Ein Rückfall: Unsere Experten blicken trotzdem positiv nach vorne.

Leonberg - Der Europapark in Rust ist Kinderfasching im Vergleich zu der Achterbahnfahrt, die uns Jogis Jungs gegen die Ungarn beschert haben. Erst drin, weil sie beim 0:0 ja den nötigen Punkt schon in der Hand hatten. Dann draußen nach dem Rückstand. Zwischenzeitlich gab’s Unterstützung von den Franzosen. Mit dem eigenen Treffer zum 1:1 wurde diese nicht mehr gebraucht – aber nur kurzzeitig. Für den letzten Looping war dann der Bochumer Jung Leon Goretzka mit seinem erneuten Ausgleich verantwortlich. Nach dem ganzen Hin und Her bleibt die Frage: Ja was denn nun, Deutschland?

 

Und irgendwie scheinen unsere drei Trainer-Experten die Berg- und Talfahrt der Nationalelf genau so mitzumachen. Mit dem Portugal-Spiel ging’s mit den Einschätzungen und Voraussagen deutlich nach oben. Was folgte, war der Rückfall in scheinbar schon vergessene Zeiten. Lisa Lang, Lothar Mattner und Wolfgang Lamitschka tippten allesamt auf einen sicheren Sieg gegen Ungarn, und das auch noch ohne Gegentor. Nicht ganz getroffen. Vielleicht hatte sich unser Trainer-Trio blenden lassen. Ernüchterung und Enttäuschung sind groß. „Wir sind wieder in alte Muster verfallen“, sagt Lisa Lang. „Es kann doch nicht unser Anspruch sein, bei einem 2:2 gegen Ungarn auf Zeit zu spielen, um weiterzukommen.“ Einmal angefangen, redet sich die 28-Jährige fast in Rage. „Musiala hat in fünf Minuten mehr gemacht als alle anderen, die da vorher rumgestolpert sind.“

Respekt gegenüber dem Gegner

Ganz so schnell schießen die Preußen bei Wolfgang Lamitschka nicht. Natürlich hat auch ihn der deutsche Auftritt nicht aus seinem Sitz gerissen. Aber nach einer Nacht drüber schlafen, kommt er zu dem Schuss: „Es lag auch am Gegner. Wir müssen der Leistungsfähigkeit des Gegenübers immer Respekt zollen.“ Ein entscheidendes Manko im deutschen Spiel: zu wenig Bewegung. „Man darf alles machen bei Ballbesitz, aber keine stehenden Spieler haben. Und die habe ich immer wieder bei uns gesehen.“ Als es dann immer enger wurde, da griff Lamitschka ganz tief in die Geschichts-Trickkiste. In Anlehnung an das gewonnene WM-Finale gegen Ungarn 1954 sagte er sich nur: „Aus dem Hintergrund müsste Goretzka schießen...“ Und der schoss dann ja in der 84. Minute tatsächlich.

Der Fußballlehrer Lothar Mattner hält sich nicht lange mit dem Gegner Ungarn auf. Für ihn ist der deutsche Rumpel-Auftritt eine Frage des Systems, und das schon mit Beginn des Turniers: „Warum mit Dreierkette gespielt wird, ist mir unbegreiflich. So kann ich keinen guten Fußball spielen.“ Ebenso wenig versteht der 56-Jährige, warum Leroy Sané bis zum Ende durchgespielt hat. Der Bayern-Stürmer konnte keine Akzente setzen – ganz im Gegenteil. Beispielhaft sein Eckball, der irgendwo ins Nichts segelte. „Der Typ spielt Champions League. Das geht gar nicht“, watscht ihn Mattner ab.

Mit dem Achtelfinale beginnt das Turnier richtig

Bei allem Ärger hat das Experten-Trio die deutsche Mannschaft noch nicht abgeschrieben. „Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass die Mannschaft die Kurve kriegt“, sagt Lamitschka, „das Turnier geht im Achtelfinale doch erst richtig los.“ Er ist sich sicher, dass das Nationalteam gewinnt. Auf einen Tipp will er sich diesmal aber nicht festlegen. Kein Wunder: Mit seinem vorausgesagten 3:0 gegen Ungarn lag er mächtig daneben. Lisa Lang schätzt, dass es am kommenden Dienstag (18 Uhr) in London nach einem 1:1 in die Verlängerung geht: „Und dann gewinnen wir das Ding.“ Auf Überstunden dieser Art kann Kollege Mattner getrost verzichten. Obwohl es für den Umsatz in seiner Kneipe Domizil vielleicht nicht das Schlechteste wäre. Dennoch lautet sein Tipp: „Ich würde lieber mit 3:2 in der regulären Spielzeit gewinnen.“

Im legendären Wembley-Stadion geht es gegen bislang ebenso wenig überzeugende Engländer ans Eingemachte. Steht die deutsche Mannschaft etwa vor dem K.o. im Achtelfinale? Sollte tatsächlich das letzte Stündlein für unser, man muss es zugeben, bei den Tipps auch noch nicht wirklich überzeugendes, Experten-Trio schlagen? Kann gar nicht sein.

Positive Turnier-Statistik

Wir behelfen uns mit der Statistik. Von elf WM- und EM-Spielen gegen England hat Deutschland bislang nur drei verloren. Ja, okay, es war auch das Weltmeisterschaftsfinale von 1966 dabei, als es nach Verlängerung 4:2 für die „Three Lions“ hieß.

Aber das ist ja jetzt so langsam verjährt. Wenn wir dennoch so weit und noch ein Stückchen weiter in der deutschen Fußball-Historie zurückblicken wollen: Vielleicht schießt Goretzka ja noch einmal aus dem Hintergrund...