Im Gebiet Bruhweg II sollen bis zu 700 Wohnungen sowie Gewerbe entstehen. Die angestrebte Klimaneutralität des Viertels

Das Neubaugebiet Bruhweg II ist die letzte große zusammenhängende Fläche, die in Gerlingen bebaut werden kann. Platz für 700 Menschen sowie Gewerbe soll das knapp 13 Hektar große Viertel in Zukunft bieten. Angesichts der klimapolitischen Herausforderungen will Gerlingen das Quartier nun so klimafreundlich wie möglich entwickeln.

 

Stadt will kein Greenwashing betreiben

Doch wie klimafreundlich geht das eigentlich? Eins ist jetzt schon sicher: Klimaneutral wird Bruhweg II nicht. Jedenfalls nicht, wenn man hierfür die strenge Definition des Umweltbundesamts heranzieht: Demnach müssten im Zusammenhang mit dem Baugebiet „alle menschlichen Aktivitäten im Ergebnis keine Nettoeffekte auf das Klimasystem haben“.

Allein schon aufgrund der Tatsache, dass die Oberfläche versiegelt werde und sich damit das Rückstrahlvermögen ändere, so die Stadtverwaltung, sei eine Klimaneutralität ausgeschlossen. Keiner der notwendigen Prozesse, von der Herstellung der Baumaterialien über den Bauprozess selbst bis zum späteren Nutzerverhalten, dürften demnach zu Emissionen führen. Die Stadt hat nun klargestellt: Das ist nicht zu erreichen.

„Um kein Greenwashing zu betreiben, soll das Neubaugebiet folglich nicht als klimaneutral beworben werden“, verkündete in der letzten Gemeinderatssitzung Bürgermeister Dirk Oestringer (parteilos). Stattdessen soll nun das neue Wohnviertel unter dem Leitbild eines „klimafreundlichen“ und „100 % regenerativen“ Quartiers entwickelt werden.

PV-Anlagen und Fassadenbegrünung bei Gewerbeflächen

Konkret heißt das: Bei allen Neubauten soll im Neubaugebiet Bruhweg II künftig der Energieeffizienzstandard KfW-40 verpflichtend gelten. Außerdem soll ein bestimmter Anteil an Fassadenbegrünung an den gewerblichen Bauten vorgeschrieben werden. Wie hoch genau der sein wird, steht noch nicht fest. Bei zusammenhängenden Gewerbefassadenflächen ist derzeit von einem Anteil von zehn Prozent die Rede. Zudem sollen 100 Prozent aller Dachflächen von Bruhweg II Photovoltaikanlagen erhalten.

Letzteres ginge aber zu Lasten der Dachbegrünung, die bisher auf der Agenda stand. Um das Leitbild des klimafreundlichen Quartiers zu erfüllen, sollen neben der Energieversorgung auch die Beleuchtung und die Mobilität im künftigen Viertel nachhaltig gestaltet sowie große Grün- und Wasserflächen integriert werden, erklärt die Stadtverwaltung.

Gegenstimmen im Gemeinderat

Nicht alle im Gemeinderat wollten bei jedem einzelnen dieser Punkte eines neuen ökologischen Leitbilds für das Neubaugebiet sofort mitgehen. So betonte Martin Maisch von den Freien Wählern, dass bei der unklaren Intensität der Fassadenbegrünung noch völlig unklar sei, „welche Kosten daraus entstehen“. Das Gremium nahm das Eckpunktepapier zwar mit Mehrheit an, doch es gab auch Gegenstimmen.

Offen muss bleiben, was die Entscheidung der Stadt Gerlingen für das sogenannte Integrierte Klimaschutzkonzept des Landkreises Ludwigsburg bedeutet. Ursprünglich wollte die Stadt Gerlingen im Neubaugebiet Bruhweg II „Klimaneutralität anstreben“, um einen Beitrag zum Ziel des Landkreises zu leisten, bis 2050 klimaneutral zu werden. Zumindest in Bezug auf das Neubaugebiet Bruhweg II hat sich Gerlingen nun eingestehen müssen, dass dies gar nicht möglich ist.