Der Bauexperte Rainer Ganske sieht Kommunen und Eigentümer gleichermaßen in der Pflicht.

Leonberg - Seine These ist so einleuchtend wie beunruhigend: „Wenn wir es nicht schaffen, dass sich Menschen aus normalen Berufen wie der Pflege oder dem Einzelhandel eine Wohnung leisten können, birgt das sozialen Sprengstoff und beeinträchtigt unser Zusammenleben.“

 

Rainer Ganske nimmt bei der CDU kein Blatt vor den Mund. Der Ortsverein Höfingen und die Gemeinderatsfraktion haben den Chef der kommunalen Böblinger Baugesellschaft (BBG) eingeladen, um von dem Praktiker zu erfahren, wie man preiswerten Wohnraum entwickeln kann.

Druck über das Baurecht

Der Bauspezialist, der in den Neunzigern als Leiter des Bauverwaltungsamtes in Ehningen angefangen, drei Jahre im Vorstand der bundesweit agierenden Baugesellschaft GWG gesessen hatte und jetzt bei der BBG in seiner Heimatstadt Böblingen „800 Wohnungen in der Pipeline hat“, sieht nicht nur die Kommunen in der Pflicht, er billigt ihnen auch eine starke Position zu.

Der Ansicht des Höfinger CDU-Chefs Dirk Jeutter, wonach eine Kommune einem Investor finanziell entgegenkommen müsse, damit dieser bezahlbaren Wohnraum realisiert, kann Ganske, selbst CDU-Mitglied und Regionalrat, nicht wirklich folgen. Denn ohne Baurecht kann ein Privatunternehmer überhaupt nichts machen. Diese Linie müssten die Kommunen aber auch „konsequent verfolgen.“

Dann kann die 25-Prozent-Klausel funktionieren, die auch in Leonberg gilt. Der Gemeinderat hat beschlossen, dass in neuen Quartieren ein Viertel für bezahlbaren Wohnraum reserviert wird. Erstmals angewendet werden soll dieser Schlüssel bei der Bebauung des TSG-Geländes.

Stadt muss Bauflächen kaufen

Rainer Ganske legt der CDU-Fraktionsvorsitzenden Elke Staubach und den anderen Kommunalpolitikern im Publikum dringend nahe, dass die Stadt potenzielle Bauflächen kauft, um sie dann weiter zu veräußern. Nur so könne sie bestimmen, was auf dem Gelände geschieht.

Ein Beispiel, wo es nicht geklappt hat, ist das ehemalige Bausparkassengelände, das von dem Privatinvestor Layher gekauft wurde. Städtebauliche Akzente konnte Leonberg nur in geringem Maße und mit großer Mühe umsetzen.

Doch selbst wenn das Zusammenspiel zwischen Investor und Bauverwaltung reibungslos funktioniert: Ein zentrales Problem ist der geringe Platz. Einen Ausweg sieht Ganske im Geschossbau, der „durchaus attraktiv sein kann.“ Auch bei der sogenannten Nachverdichtung, also dem Schließen von Baulücken, „kommt es darauf an, was man draus macht.“

Standortrisiko Nummer eins

Der Experte warnt dringend davor, mit neuen Quartieren immer mehr nach draußen zu gehen. „So treiben wir den Teufel mit dem Beelzebub aus.“ Denn größere Entfernungen bringen noch mehr Verkehr, der Kollaps ist in Ganskes Augen irgendwann nicht mehr vermeidbar. „Aber fehlende Mobilität ist das Standortrisiko Nummer eins.“

Deshalb hält er den Kurs des Regionalverbandes, Wachstum nur an Bahnlinien zuzulassen, für richtig. Was Leonberg und gerade den Stadtteil Höfingen als Zuzugsort besonders attraktiv macht. Deshalb müsse die Stadt sich über Widerstände hinwegsetzen, wenn es darum geht, neue Wohnflächen auszuweisen, sagt Rainer Ganske mit Blick auf die aktuelle Diskussion um eine Bebauung des Gebietes Unterer Schützenrain.

Der Gegenwind, so hat es der Praktiker angesichts seiner deutschlandweiten Erfahrungen festgestellt, ist im Ländle besonders heftig. Während in Hamburg oder München vergleichsweise zügig neue Baugebiete realisiert werden, scheitert das in der Region Stuttgart oft am Protest der Anlieger: „Wer ein Häusle oder eine Wiese hat, will nicht zugebaut werden.“ Menschlich hält das Ganske für verständlich, genau wie die hierzulande ausgeprägte Neigung, Grundstücke für Kinder und Enkel jahrelang zurückzuhalten.

Verantwortung für Wohnungssuchende

Aber angesichts der oft verzweifelten Suche gerade junger Familien nach einer bezahlbaren Bleibe sei es nicht verantwortbar, dass beispielsweise großzügige Schrebergärten, die nach dem Krieg zur Selbstversorgung angelegt wurden, heute nicht für den Hausbau genutzt werden können, weil es die Eigentümer nicht wollen.

Freilich hält der Christdemokrat kein indirektes Plädoyer für die Enteignung, appelliert aber an die Verantwortung von Grundstückseigentümern. Und auch die Kommunen nimmt er in die Pflicht: „Sie haben nicht nur Verantwortung für Menschen, die hier schon leben, sondern auch für jene, die noch suchen.“