Unser Experten-Trio zieht vor Jogi Löw den nicht vorhandenen Hut.

Leonberg - Na klar, sie sind in aller Munde und haben es sich nach dem tollen Auftritt gegen Portugal auch redlich verdient: der neue Fan-Favorit Robin Gosens und der mit starker Leistung und einem Treffer aufwartende Kai Havertz. Aber was ist eigentlich mit demjenigen, der das ausgeheckt hat? Der Bundes-Jogi hat es wieder einmal allen gezeigt. Lässt sich von dem Getöse nach der Niederlage gegen Frankreich und nicht enden wollenden Diskussionen über das taktische System (Vierer- oder Dreierkette) und den richtigen Platz für Joshua Kimmich (rechts hinten oder zentral im Mittelfeld) nicht beeindrucken und aus der Ruhe bringen.

 

Wolfgang Lamitschka, A-lizenzierter Übungsleiter und Trainer-Ausbilder, kommt regelrecht ins Schwärmen: „Chapeau. Jogi Löw hat es 80 Millionen Bundestrainern gezeigt. Er ist ein Schlitzohr.“ Als der Gerlinger die unveränderte Startaufstellung vor der Partie gesehen hat, rieb er sich zunächst einigermaßen verwundert die Augen und fragte sich: „Was hat er denn vor, unser Bundestrainer?“ Nach dem Abpfiff zog Lamitschka seine Lehre, die da lautet: „Zweifle nicht an Deiner Mannschaft, wenn Du von ihr überzeugt bist. Deswegen gibt’s nur einen Bundestrainer.“

Lisa Lang liegt daneben

Ihren kleinen Expertenstatus-Vorsprung gegenüber den Kollegen Wolfgang Lamitschka und Lothar Mattner – sie war die einzige unseres Altkreis-EM-Trios, die gegen Frankreich nicht auf einen deutschen Sieg getippt hatte –, ist Lisa Lang schon wieder los. Mit ihrer Einschätzung, die sie eher unter dem Stichwort Befürchtung eingebracht hat, dass die gleiche Elf ein zweites Mal auflaufen wird („Man kennt Jogi ja inzwischen ein bisschen“), lag sie noch richtig. Aber dann... Ein torarmes Spiel würde es gegen Portugal wohl werden, in dem der erste Treffer entscheidet. Knapp daneben ist auch vorbei. Die Zuschauer bekamen das bislang torreichste Spiel des Turniers zu sehen, und der erste Treffer ging auf die Kappe eines gewissen Herrn Ronaldo. „Oh weia“, schoss es der Trainerin des TSV Münchingen kurz durch den Kopf, „die werden ja alle denken: Die hat ja gar keine Ahnung.“

Fußball-Sachverstand würde er bei sich schon unterstellen. Als Ergebnis-Tipper könne er sich jedoch nicht hervortun, sagt Lothar Mattner von sich. Und siehe da: Er hat sich fast selbst widerlegt. Nach einer Stunde stellte Gosens mit seinem Kopfball auf 4:1. In diesem Moment stand der Mattner’sche Tipp. Das völlig unnötige Gegentor von Jota machte wenig später einen Strich durch die Rechnung. Der Fußballlehrer wollte aber weder seine (wohl doch vorhandenen) Tipp-Künste hervorheben noch einen Spieler herausstellen: „So wie die in den ersten zehn Minuten aufgetreten sind, kriegst Du das nur hin, wenn Du als Ganzes wunderbar zusammenspielst und Druck aufbaust.“ Der Europameister von 2016 hatte dem nicht viel entgegenzusetzen. Und Mattner weiß auch warum: „Das ist immer ein Problem von Mannschaften, deren Spiel nur auf einen Spieler zugeschnitten ist.“

Alles möglich von Platz eins bis vier

Was das alles für die entscheidende Partie am Mittwoch gegen Ungarn heißt? „Aktuell ist die Situation so, dass Deutschland in der Gruppe auch noch Letzter werden kann“, sagt Lothar Mattner. Will heißen: Es ist noch gar nichts gewonnen. Wie Lisa Lang tippt auch er auf einen 2:0-Sieg. Beide sind sich einig, dass endlich auch mal wieder hinten die Null stehen muss. Zum letzten Mal war das beim WM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien (1:0) im März der Fall.

Noch weiter aus dem Fenster lehnt sich diesmal Wolfgang Lamitschka: „Wir werden Ungarn deutlich schlagen.“ In Zahlen heißt das 3:0. Optimismus und Selbstbewusstsein haben im deutschen Team, aber auch bei unserem Expertenteam einen ordentlichen Schub bekommen. Aber Achtung: Von Platz eins bis vier in der Gruppe ist noch alles möglich. Das geflügelte Wort von den Pferden und der Apotheke verkneifen wir uns an dieser Stelle.