Ein Plebiszit soll am Tag der Bundestagswahl Klarheit über das Neubaugebiet „Am Graben“ in Weissach bringen.

Weissach - Wenn die Weissacher am 26. September an die Wahlurnen schreiten, werden sie nicht nur den Deutschen Bundestag wählen, sondern auch darüber entscheiden, ob die Wohnbebauung der Heckengäugemeinde um rund 7,5 Hektar Fläche wachsen darf. So groß, etwa zehn Fußballfelder, soll das Neubaugebiet Am Graben in Weissach ausfallen, für das seit Herbst vergangenen Jahres ein gültiger Aufstellungsbeschluss des Gemeinderats vorliegt.

 

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Seit Montagabend ist klar: Ob aus dem neuen Platzangebot für Häuslebauer in der Porsche-Kommune tatsächlich etwas wird, muss Gegenstand eines Bürgerentscheids werden, den der Ortsverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) auf den Weg gebracht hat. Den Naturschützern, die sich nicht nur den Kampf gegen den galoppierenden Flächenfraß auf die Fahnen geschrieben haben, sondern den Bedarf für ein so großes Neubaugebiet in Weissach ganz grundsätzlich in Abrede stellen, war es gelungen, bis zum Stichtag am 30. März 916 Unterschriften einzusammeln. Das notwendige Quorum, sieben Prozent oder 421 Stimmen der in Weissach lebenden Bürger, war damit um mehr als das Doppelte übertroffen.

Kein Ermessensspielraum

Nachdem nun die Gemeindeverwaltung die Rechtmäßigkeit von 893 der abgegebenen Stimmen bestätigt hat und auch alle anderen formalen Bedingungen des Bürgerbegehrens erfüllt sind, musste der Gemeinderat bei seiner Sitzung in der Strudelbachhalle das Begehren für zulässig erklären. Die Gremiumsmitglieder haben in diesem Fall laut Gemeindeordnung keinen Ermessensspielraum.

Mit Einverständnis der Initiatoren wurde der Termin des Plebiszits auf den Tag der Bundestagswahl gelegt. Formal wird darüber abgestimmt, ob der Aufstellungsbeschluss des Gemeinderats wieder aufgehoben werden soll.

Applaus für die Gemeinderäte

Dass in der Frage des Neubaugebiets Am Graben sich tatsächlich ein Graben durch die Kommune zieht, wurde auch in der gut besuchten Strudelbachhalle offenkundig. Auf die Redebeiträge der Gremiumsmitglieder folgte Applaus von den anwesenden Bürgerinnen und Bürger. Der BUND, der in Person von Hans Wiggenhauser die Initiative zum Bürgerbegehren vor dem Gremium noch einmal begründete, sah sich unterdessen mit massiven Vorwürfen konfrontiert. So warf Frank Bauer von den Freien Wählern dem BUND vor, Unterschriften „ergaunert“ zu haben.

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Hintergrund des Vorwurfs: Die Naturschützer hatten auf einem Informations-Flyer zum Bürgerbegehren unter anderem die Mutmaßung geäußert, dass mit dem Neubaugebiet auch eine Umgehungsstraße über die Friedrichshöhe „wahrscheinlich“ werden würde. Unterstützung erhielt Bauer von Bürgermeister Daniel Töpfer (CDU): „Was Sie in den Raum stellen, ist eine Behauptung“, sagte  Töpfer an die Adresse von Wiggenhauser. Für eine Umgehungsstraße gebe es derzeit keine Mehrheit im Gemeinderat. Der Fraktionsvorsitzende der Bürgerliste, Andreas Pröllochs, erinnerte daran, dass die betreffende Ackerfläche „die letzte Möglichkeit im Flächennutzungsplan darstellt, in Weissach ein Neubaugebiet zu erschließen“.

Gravierende Auswirkungen erwartet

Der BUND lehnt das Neubaugebiet vor allem aus Umweltschutzgründen ab. Der Bürgerentscheid schaffe nun Klarheit, so Wiggenhauser, „bei einem Vorhaben, das in seiner Größe und den zu erwartenden Auswirkungen auf das Leben in der Gemeinde gravierend sein wird“. In das gleiche Horn stoßen die Grünen und sehen in dem jetzt beschlossenen Verfahren die „ureigenste Form der Demokratie von unten“. Es sei eine Möglichkeit für die Weissacher, selbst „über die Zukunft der Gemeinde zu entscheiden“.

Susanne Herrmann von der Unabhängigen Liste betonte, dass die Erschließung des Baugebiets „erhebliche Ressourcen der Natur und Gelder aus dem Gemeindehaushalt“ verbrauche. Die Gemeinderätin plädiert unabhängig des Abstimmungsergebnisses dafür, mit den Planungen des Wohngebiets einige Jahre abzuwarten. „Man sollte beobachten, wie sich die geplanten und im Bau befindenden Projekte zur Innenverdichtung auf die Nachfrage am Wohnungs- und Immobilienmarkt auswirken.“ Stichwort: Neugestaltung der Weissacher Ortsmitte.

Kommune mit Eigenentwicklung

Zuletzt waren in der Kommune rund 500 Baulandanfragen eingegangen, davon rund ein Viertel aus der Gemeinde selbst. Im Regionalplan ist Weissach als Kommune mit Eigenentwicklung dargestellt, sodass eigentlich keine über den Ortsbedarf hinausgehende Siedlungsentwicklung stattfinden soll. Vor allem durch die Firma Porsche hat Weissach am Ort jedoch einen deutlichen Einpendlerüberschuss. Töpfer unterstrich zuletzt, dass es die Zielsetzung gebe, den Personen, die in Weissach arbeiten, vermehrt Wohnraum anzubieten.