Das Stadtmuseum zeigt Exponate der aktuellen archäologischen Ausgrabung in Gerlingen. Es ist eine Annäherung an eine längst untergegangene Lebenswelt.

Die aktuell in Gerlingen laufenden archäologischen Ausgrabungen haben alle Erwartungen übertroffen. Die Grabung unter Federführung des Landesamts für Denkmalpflege wurde deshalb erst kürzlich bis Ende des Jahres verlängert. Als zu groß, zu qualitätvoll hatte sich die Befunddichte erwiesen, als dass die Sicherung der Relikte im ursprünglich geplanten Zeitraum hätte abgeschlossen werden können.

 

Von Sonntag an zeigt nun eine erste ausgrabungsbegleitende Ausstellung im Gerlinger Stadtmuseum, was die rund 7000 Jahre alten Exponate aus der mittleren Jungsteinzeit so besonders macht. Die sehenswerte Schau führt den Besucher mitten hinein in die untergegangene Lebenswelt einer Epoche, als Ackerbau und Viehzucht hierzulande noch eine vergleichsweise junge Errungenschaft waren. Und sie überrascht nicht zuletzt mit der Erkenntnis, dass die Siedlungsstrukturen, die im Erdboden des Strohgäus verborgen liegen, Resultat einer prähistorischen Immigrationsgeschichte sind.

Zeit früher bäuerlicher Kulturen

„Wir befinden uns in einer Zeit früher bäuerlicher Kulturen“, erklärt der Archäologe Christian Bollacher am Freitag im Rahmen einer Vorabpräsentation der Ausstellung. Zuvor seien die Menschen unserer Breiten Jäger und Sammler gewesen. „In der Mitte des sechsten Jahrtausends vor Christus erscheinen dann schlagartig erste bäuerliche Strukturen“, so der wissenschaftliche Projektleiter im Landesamt für Denkmalpflege. Soll heißen: Spuren von sesshaftem Leben, domestizierten Tieren, Getreide und Pflanzen, die gezielt angebaut wurden, Keramik und neuartigen Werkzeugen.

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Der Grund für das plötzliche Auftauchen einer dörflichen Lebensweise: Die Siedler, deren Hinterlassenschaften jetzt im Grabungsfeld Bruhweg II zum Vorschein kommen, entstammen nicht etwa der alteingesessenen Bevölkerung Mitteleuropas. Sie sind vielmehr Nachfahren jener Menschen, die ausgehend vom sogenannten fruchtbaren Halbmond im heutigen Vorderen Orient kurz zuvor ihr landwirtschaftliches Wissen mit nach Mitteleuropa brachten.

Linsen ohne Spätzle

„Wir profitieren noch heute davon, was die Menschen damals importiert haben“, sagt Bollacher. Neben Schafen, Ziegen, Rindern und Schweinen auch Erbsen, Emmer, Einkorn und Linsen. Weshalb auf einer der Schautafeln der Ausstellung auch der Hinweis nicht fehlen darf, dass damals zwar die Linse erstmals im Schwabenland auf dem Speiseplan stand, nicht aber die zugehörigen Spätzle: Das Haushuhn kam erst im sechsten Jahrhundert vor Christus ins Land.

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Folgerichtig fanden sich im Erdreich neben Gebäuderesten auch beispielsweise Mahlsteine oder kunstvoll verzierte Gefäße, die an Ösen aufgehängt wurden, um den Inhalt vor Schädlingen zu schützen. „Die Menschen haben lange Wege auf sich genommen, um das optimale Material zu verwenden“, sagt der Archäologe. Je nach Verwendung kamen die Steine aus dem Schwarzwald, von der Schwäbischen Alb oder dem heutigen Franken. Mutmaßlich jüngeren Datums ist das zuletzt in einem Grab gefundene männliche Skelett, das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist.

Ausstellung mit Clou

Die Schau arbeitet mit „verschiedenen Vermittlungsebenen“, wie Nicole Ebinger, die Chefkuratorin des Landesamts für Denkmalpflege, betont. So sind in der Ausstellung die gesicherten Fakten in blauer Schrift markiert. In Rot Theorien, Vermutungen und Beiläufiges. Der Clou: Gut lesen lassen sich die überlagernden Erklärungen erst dann, wenn man den Text auf den Tafeln durch einen Farbfilter betrachtet. Ergänzt wird die Ausstellung durch ein Vermittlungsangebot, erklärt die Museumsleiterin Birgit Knolmayer. Darin enthalten: Vorträge, Führungen und Mitmachangebote für Kinder.

„Leben in Gerlingen 5000 Jahre v. Christus“ ist vom 3. April bis zum 22. Januar 2023 zu sehen. Das Stadtmuseum ist dienstags und samstags von 14 bis 18 Uhr, sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Infos im Internet unter www-gerlingen.de/stadtmuseum.