Das Leonberger Unternehmen Comcross sorgt für die Infrastruktur eines schnellen Funk- und Festnetzes mit 5G. Die Suche nach geeigneten Standorten für Masten ist eine Herausforderung.

Wenn es nach Vladimir Suznjevic geht, könnte der digitale Fortschritt nicht schnell genug voranschreiten. „Stellen Sie sich vor, ein Arzt ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet, sitzt in Los Angeles und leitet von dort eine Operation in Böblingen, wo die Kollegen mit der Hilfe seiner Weisungen die OP umsetzen.“

 

Die Chirurgen erhalten die Informationen für diesen Eingriff in Echtzeit. Der Spezialist kann so an zwei Orten gleichzeitig sein. Der ganze Prozess basiert auf der 5G-Technologie. Diese bezeichnet das Netz der fünften Mobilfunkgeneration, ist direkter Nachfolger von LTE beziehungsweise Advanced LTE (4G) und UMTS (3G). „5G setzt neue Maßstäbe hinsichtlich Datengeschwindigkeit, Kapazität, Reaktionszeit oder Sicherheit und ist ohne Zweifel das Netz der Zukunft“, sagt Vladimir Suznjevic. Für Unternehmen eröffnen sich mit der 5G-Technologie neue Möglichkeiten bei der Digitalisierung.

Die Mitarbeiterzahl wächst

Der 50-Jährige hat im Jahr 2013 mit seinen beiden gleichberechtigten Partnern Daniela Theiner und Markus Wiedenmayer in Leonberg das Start-up-Unternehmen Comcross gegründet. „Wir planen, bauen und optimieren leistungsstarke Kommunikations-Infrastrukturen in Funk- und Festnetzen in unseren Haupttätigkeitsbereichen Telekommunikation, Verkehr und Energiewirtschaft“, sagt der Geschäftsführer.

In der Zwischenzeit hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Leonberg noch sieben weitere Standorte in Deutschland und zählt 250 Mitarbeiter. Auch in Kroatien ist die Comcross GmbH sowohl in Zagreb als auch in Osijek vertreten. Zuletzt stattete das Unternehmen beispielsweise führende Automobilhersteller in der Region mit dem 5G-Netz aus. Nach der verheerenden Flut im vergangenen Sommer in Ahrweiler baute Comcross gemeinsam mit seinen Partnern im Katastrophengebiet das Mobilfunknetz, das mit den Wassermassen weggeschwemmt wurde, wieder auf.

Die Dringlichkeit von Homeoffice sorgt für mehr Toleranz

Doch was die Umsetzung der 5G-Technologie betrifft, ist das Leonberger Unternehmen nicht ganz so schnell, wie es gerne sein würde. „Jeder will ein schnelles Netz, doch keiner möchte die Funkmasten in unmittelbarer Nähe haben, das ist wie bei den Windrädern“, sagt der Familienvater. Es sei ein zäher Prozess, Fläche für die Funkmasten zu bekommen. „Seit der Coronapandemie und der daraus resultierenden Dringlichkeit eines guten Netzes für das Homeoffice ist der Rückhalt in der Bevölkerung gewachsen“, sagt Vladimir Suznjevic.

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Die Frequenzen für das Mobilfunknetz lagen bisher bei weniger als 2,6 Gigahertz (GHz). Für das 5G-Netz geht es nun um Frequenzen von 2 bis 3,7 Gigahertz, künftig liegen die Werte gar bei 60 Gigahertz. Dabei gilt das Gesetz: Je höher die Frequenz ist, desto geringer ist die Reichweite. Für das 5G-Netz braucht es daher viel mehr Sendemasten, um dasselbe Gebiet abdecken zu können und die Funklöcher zu schließen. Mittlerweile lassen sich die neuen 5G-Sendestationen auch in kleinen Kästen so gut wie überall montieren. „Wir sind immer auf der Suche nach Flächen auf Flachdächern, Industriedächern oder auch an Kirchen“, sagt Vladimir Suznjevic.

Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam

Und dann sind da noch die Mühlen der Bürokratie, die sehr langsam mahlen. Die neue Bundesregierung hatte Anfang des Jahres unter anderem versprochen, mehr Tempo beim Ausbau der digitalen Infrastruktur zu machen. Dabei verwies Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf schleppende Planungs- und Genehmigungsverfahren, die künftig zügiger vorangehen müssten als bisher – denn die Bürokratie blockiere den Ausbau digitaler Infrastruktur an mehr als tausend Standorten. Davon kann Vladimir Suznjevic ein Lied singen. „Unsere europäischen Nachbarn sind uns weit voraus, bei uns gibt es so viele Auflagen, die das Ganze verlangsamen, damit stehen wir mit unserer Bürokratie dem Fortschritt im Weg und ich habe den Eindruck, dass unser viel gelobter Erfindergeist verloren gegangen ist.“

Umzug in Industriegebiet Leo-West

Vladimir Suznjevic ist, so sagt er, per Zufall in die Telekommunikationsbranche geraten, in der er noch so viel bewegen möchte. Geboren wurde er 1972 in Jugoslawien. Drei Jahre später verschlug es seine Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland. Aufgewachsen ist er in Heimerdingen, war begeisterter Skateboarder. Das Abitur machte er in Stuttgart auf dem Technischen Gymnasium. Es folgte eine Ausbildung zum Nachrichtentechniker.

Sein erster Arbeitgeber war der damalige Marktführer ANT in Backnang. Er wechselte zu einem österreichischen Unternehmen, machte sich dann 2013 in Leonberg mit seinen beiden Partnern mit Comcross selbstständig. In der Zwischenzeit ist das Gebäude in der Hertichstraße 23 zu klein geworden. Ein Umzug ins neue Industriegebiet Leo-West ist für das Jahr 2023 geplant. „Und nach wie vor suchen wir händeringend Fachkräfte, bilden auch Quereinsteiger aus“, sagt Vladimir Suznjevic, dem die Vernetzung nicht schnell genug gehen kann.