Seit Juni ist in der Rankbachstraße die neue Sport-Kindertagesstätte in Betrieb. Ihr pädagogischer Schwerpunkt liegt auf der Bewegungsförderung.

Renningen - Jakob nimmt Anlauf, springt hurtig auf sein Rollbrett und düst mit hoher Geschwindigkeit bäuchlings liegend von einem Ende des Ganges bis zum anderen. Seine Spielgefährten tun es ihm juchzend gleich. Da gilt es nur noch, aus dem Weg zu springen, um sich in Sicherheit zu bringen. Margit Hartmann, die Leiterin der neuen Kindertagesstätte in der Renninger Rankbachstraße, gefällt, was sie sieht. „Kinder haben so viel Energie, und es so wichtig, dass sie sich viel bewegen dürfen“, sagt die 53-Jährige. Von acht Uhr morgens bis halb elf dürfen die Kinder selbst entscheiden, wie sie sich in diesem Zeitraum beschäftigen wollen. Manche toben in der Sporthalle, manche schauen mit der Erzieherin ein Buch an, zwei Mädchen sitzen in der Cafeteria einträchtig nebeneinander, frühstücken und sind vertieft in ihre Unterhaltung.

 

Die neue Kita hat vier Millionen Euro gekostet

Mit großer Freude und auch nicht ohne Stolz führt Margit Hartmann die Besucherin durch das zweistöckige Gebäude, das die Stadt rund vier Millionen Euro gekostet hat. „Das ist schon mein Herzensprojekt“, sagt die Mutter dreier bereits erwachsener Kinder – die Tochter ist die erfolgreiche Leichtathletin Lisa-Sophie. Die 20-Jährige holte erst vor einigen Wochen bei den deutschen Meisterschaften in Braunschweig mitneuer persönlicher Bestzeit (57,27 Sekunden) Bronze über 400 Meter Hürden und knackte dabei den Rekord ihrer Mutter. Margit Hartmann war in ihrer aktiven Zeit ebenfalls eine erfolgreiche Leichtathletin, wurde unter ihrem Mädchennamen Grötzinger 1987 deutsche Meisterin über 400 Meter Hürden bei den Juniorinnen.

Margit Hartmann leitet die Sport-Kita. Foto: Baumann
Die ausgebildete Erzieherin weiß, wie wichtig Bewegung ist, und dass das zu viele Kinder in der heutigen Zeit zu wenig tun. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt: Ein Kind sollte sich mindesten eine Stunde am Tag bewegen. Laut einer WHO-Studie erfüllten weltweit 81 Prozent der Kinder dieses Soll nicht. In Deutschland seien das sogar 84 Prozent. Folge dieses Defizits seien gesundheitliche Beschwerden oder Übergewicht.

Margit Hartmann kann eine lange Liste aufzählen, fragt man sie nach den positiven Auswirkungen von Sport auf die Kinder. „Kinder, die sich viel bewegen, haben mehr Selbstvertrauen, sie können sich besser konzentrieren, sie können Stress leichter abbauen, sie haben eine bessere Reaktionsfähigkeit, sie sind sozialer, erfindungsreicher und kreativer.“ Um nur einige Punkte zu nennen. Das sportpädagogische Profil für die neue Kita hat Hartmann, die zuvor Leiterin des Renninger Kindergartens Hummelbaum war, erarbeitet.

Erfahrung hat sie nicht nur reichlich in ihrem Beruf als Erzieherin gesammelt, sondern auch mit ihren eigenen Kindern sowie in ihrer langjährigen Tätigkeit als Leichtathletik-Trainerin bei der örtlichen Sportvereinigung sowie beim württembergischen Landesverband. Und als sie 2015 bei einer Sportveranstaltung mit Daniel Dreßen, dem Leiter der Abteilung Bildung, Familie und Soziales im Renninger Rathaus, ins Gespräch kam und dabei erfuhr, dass eine neue Kindertagesstätte gebaut werden soll, war sie Feuer und Flamme, als sie dann ihre sportpädagogische Idee dort umsetzen durfte. Als Unterstützer und Fürsprecher hatte sie Dreßen mit im Boot.

Die Renninger Sport-Kita hat im Juni eröffnet

Das Konzept stellte sie dann zum gefragten Zeitpunkt vor – und bekam nach einer Bewerbungsrunde die Stelle der Leiterin. „Für mich ist das ein Traum“, sagt Hartmann, die ihre Begeisterung auf ihre derzeit 16 Mitarbeiterinnen – davon zwei männliche Erzieher – und vier Auszubildende überträgt. „Wir haben Anfang Juni die Kindertagesstätte eröffnet, Corona-bedingt einen Monat später als geplant. Momentan sind 45 Kinder bei uns, bis Weihnachten sollten es 75 werden, die in drei Gruppe eingeteilt sind “, sagt Hartmann. „Mit meinem Team erarbeite ich die konkrete Konzeption, lege die inhaltlichen Schwerpunkte fest“, sagt Margit Hartmann.

Der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung wird natürlich auch in der Sport-Kita umgesetzt. Margit Hartmann versucht jedoch mit ihrem Konzept, den Kindern schwerpunktmäßig und so oft wie möglich deren Bewegungsdrang freien Lauf zu lassen. „Bei der Gestaltung der Räume war es mir wichtig, Möglichkeiten dafür zu schaffen.“ Die Tische sind mit Rollen ausgestattet und lassen sich kinderleicht verschieben, Stühle gibt es dafür wenige. Dafür Teppiche als Spielwiese, Polster zum Sitzen oder Toben. Im ersten Stock ist eine kleine Turnhalle eingerichtet mit einer Kletterwand und vielen Sportgeräten. Sie ist wie ein Magnet. „Es gibt keinen Tag, an dem die Turnhalle leer stand“, sagt Hartmann, die eine Regelung gefunden hat, sodass alle zum Zug kommen. „Unser Ziel ist es, ein gutes Gleichgewicht zwischen gezielten und freien Angeboten zu schaffen.“

Das Projekt „Bewegungspass“ startet bald

In Kürze startet Erzieher Filippo Guadagnino mit seinem Projekt „Bewegungspass“. Hier lernen Kinder auf spielerische Weise die verschiedenen Bewegungsformen und orientieren sich dabei an verschiedenen Tieren wie der Schlange, dem Känguru, dem Bär, dem Krebs oder dem Affen. Wer alle Übungen geschafft hat, bekommt einen Drachen-Sticker in sein Büchlein geklebt. „Wir können dabei schauen, wie weit die Kinder in ihrer motorischen Entwicklung sind und sie dementsprechend weiter fördern“, sagt Guadagnino, der als „Hahn im Korb“ bei den Kindern immer gefragt ist. „Ich bin froh, dass wir zwei männliche Erzieher haben. Die geben den Kindern ganz andere Impulse, können ganz anders mit ihnen toben, und die Kinder hängen an ihnen“, sagt Margit Hartmann.

Einmal in der Woche ist „Draußentag“ . Im Garten sind Klettergerüste, Schaukeln und ein Sandkasten. „Der ist genau neun Meter, fast so lang wie der Weltrekord im Weitsprung bei den Männern“, sagt die Kita-Leiterin mit einem Schmunzeln, „das ist aber reiner Zufall.“ Das Stadion und die Sporthallen sind fußläufig zu erreichen, die Tennisanlagen auch. Auch in den Wald sind Ausflüge geplant „Wir haben im Juni eröffnet und stehen noch ganz am Anfang, doch meine Idee ist es, mit den örtlichen Sportvereinen zusammen zu arbeiten. Im Frühjahr habe ich sie schon darüber informiert und bin auf positive Resonanz gestoßen.“ Ganz wichtig für sie: „Wir wollen nicht nur sport-affine Familien ansprechen, sondern sind offen für alle Kinder.“