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche, wenn man sich Hilfe hole. „Über den Familien schwebt dieses Damoklesschwert. Wir sind da und helfen, diese Last zu tragen“, sinniert sie. Im vergangenen Jahr wurde Monika Friedrich von einer Schülerin für eine Abschlussarbeit interviewt. „Sie war eines der ersten Kinder, die wir betreut haben. Da standen mir wirklich die Tränen in den Augen.“ Für solche Momente lohnten sich die schweren Aspekte der Kinderhospizarbeit. „Die Kinder mögen mit hängenden Schultern reinkommen. Aber wir möchten, dass sie aufrecht wieder rausgehen. Solange werde ich für diese Arbeit brennen.“