Trotz hoher Mehrkosten setzt der Gemeinderat den Beschluss durch: An der Oberen Burghalde wird eine Tagesstätte für vier Gruppen und mit fünf Appartements gebaut.

Leonberg - So groß war der Andrang in den Zuschauerreihen des Gemeinderates seit Jahren nicht mehr. Zusätzliche Stühle mussten am Dienstagabend geholt werden, um allen Interessenten eine Sitzgelegenheit zu bieten. Doch ein Großteil der Zuhörer dürfte nach dem Tagesordnungspunkt 6, Neubau Kita Nord, nicht gerade zufrieden heimgegangenen sein. Handelte es sich vor allem um Anwohner der Obereren Burghalde, die vom geplanten Projekt nicht alle begeistert sind.

 

Und diese wurden Zeugen, wie der Gemeinderat mit großer Einmütigkeit den Kindergartenbau so auf den Weg brachte, wie er bereits vor einem Jahr beschlossen worden war: mit vier Gruppen und fünf Wohnungen im Obergeschoss.

„Eigenmächtige Verzögerungen“

Flogen schon vor einer Woche im zuständigen Sozialausschuss die Fetzen, so ging im Gemeinderat Elke Staubach den Oberbürgermeister erneut an: „Wir rügen Ihre eigenmächtigen Verzögerungen“, schoss die CDU-Fraktionschefin in Richtung Martin Kaufmann. „Wir erwarten, dass der einstimmige Beschluss vom Juni 2018 unverzüglich umgesetzt wird.“

Das war tatsächlich nicht geschehen. Damals hatte der Gemeinderat gefordert, dass eine Kindergartengruppe maximal 600 000 Euro kosten dürfe. Die Obergrenze für einen Wohnquadratmeter sollte bei 2500 Euro liegen.

Doch Fachleute des beauftragten Architekturbüros Arp stellten bei genauerer Planung fest, dass die Beträge vorne und hinten nicht reichen und teilten dies zum Jahreswechsel dem Gebäudemanagement der Stadt mit. Vielmehr würde pro Kita-Gruppe knapp eine Million Euro fällig, der Wohnquadratmeter müsse bei 4380 Euro angesetzt werden.

Warum sind die Kosten so hoch?

Im Gemeinderat am Dienstag erklärte Kaufmann, dass er von diesen Zahlen Ende Februar erfahren habe. Daraufhin habe er die Order ausgegeben, preisgünstigere Alternativen zu entwickeln. Diese waren vor einer Woche im zuständigen Sozialausschuss vorgestellt worden und hatten vor allem deshalb für Unmut gesorgt, weil dort die Wohnungen nicht mehr vorgesehen waren. Doch gerade die seien angesichts des leer gefegten Immobilienmarktes dringend nötig, hieß es parteiübergreifend. Und dass die Fraktionen nicht frühzeitig über die Kostenexplosion informiert wurden, stieß ebenfalls auf Unmut.

Der Ärger war binnen einer Woche nicht verflogen, wenngleich sowohl die beauftragten Architekten, wie auch Birgit Albrecht vom Gebäudemanagement ausführlich darlegten, warum eine Kita im Umfang, wie sie vor einem Jahr beschlossen wurde, nun 5,7 Millionen Euro kostet.

Lärmgutachten für den Tennisplatz

Die Sicherheitsauflagen sind höher. Selbst wegen des benachbarten Tennisplatzes musste ein Lärmgutachten gemacht werden. Durch die Hanglage des Gebäudes sind Außenflure, Treppen und Aufzüge nötig. Und, darauf legte der Architekt Stefan Früh besonderen Wert: Lediglich eine Wohnungsetage über dem Erdgeschoss macht es besonders teuer.

Die Sachbeiträge der Architekten und der Stadt-Mitarbeiterin ließen die Emotionen abklingen. Rüdiger Beising (SPD) und Dieter Maurmaier (FDP) lobten sogar die Ausarbeitung der preisgünstigen Alternativmodelle. „Jetzt haben wir eine verlässliche Grundlage“, pflichtete Sebastian Werbke (Grüne) bei. In der Sache ließ sich der Gemeinderat aber nicht beirren: Die Kita wird gebaut – mit fünf Wohnungen wie ursprünglich geplant. Die Gebäudehöhe wurde auf elf Meter festgelegt. Anwohner hatten 16 Meter befürchtet.

Kommentar: Ein Lehrstück

Kommentar: „Die Diskussion um die Kita Nord hat mehrere Ebenen: Da sind zum einen die immens gestiegenen Kosten, auch hervorgerufen durch Gutachten, über deren Sinn man allenfalls den Kopf schütteln kann. Denn dass ein benachbarter Tennisplatz eine Schallexpertise erzwingt, ist mit normalem Menschenverstand kaum nachvollziehbar.

Ungeachtet dessen ist es ein Fakt, dass öffentliche Bauprojekte sehr oft sehr viel teurer werden, was zurecht Unverständnis hervorruft. Ob nun der Gemeinderat vor einem Jahr bei seinen Kostenbegrenzungen zu optimistisch war, die Fachleute zu spät Alarm geschlagen haben oder beides zutrifft, lässt sich im Nachhinein schwer beurteilen. Dass der Oberbürgermeister in solch einer Situation Alternativen entwickeln lässt, ist auf den ersten Blick eine richtige Reaktion.

Misstrauen

Dass er aber dem Gemeinderat nichts davon sagt, ruft gerade in sensiblen Wahlkampfzeiten natürlich Misstrauen hervor. Besonders dann, wenn noch bekannt wird, dass Anwohner der Oberen Burghalde beim OB gewesen sind, um ihren Unmut über die geplante Kita mit Wohnungen zu formulieren.

Dass diese in großer Zahl zur entscheidenden Ratssitzung gekommen sind, deutet darauf hin, dass sie womöglich ein Votum zumindest gegen die Wohnungen erwartet hatten. Doch dass der Gemeinderat Martin Kaufmann diesen Gefallen nicht tun wird, war schon vorher absehbar. Der Ärger war bei allen einfach zu groß, und es ist vor allem den kompetenten Antworten der Mitarbeiterin des Gebäudemanagements und der Architekten zu verdanken, dass sich am Ende die Wogen wieder geglättet haben. Wenn es am Ende eine Lehre aus all dem gibt, dann jene, dass künftig bei Problemen der Gemeinderat viel früher ins Vertrauen gezogen werden muss.“