Der Gerechtigkeitswald bei Flacht hat eine lange Geschichte und wird heute von Ehrenamtlichen bewirtschaftet.

Wie ein schmales Handtuch liegt der Gerechtigkeitswald oberhalb von Flacht zwischen dem Porsche-Entwicklungszentrum und dem Gewerbegebiet am Diebkreisel. 1,2 Kilometer lang und 100 Meter breit ist die Fläche, die vor fast 200 Jahren den Bewohnern von Flacht zugesprochen wurde, um ihren Bedarf an Brenn- und Bauholz zu decken. Dies sollte ein Ausgleich dafür sein, dass sie sich nicht mehr mit dem wertvollen Rohstoff im Rahmen ihrer als Frondienste zu leistenden Arbeit im Kronwald Hagenschieß versorgen durften.

 

Denn im Zuge der sogenannten „Bauernbefreiung“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Dienste aufgehoben. Die Flachter, die zuerst zum Klosteramt Maulbronn, ab 1807 zum Oberamt Leonberg gehörten, standen gleichzeitig ohne Zugriff auf Holz da. Deshalb wurden den 127 Hofbesitzern 40 Morgen Wald zum freien Eigentum überlassen, wie ein Vertrag von 1841 belegt. Dies erläuterte Melanie Bernt, Vorstand der Gerechtigkeitswald GbR, jetzt Besuchern von der Waldinitiative Renningen. Diese waren gekommen, um zu erfahren, wie die Flachter ihren Wald, eingebettet zwischen Gemeinde- und Staatswald, bewirtschaften.

Heute gehört der Wald zu 140 Haushalten

Einige Gehminuten vom Waldhäusle entfernt treffen Spaziergänger auf das kleine Schild „Gerechtigkeitswald“. Im weiteren Verlauf finden sich noch Grenzsteine mit der Jahreszahl 1841. „Der Wald ist nicht an Personen gebunden, sondern an Grundstücke, die damals in Flacht bewohnt wurden“, erklärt Melanie Bernt. Heute seien das etwa 140 Haushalte, mit jeder Teilung eines Grundstücks oder beim Bau von Mehrfamilienhäusern kommen Eigentümer dazu.

1988 wurde das Waldeigentum in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts überführt. Früher hat die Gemeinde den Wald bewirtschaftet, erklärt Bernt. „Wir wollten die Idee des Bürgerwalds wieder neu aufleben lassen“, erklärt sie ihr Engagement und das ihres Mannes Korbinian Bernt für den Gerechtigkeitswald. Zusammen mit weiteren Mitbesitzern bewirtschaften die beiden 29-Jährigen, die beruflich auf völlig anderen Pfaden unterwegs sind, ehrenamtlich die 12 Hektar.

Den Wald selbst bewirtschaften

Korbinian Bernt hat die für den großen Fäll-Schein nötigen Kenntnisse erworben, sodass er auch Bäume fällen darf, seine Frau Melanie hat sich umfangreiches Wald- und Forstwissen angeeignet. Am meisten aber hätten sie von den vielen Informationen profitiert, die ihnen der für den Weissacher Gemeindewald zuständige Revierförster Ulrich Neumann gegeben habe.

„Wir fällen keinen einzigen Baum aus wirtschaftlichen Gründen“, beschreibt Melanie Bernt die Haltung des Vorstandsteams. Früher sei das anders gewesen. „Wir müssen aber umgeknickte Bäume entnehmen und dürfen keine Gefahren im Wald schaffen“, ergänzt Korbinian Bernt. In kleinem Umfang machen sie auch Brennholz für diejenigen Waldbesitzer, die aktiv mitarbeiten. So versuchen sie, die etwa 500 Euro laufenden Kosten pro Jahr einzunehmen.

Trockenheit macht dem Gerechtigkeitswald zu schaffen

Gestärkt werden soll vor allem die Verjüngung des Waldes, der Baum-Nachwuchs ist an vielen Stellen sichtbar. Allerdings gebe es viel Verbiss durch Rehe, ganz besonders an den Weißtannen. Die Trockenheit macht auch dem Gerechtigkeitswald zu schaffen. „Wir haben hier viele Schäden, da muss man nichts beschönigen“, sagt Melanie Bernt.

Im Bürgerwald gibt es eine Fichten-Monokultur, die lange vor der Übernahme durch die engagierten Flachter gepflanzt wurde. Hier richten die heutigen Waldbesitzer das Augenmerk auf die Bekämpfung des Borkenkäfers, entnehmen befallene Bäume, um den restlichen Wald zu schützen. „In den entstehenden Lücken soll gemütlich ein Naturwald einwandern“, so ihre Vorstellung. „Wir wollen den Umbau des Öko-Systems langsam vorantreiben“, sagt Melanie Bernt.

Renningen soll einen Bannwald bekommen

An einer gefällten Fichte dürfen die Besucher aus Renningen ausprobieren, wie mühsam das Entrinden von Hand mit einem Schäleisen ist. „Wir sind verpflichtet, den Baum zu schälen, wenn wir das Holz im Wald liegenlassen und die Äste müssen geschreddert werden“, erklärt Korbinian Bernt.

Jörg Stenner von der Waldinitiative Renningen zeigt sich angetan. „Es ist ein unschätzbarer Nutzen, den ihr hier für die ganze Gemeinschaft erbringt“, lobt er die Ehrenamtlichen. Eine solche naturnahe Bewirtschaftung nennt Stenner auch als eines der von der Waldinitiative angestrebten Ziele für den Renninger Stadtwald. Ein weiteres sei, dass ein „markanter Teil des Renninger Walds aus der Nutzung herausgenommen“ werden soll und zu einer Art Bannwald wird.