Die Tagesstätte auf dem Engelberg wird deutlich teurer. Die Stadt schlägt daher den Verzicht auf dort geplante Wohnungen vor. Der Gemeinderat fühlt sich übergangen. Elke Staubach bringt sogar einen Untersuchungsausschuss ins Spiel.

Leonberg - Dicke Luft im städtischen Sozialausschuss: Die satte Kostensteigerung für die geplante Kita Nord auf dem Engelberg regt die Stadträte gehörig auf. Für die CDU-Fraktionschefin Elke Staubach gibt es so viel Ungereimtheiten, dass sie einen Untersuchungsausschuss ins Spiel bringt. Die Hintergründe des großen Krachs kurz vor der Wahl.

 

Die Vorgeschichte

Im Mai 2017 einigt sich der Gemeinderat nach zähem Ringen auf einen Kita-Standort oberhalb der Oberen Burghalde. Ein Jahr später wird der Bau einer viergruppigen Kita mit fünf Wohnungen im Obergeschoss beschlossen. Eine Gruppe, so lautet die Vorgabe des Rates, solle nicht teurer als 600 000 Euro sein. Der Wohnungsquadratmeter dürfe höchstens 2500 Euro kosten. Damit scheint der Fall erledigt.

Doch Anwohner befürchten zu viel Verkehr in der Oberen Burghalde und werden beim OB vorstellig. Unabhängig davon stellt das beauftragte Architektenbüro Arp zum Jahreswechsel fest, dass die Kostenvorgaben nicht haltbar sind. Die Stuttgarter Planer werden von der Stadt beauftragt, günstigere Varianten zu entwickeln – auch solche, in denen keine Wohnungen vorgesehen sind. Der Gemeinderat erfährt davon vorerst nichts.

Die Kritik des Gemeinderates

Erst als durchsickert, dass sich Anwohner bei Kaufmann über die neue Nachbarschaft beschwert hatten und sich Eltern wundern, dass das Projekt nicht voran- kommt, werden die Lokalpolitiker hellhörig. Jutta Metz von den Freien Wählern fragt nach und erhält vom OB die Antwort, dass es für das Projekt neue Pläne gibt, die im Sozialausschuss vorgestellt werden.

Martin Kaufmann ahnt, dass die Stadträte die neuen Kosten, rund eine Million Euro pro Gruppe und 4380 Euro pro Wohnquadratmeter, nicht widerspruchslos hinnehmen werden. Der OB kommt am Mittwochabend zum Tagesordnungspunkt 5, Kita Nord, selbst in den Sozialausschuss, der ansonsten von Bürgermeister Ulrich Vonderheid geleitet wird.

Dort sieht sich der Rathauschef bohrenden Fragen ausgesetzt. „Wir fühlen uns nicht mitgenommen“, erklärt Elke Staubach. Warum die Wohnungen auf einmal so teuer sind, will die CDU-Fraktionsvorsitzende wissen. Warum nun mehr Fläche erforderlich ist? Warum gleich zwei Technikräume eingeplant sind, während es in anderen Einrichtungen einer tut? Und bei Kaufmanns Gespräch mit den Anwohnern sei der Gemeinderat nicht dabei gewesen.

Außerdem gehe es nicht, dass ein Oberbürgermeister mit SPD-Parteibuch weniger Wohnungen durchsetzen wolle. Staubachs Fazit: „Dieses Verhalten müssen wir rügen und darüber nachdenken, einen Untersuchungsausschuss einzurichten.“

Die Gründe der Mehrkosten

Kaufmann ist erkennbar vergrätzt: „Ich empfehle Ihnen dringend, dass Regierungspräsidium einzuschalten. Das kann dann überprüfen, ob der Oberbürgermeister rechtmäßig gehandelt hat.“ Es sei seine Pflicht gewesen, den Gemeinderat über die neue Kostenlage zu informieren.

Die fachliche Aufklärung übernehmen Birgit Albrecht vom städtischen Gebäudemanagement sowie die Architekten Stefan Früh und Stefan Neubert vom Büro Arp. Allgemein seien die Baupreise um 25 Prozent gestiegen. Neue Vorschriften über Brand- und Lärmschutz sowie zusätzliche Fluchtwege hätten das Projekt verteuert. Und: Wohnungen auf eingeschossigen Bauten seien besonders teuer.

Nach hitziger Debatte schicken die Stadträte zu vorgerückter Stunde die Planer mit der Aufgabe weg, weitere Sparvorschläge zu machen. Ob auf die Wohnungen wirklich verzichtet wird, will der Gemeinderat am Dienstag entscheiden.

Einen Untersuchungsausschuss muss der OB übrigens nicht befürchten. Den gibt es nach Aussage des Stuttgarter Innenministeriums auf kommunaler Ebene nicht. Für Große Kreisstädte hat das Regierungspräsidium die Rechtsaufsicht.

Kommentar: Der teure Automatismus

Die massive Verärgerung des Gemeinderates über die emporgeschnellten Kosten für die Kita Nord dürfte auch darin begründet sein, dass es etliche Beispiele gibt, bei denen die Stadt ihre Finanzierungsmodelle nachträglich nach oben korrigieren musste. Zumeist haben die Kommunalpolitiker keine Wahl als die Preissteigerungen abzusegnen, würden doch sonst die ganzen Vorhaben platzen.

Dieser Automatismus zeichnet sich auch beim Tagesstättenprojekt auf dem Engelberg ab. Der Bedarf an weiteren Kitaplätzen wächst und wächst. Schon jetzt plant die Stadt mehrere neue Einrichtungen. Ein Zurück an der Oberen Burghalde kann es also nicht geben. Selbst die Verschiebung des am Hang geplanten Kinderhauses auf eine ebene Fläche dürfte am Ende kaum zu Einsparungen führen, müsste es doch dann komplett neu geplant werden. So bringt die Kostensteigerung wenigstens eine Erkenntnis für die Zukunft: Kitas, bei denen eine Gruppe 600 000 Euro kosten soll, sind unrealistisch. Die Finanzierung der Kinderbetreuung, schon jetzt einer der größten Haushaltsposten, wird künftig noch teurer werden.

Dem OB wäre viel Ärger erspart geblieben, hätte er den Gemeinderat frühzeitig über die neuen Zahlen informiert. Dass Elke Staubach aber mit einem Untersuchungsausschuss droht, ist Wahlkampfgetöse. Die erfahrene Chefin der CDU-Fraktion müsste wissen, dass es dieses Schwert in der Kommunalpolitik nicht gibt.