Der Höfinger Extremläufer Janosch Kowalczyk kündigt seinen Job und wechselt ins Profi-Lager.

Leonberg - Man sagt, an Weihnachten werden Wünsche wahr. Janosch Kowalczyk hat sich seinen bislang größten bereits vor einigen Wochen erfüllt. Der Extremläufer aus Höfingen, studierter Ingenieur, hat seinen soliden Job bei einer Höfinger Software-Firma gekündigt und sich für ein ungewisses Abenteuer entschieden. Der 29-Jährige macht sein Hobby zum Beruf, konzentriert sich ab sofort als Profi nur noch auf seinen Sport und wird auf den mehr als hundert Kilometer langen unwegsamen Pfaden dieser Welt unterwegs sein – im Fachjargon nennt man das Ultra-Trailrunning. „Die Idee, Profi zu werden, trage ich schon eine Weile mit mir rum“, sagt Kowalczyk. Beispielsweise im Jahr 2017, als er zu einem Rennen nach Mallorca flog, sein Urlaubstage-Konto aber schon recht knapp war und der Trip daher nur vier Tage dauern durfte. „Damals hatte ich mir das erste Mal vorgenommen, etwas zu ändern, noch bevor ich 30 werde.“

 

Etwas konkreter wurde es nach den Trailrunning-Weltmeisterschaften 2017 in Italien und 2018 in Spanien. Bei einem Bierchen bekam er als bester deutscher Teilnehmer von allen Seiten Glückwünsche für seine guten Leistungen auf Platz elf beziehungsweise zehn. Da blieb die Frage nicht aus, wann er denn ins Profilager wechseln würde. „Es war mehr ein Lacher und Kompliment, doch in meinem Kopf hat es ernsthaft angefangen zu brodeln“, sagt der Höfinger. „Man trainiert und trainiert, arbeitet, verzichtet auf vieles und investiert alles, um dann letztendlich nur auf höchstens 89 Prozent der Leistungsfähigkeit zu kommen.“ Die restlichen zehn Prozent seien auf Grund der Bedingungen, wie sie es ein Berufstätiger habe, nicht abrufbar. „Immer die Frage, ob ich schlafen oder trainieren soll: Unterm Strich brauche ich beides, beides ergänzt sich.“

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Nun ist er sein eigener Chef

Bislang absolvierte er im Winter zur Saison-Vorbereitung nur einen Bruchteil der Höhenmeter, die in seiner Disziplin erforderlich sind, um mit den Besten der Welt mithalten zu können. „Da fehlte mir dann auch die Erfahrung im Gelände, meine Hemmungen waren zu groß, um effektiv downhill zu laufen.“ Er schaltete auf diesen Passagen seinen Kopf ein und verlor wichtige Zeit.

Als Profi ist Janosch Kowalczyk nun sein eigener Chef. Urlaub braucht er bei seinem Arbeitgeber keinen mehr einzureichen. Vor Weihnachten hat der Höfinger ein dreiwöchiges Trainingslager in Peru absolviert – das erste große Abenteuer als Berufssportler. Und die richtige Motivationsspritze für die künftigen Aufgaben. Ende August war er in ein emotionales Loch gefallen – nachdem er bei den 170 Kilometern rund um den Mont Blanc in Chamonix aussteigen musste, weil sein Körper den Belastungen nicht mehr standhielt. „Danach habe ich kaum was gemacht, weil ich Probleme mit den Leisten habe.“

Eine achttägige Tour in vier Tagen

In Lima hatte sich Kowalczyk mit einem peruanischen Sportsfreund verabredet, den er in diesem Jahr bei den inoffiziellen Team-Weltmeisterschaften im österreichischen Bad Hofgastein kennengelernt hatte und der die heimischen Trails kennt wie die eigene Westentasche. Beide sind Teammitglieder bei Adidas Terrex – der Hauptsponsor des Höfingers. Gemeinsam ging es nach Cusco in die peruanischen Anden. Zwei Wochen lang trainierten sie dort zusammen, liefen einen einsamen Trek zum Weltkulturerbe Machu Picchu, eine von den Inka im 15. Jahrhundert erbaute und später verlassene antike Stadt.

Sie bewegten sich abseits der überlaufenen Touristenfährte in großen Höhen, hatten am Ende 130 Kilometer und 7500 Höhenmeter in den Beinen. „Das war eine achttägige Tour, die wir in vier Tagen gemacht haben“, sagt Kowalczyk. Mit an ihrer Seite hatten sie einen Führer sowie Maultiere, die das Gepäck und die Zelte transportierten. „Die Landschaft dort ist der Wahnsinn, immer wieder stößt man auf eine Inka-Ruine, ich habe mich in das Land und auch in das Essen verliebt“, schwärmt der Höfinger. Nach diesem Erlebnis ging es zurück nach Lima – und von dort drei Autostunden weiter südlich nach Paracas.

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Der Marathon durch die Ica Wüste

Die nächste sportliche Herausforderung war der Marathon des Sables durch die Ica Wüste. Ein viertägiges Rennen über drei Etappen über 30, 55 und 20 Kilometer durch tiefen, Kräfte raubenden Sand. Der Höfinger hatte sich dafür zu Hause noch extra Überschuhe nähen lassen, damit der Sand nicht in die Schuhe kriechen kann. Bei Temperaturen tagsüber bis zu 30 Grad waren mehr als 500 Teilnehmer am Start. Die Nacht verbrachten die Teilnehmer in freier Natur. Das eigene Gepäck samt Verpflegung mussten sie selbst im Rucksack mitnehmen. Nur Zelte und Trinkwasser fanden die Läufer am Rastplatz vor.

Duschmöglichkeiten gab es keine. „Das Ergebnis war mir letztendlich gar nicht so wichtig“, sagt Kowalczyk, dessen Leistenverletzung noch nicht ganz ausgeheilt war. Doch seine Zeit kann sich durchaus sehen lassen: In der Einzelwertung landete der Höfinger auf Rang elf. In der Teamwertung wurde er mit dem Spanier Jose Manuel Martinez Fernandez, ein ehemaliger Spitzenläufer auf der Bahn und Adidas Terrex-Kollege, Zweiter.

Den Rest der Zeit in Peru verbrachte der Höfinger vor der Cordillera Blanca nahe Yungay. „Hier habe ich viel geschlafen, die Muskeln, Bänder und Sehnen gedehnt und das normale Training unter anderem mit Wandereinheiten wieder angefangen, obwohl das auf 3500 Meter Starthöhe sehr schwierig war.“ Untergekommen ist er bei einem weiteren Lauf-Kollegen, einem Briten, der nach Peru ausgewandert ist und dort eine Lodge in den Bergen hat. Zurück zu Hause wird er sich jetzt um einiges kümmern müssen. „Ich muss mir mein Umfeld in Stuttgart aufbauen, so bin ich noch auf der Suche nach Physiotherapeuten, die sich im Leistungssport auskennen und mich gerne unterstützen wollen.“

Trainingsanalyse mithilfe einer App

Er wird jetzt viele Spinning- und Krafteinheiten im Grundlagen-Training einbauen und vor allen Dingen versuchen, seinen VW-Bus durch den TÜV zu bringen, um spätestens im Februar nach Spanien in die Höhe reisen zu können. Mit seiner Laufgruppe in Stuttgart macht er die schnellen Einheiten. Einmal pro Woche telefoniert Janosch Kowalczyk mit seinem Coach John in den USA, die jeweiligen Einheiten analysiert er mithilfe einer App. „Das klappt ganz gut und bringt sehr viel Struktur rein.“

Im März folgt ein Trainingslager mit Adidas, seinem Hauptsponsor für weitere zwei Jahre – für neue ist er offen. „Die Frage nach dem Finanziellen kommt natürlich oft, ich sage dann immer, es ist wie studieren – nur lerne ich nicht, sondern laufe.“ Das erste große Rennen ist das Transvulcania auf der kanarischen Insel La Palma am 8. Mai 2020 – 73 Kilometer und 4400 Höhenmeter. „Das ist sehr gut besetzt“, sagt Kowalczyk über seine erste ernsthafte Standortbestimmung als Vollzeit-Profi.