Nachverdichtung, gemischte Altersstruktur, Flächenverbrauch: Für den Siedlungsbau in Gerlingen gelten künftig verbindliche Leitlinien. Auch für das Gebiet Bruhweg II sind die neuen Reglen bereits relevant.

Gerlingen - Flächenverbrauch, demografische Entwicklung, Mietpreisexplosion – es gibt viele gute Gründe, sich ernsthafte Gedanken darüber zu machen, wie Städte in Zukunft mit ihren knappen Wohnraumressourcen umgehen wollen. Nicht anders sieht das offenbar der Gerlinger Gemeinderat, weshalb das Gremium Ende Oktober eine zweitägige Klausurtagung zum Thema „Bauen und Wohnen“ anberaumt hatte. Ziel des Gedankenaustauschs war die Erstellung eines Regelwerks – eines sogenannten Eckpunktepapiers –, mit dem die Leitlinien der künftigen Siedlungs- und Wohnbauentwicklung verbindlich abgesteckt werden sollen.

 

Oestringer: „Eine Richtschnur für die Zukunft“

Der Zeitpunkt war nicht zufällig gewählt: Denn das Gros der aufgestellten Regeln soll bereits für das in den Startlöchern stehende Neubauprojekt Bruhweg II gelten. Das Areal am Nordrand von Gerlingen, auf dem in naher Zukunft Wohnraum für bis zu 700 Menschen entstehen soll, gilt vorläufig als eines der letzten großen Entwicklungsgebiete der Stadt. Vorausgegangen war der Erstellung des Eckpunktepapiers eine ganze Flut an Anträgen aus den Gemeinderatsfraktionen, die allesamt die Zukunft des Wohnens in Gerlingen zum Thema haben.

Wie Bürgermeister Dirk Oestringer (parteilos) nun betont, ist das im Gemeinderat verabschiedete Papier „eine Richtschnur für die Zukunft“ des Wohnungsbaus in Gerlingen. So sollen nach Maßgabe dieses Pflichtenhefts künftig vor allem die Innenentwicklungspotenziale Gerlingens ausgeschöpft werden, inklusive „gebietsverträglicher Nachverdichtung“.

Keine generelle Bodenbevorratung geplant

Gleichwohl wird in dem Regelwerk die Außenentwicklung, das heißt das Bebauen bislang unbebauter Flächen jenseits des Stadtrands, zur Sicherung der Einwohnerzahl und der Altersstruktur Gerlingens „nicht gänzlich ausgeschlossen“. Neubaugebiete, so heißt es im Papier, sollen aber „nur noch dann entwickelt werden, wenn die Stadt im Eigentum der gesamten Fläche ist“.

Die Neubaugebiete „Bruhweg II“ und „Leonberger Weg West“ sind hiervon ausdrücklich ausgenommen. Eine generelle Bodenbevorratung, mit der viele Kommunen derzeit langfristig der Spekulation und damit der Preissteigerungen im Immobiliensektor Herr werden wollen, sieht das Papier nicht vor. Auf Nachfrage betont die Stadtverwaltung: „Einen Beschluss über eine generelle Grundstücksbevorratung gibt es nicht. Eine Grundstücksbevorratung ist projektbezogen zu sehen und muss mit dem Gemeinderat im Einzelfall abgestimmt werden.“

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Wie sich die Regelungen zur Außenentwicklung dauerhaft mit dem Gebot der Eindämmung des grassierenden Flächenverbrauchs vertragen, auf das auch die Gerlinger Grünen in Anträgen hingewiesen hatten, muss sich freilich erst noch weisen. Einwände hatte auf diesem Hintergrund in der jüngsten Gemeinderatssitzung lediglich der Stadtrat Manuel Reichert (Fraktion Junge Gerlinger), der sich „eine zurückhaltendere beziehungsweise auf den Bruhweg II begrenzende Formulierung in puncto städtebaulicher Außenbereichsentwicklung gewünscht“ hätte. Reichert versagte dem Papier deshalb seine Zustimmung.

Mindestens 20 Prozent der entstehenden Wohnflächen sollen in Gerlingen „bei Neubauprojekten einer bestimmten Größe“ künftig einer „Sozialbauverpflichtung“ unterliegen. Konkret heißt das: Ein Drittel dieser Wohnflächen muss dann mit einem Abschlag von 33 Prozent unter den ortsüblichen Vergleichswerten vermietet oder verkauft werden, zwei Drittel mit einem Abschlag von 15 Prozent. Dies soll bereits beim Projekt Bruhweg II gelten.

Klimaneutrales Baugebiet

Für das rund zwölf Hektar große Neubaugebiet sieht der Leitfaden verbindlich eine altersgemischte Struktur vor, was unterschiedliche Wohnformen für Familien, Singles oder Senioren bedingt. Durch eine sogenannte Konzeptvergabe will die Stadt beim Verkauf von kommunalen Flächen in dem Gebiet seine Einflussmöglichkeiten auf die konkrete Nutzung und Gestaltung wahren. Verbindlich vorgesehen sind überdies zwei Mobilitätsstationen mit Angeboten zu Pedelecs, Car-Sharing oder Ladeinfrastruktur. Grundsätzlich strebt die Stadt mit dem Eckpunktepapier an, das Neubaugebiet Bruhweg II klimaneutral zu entwickeln.

Vor dem Baustart

Grabung
 Bis etwa Mai 2022 finden im Gebiet Bruhweg II noch archäologische Rettungsgrabungen statt. Bevor die Bauarbeiten beginnen, müssen die steinzeitlichen Spuren fachgerecht dokumentiert und geborgen werden. Ab Frühjahr 2022 sollen die Grabungen dann durch eine Ausstellung im Stadtmuseum begleitet werden. Einige der Fundstücke, die teils mehr als 7000 Jahre alt sind, werden dann voraussichtlich ausgestellt. Baubeginn
Zuletzt war für das Neubaugebiet von einer Bauphase zwischen 2024 und 2027 die Rede. Einen konkreten Termin für den Baubeginn gibt es nach Auskunft der Stadt derzeit aber noch nicht.